Schlagwort-Archive: Abmahnung

Die Verbraucherrechtsnovelle: Das neue Widerrufsrecht beim Verkauf von Software zum Download

Von Freitag, dem 13. Juni 2014 gilt mit der Umsetzung der Verbraucherrechtsnovelle (EU Richtlinie 2011/83/EU) auch hierzulande das neue Verbraucher- und Widerrufsrecht. Damit dieser Freitag, der 13., nicht zum persönlichen Unglückstag wird, sollten Shop-Betreiber und sonstige Unternehmer, die Waren und Dienstleistungen und „unkörperliche digitale Inhalte“ über das Internet verkaufen, Obacht walten lassen und die gesetzlichen Neuregelungen besser nicht ignorieren. Schließlich gibt es keine Übergangsfristen. Und vermutlich stehen doch wieder einige Kanzleien in den Startlöchern und haben sich eifrige Studenten für die nächtliche Durchleuchtung von Shops und Webseiten gesucht, um die ein oder andere Abmahnung zu versenden. Insoweit ist dringend die Anpassung von sämtlichen Widerrufsbelehrungen, AGB und Bestellsysteme bis zur Nacht des genannten Tages angeraten.

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Das LG Köln (Az. 14 O 427/13) und die Urhebernennung – Ist die Entscheidung die Aufregung wert?

Ja. Natürlich haben auch wir uns um die gestern zunächst durch den Kollegen Plutte veröffentlichte Entscheidung des LG Köln vom 30. Januar, Az. 14 O 427/13 Gedanken gemacht. In der täglichen Morgenlage kamen wir allerdings zu dem einstimmigen Ergebnis: Die derzeitige Aufregung in den Timelines ist dieses Urteil nicht wert.

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Es gibt keinen wilden Westen im Internet. Oder: Vom Affiliate-Marketing und Wettbewerbsrecht

Wir versuchen an dieser Stelle ja schon ein wenig länger, die geneigte Leserschaft zu überzeugen, dass dieses Internet kein „no man’s land“ des Rechts ist und dass der (zu) laxe Umgang mit dieser Materie durchaus unangenehme Folgen haben kann.

Der ein oder andere dem Internet durchaus beruflich zugeneigte Mensch (setze wahlweise ein: Agenturchef, alteingesessener Unternehmer, Start-Up-Evangelist, Social Media Manager, Recruiter 2.0) will das aber nicht so richtig akzeptieren. Es gilt weiter die Devise: Wir machen jetzt mal! Da passiert schon nichts.

Dabei läuft die digitale Wirklichkeit längst in schönster Regelmäßigkeit zu Gericht.

Davon zeugen unter anderem die Entscheidungen des OLG Hamburg (mangelnde Datenschutzerklärungen sind wettbewerbswidrig und mit Abmahnungen angreifbar), des LG Freiburg (Unternehmen können für „private“ Mitarbeiter-Postings unter Umständen haften), des LG Kiel ((k)e Anspruch auf Löschung schlechter Bewertungen) oder des LAG Berlin-Brandenburg (darf ein Unternehmen in die Emails seiner Mitarbeiter im Krankheitsfall Einsicht nehmen).

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Twitter eröffnet Möglichkeit der Übersendung von Direktnachrichten durch alle Follower – gut für die Werbung oder?

Heise, bzw. TechCrunch, meldete heute Mittag, dass Twitter nach und nach eine neue Funktion einführt, wonach Direktnachrichten (DM) nun mehr an jeden Follower übersendet werden können. Zuvor war zum Austausch von Direktnachrichten das gegenseitige Folgen notwendig.

Klar, es hat seine Vorteile, wenn einem nun jeder Follower eine DM übersenden kann. Der Journalist Darell Etherington sieht es jedenfalls so, sinngemäß sagt er: Es befreit von den nervigen an ihn gerichteten Tweets mit der Anforderung „Bitte folge mir, damit ich Dir eine DM mit wichtigen Nachrichten schicken kann“, was sich am Ende doch bloß als fishing for permanent followers ohne jeden wichtigen Gehalt herausstellt.

Mag sein, dass  Mr. Etherington weniger @replies erhält, dafür dürfte es künftig wohl etwas mehr Werbung im DM-Postfach sein, die dann so oder so ähnlich aussehen könnte:

„Tolle Homepage, sehr schön designt. Aber wie wäre es mit einem verbesserten SEO/SEM? Einfach DM an @seonerds!“

 

Toll. Oder? Denn wenn einem nun jeder Follower eine DM übersenden kann, bedeutet das im Umkehrschluss, dass mir nun jeder, wie der fiktive @seonerds, eine DM übersenden kann, solange er mir nur folgt (und ich die Funktion grundsätzlich aktiv habe). Ob man das möchte oder das angenehm findet, ist die eine Sache, eine andere ist, ob diese mögliche Art der Werbung rechtliche Konsequenzen für die Versender haben kann. 

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OLG Hamburg: Mangelhafte Datenschutzerklärungen sind wettbewerbswidrig und mit Abmahnungen angreifbar

Das Oberlandesgericht Hamburg hat Ende Juni eine insbesondere für Agenturen und deren Auftraggeber zwingend zu berücksichtigende Entscheidung (Az. 3 U 26/12) getroffen. Und zwar zum einen hinsichtlich der Frage, ob die Informationspflicht bei Datenerhebungen nach dem Telemediengesetz eine sogenannte Marktverhaltensnorm ist, bei der ein Verstoß eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung auslösen kann. Und zum anderen hinsichtlich der Frage, ob neben der ausführenden Agentur auch das beauftragende Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Sinne in Anspruch genommen werden kann.

Doch worum geht es konkret und im Einzelnen?

I. Der Sachverhalt

Das Unternehmen U vertreibt Blutdruckmessgeräte. Der Hersteller H ebenfalls. Der Hersteller beauftragte den Dienstleister D mit der Schaltung von Werbung im Internet. D schaltete Werbung, mittels derer letztlich Diabetiker aufgefordert wurden, sich zu über das Internet zu registrieren, um so dann das Gerät es Herstellers H „unter Alltagsbedingungen zum Kennenlernen“  zu erhalten.  Die vom Dienstleister D betriebene Internetseite, auf der die Registrierung vorzunehmen war, enthielt weder ein Impressum noch Informationen zur Erhebung und Verwendung der für die Registrierung der angesprochenen Kunden erforderlichen personenbezogenen Daten.

U wandte sich nun jeweils mit einer Abmahnung gegen den Dienstleister, der diese Werbung schaltete sowie die Landing-Page betrieb und gegen den Hersteller der Blutdruckgeräte, der auch den Dienstleister beauftragt hatte. U machte mit der Abmahnung

  1. einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG (Heilmittelwerbegesetz),
  2. einen Verstoß gegen die Impressumspflicht nach § 5 TMG (Telemediengesetz),
  3. einen Verstoß gegen Informationspflicht nach § 13 TMG,

jeweils in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), wonach der Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften eine unlautere und mithin verbotene geschäftliche Handlung darstellt, geltend.

Während der Dienstleister umgehend eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgab, verweigerte sich dem der Hersteller. Folglich machte das Unternehmen U weiter gerichtlich seine Forderung auf Unterlassung und Kostentragung gegen den Hersteller H geltend.

Der Hersteller H suchte sich mit den Argumenten zu verteidigen, die Abmahnung entbehre schon inhaltlich jeder Grundlage und zudem könne er selbst gar nicht angegriffen werden, da schließlich die Agentur alles (falsch) gemacht habe.

II. Die Entscheidung des OLG Hamburg

Das OLG Hamburg stellte unmissverständlich klar, dass der Hersteller vorliegend selbstverständlich für einen Verstoß seines Dienstleisters haftet. Dies ergibt sich auch wörtlich aus § 8 Abs. 2 UWG, in dem es heißt:

„Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von […] Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet“

Beauftragter im Sinne dieser Norm ist wiederum jeder, der, ohne Mitarbeiter zu sein, für das Unternehmen eines anderen auf Grund eines vertraglichen oder anderen Rechtsverhältnisses tätig ist und hierbei in die betriebliche Organisation dergestalt eingliedert ist, dass der Erfolg seiner Handlung zumindest auch dem Unternehmensinhaber zugute kommt und dem Unternehmensinhaber ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf die beanstandete Tätigkeit eingeräumt ist (Vgl.: Köhler/Bornkamm, § 8, Rn. 2.41). Tja, und da der Hersteller H den Dienstleister D nun einmal zum Zweck der Bewerbung der Produkte vertraglich eingeschaltet hat und zugleich in die Abwicklung der Werbeaktion eingebunden war (der Hersteller hat natürlich die Daten letztlich erhalten und die Blutdruckgeräte versendet), ist die Haftung des Herstellers neben der des Dienstleisters für die genannten Verstöße eindeutig.

1. Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz

Hierzu will ich mich an dieser Stelle gar nicht weiter auslassen, wen es interessiert, der mag das Urteil selbst, insbesondere die Randzeichen 33 bis 40 lesen. Das Gericht sah jedoch einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz als gegeben an.

2. Verstoß gegen die Impressumspflicht

Uhaaaa. Die Geschichte hat sooooo’nen Bart und kostet das Gericht folglich auch nur müde sechs Zeilen (man möge die lapidare Ausdrucksweise verzeihen): Ein fehlendes Impressum des die Seite betreibenden Dienstleisters D ist natürlich ein Verstoß gegen die Impressumspflicht, welcher auch wettbewerbsrechtliche Relevanz hat. (Wer mehr wissen will, mag das Urteil des KG Berlin Az. 103 O 34/10 lesen, das sich ausdrücklich mit diesem Thema befasst.)

3. Verstoß gegen die Informationspflichten

Nun wird es aber hochgradig spannend. Nicht nur, weil der Datenschutz dank Edward Snowden sowieso gerade in aller Munde ist und ich mir vor zwei Tagen zum Recht der informationellen Selbstbestimmung in Zeiten von #prism und #tempora die Finger wund geschrieben habe, sondern aus dem folgenden Grund:

Bislang ist umstritten, ob datenschutzrechtliche Normen wettbewerbsrechtlich relevant sind und damit ob ein Verstoß gegen eine solche Norm von einem Mitbewerber mit einer wettbwerbsrechtlichen Abmahnung quittiert werden kann.

Einfallstor für den wettbewerbsrechtlichen Bezug und damit die Abmahnung ist der schon genannte § 4 Nr. 11 UWG, in dem es heißt

„Unlauter handelt insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.“

Die Frage ist also, ob die Vorschrift des § 13 Abs. 1 TMG, wonach Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten […] n allgemein verständlicher Form zu unterrichten sind, eben eine solche „Marktverhaltensnorm“ im Sinne des UWG darstellt. 

Das KG Berlin hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2011 (Az. 5 W 88/11)  eine solche wettbewerbsbezogene Funktion des § 13 Abs. 1 TMG nicht erkannt. Die Norm solle nur gewährleisten, dass der Nutzer sich einen umfassenden Überblick über die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten verschaffen kann. Und weiter: Für die Beurteilung, ob ein Verstoß im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG vorliegt, ist es unerheblich, ob sich ein Unternehmen durch die Missachtung einer derart auf den Datenschutz bezogenen Informationspflicht einen Vorsprung im Wettbewerb verschafft.

Verstanden habe ich diese Argumentation schon damals nicht und schrieb bereits im Oktober 2012 Zusammenhang mit einem Artikel von Dr. Thilo Weichert „Datenschutz als Geschäftsmodell – Der Fall Facebook“ das Folgende:

Die bestehende Auffassung von einigen Gerichten (KG Berlin, OLG München), dass Datenschutznormen keine Marktverhaltensregelungen im Sinne des UWG darstellen und der Verstoß dagegen deswegen von Mitbewerbern nicht angegriffen werden kann, mutet vor dem Hintergrund, dass eben heutzutage mit eben jenen (wie auch immer erlangten) Daten ein großes Geschäft gemacht wird (also derjenige, der den Datenschutz mit Füßen tritt im Zweifel einen Wettbewerbsvorteil erlangt), nahezu skurril an.“

Das OLG Hamburg sieht dies nun ebenso, denn es führt aus:

„Denn § 13 TMG soll ausweislich der genannten Erwägungsgründe der Datenschutzrichtlinie jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung des Mitbewerbers schützen, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Vorschrift dient mithin auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber und ist damit eine Regelung i.S. des § 4 Nr. 11 UWG, die dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln“

Die Begründung des OLG Hamburg unter Randzeichen 58 zur Marktbezogenenheit der Datenschutznorm ist insgesamt sehr lesenswert.

III. Und nun? Was bedeutet das?

Nun stehen sich zwei oberlandesgerichtliche Rechtsprechungen konträr gegenüber. Die einen sagen hü, die anderen hott. Meines Erachtens handelt es sich bei der Entscheidung des KG Berlin allerdings um eine Fehlentscheidung, die vor dem Hintergrund der schon erwähnten heutigen wirtschaftlichen Bedeutung von Daten nicht aufrechterhalten werden kann.

Da meiner Meinung aber nicht wirklich eine irgendwie geartete Relevanz für die in anderen Fällen zu entscheidenden Richter innewohnt, ist das Folgende anzumerken:

Da zum einen die Linie der Rechtsprechung (noch) nicht klar ist, es zum anderen aber nun eine bejahende oberlandesgerichtliche Entscheidung zum Thema „Datenschutzregelungen als Marktverhaltensnormen“, ist in jedem Fall dazu zu raten, jeweils eine ordnungsgemäße Datenschutzerklärung vorzuhalten und den Datenschutz an dieser Stelle ernst zu nehmen. Das sollten Werbetreibende aus vertrauensbildenden Gründen und zur Vermeidung von genervten Kunden zwar ohnehin tun, aber vielen ist und war das dann doch relativ egal. Die Entscheidung des OLG Hamburg zeigt aber nun die dem Datenschutz innewohnende wettbewerbsrechtliche Relevanz auf und macht deutlich, dass wettbewerbsrechtliche Abmahnung in diesem Bereich zu Recht ergehen können. Folglich steigt das Risiko von Mitbewerbern und/oder den Mitbewerbern der beauftragenden Unternehmen abgemahnt zu werden.

IV. Last but not least: Zum Verhältnis zwischen Agentur und Auftraggeber

Darüber hinaus sollten sich Agenturen bewusst machen, dass zwar nach außen auch der Auftraggeber wettbewerbsrechtlich neben der Agentur in Anspruch genommen werden kann, aber der Auftraggeber aller Wahrscheinlichkeit nach und mit gutem Recht bei der Agentur aufgrund der Schlechtleistung Regress nehmen und sich die Kosten für den Rechtsstreit ersetzen lassen wird.

Schließlich ist die Agentur grundsätzlich für die für den Auftraggeber durchgeführte Kampagne verantwortlich. Die Agentur ist zunächst mal dafür verantwortlich, dass eine für den Kunden konzipierte und durchgeführte Kampagne frei von Mängeln ist. Ein Mangel kann auch eine rechtswidrige Werbemaßnahme sein (vgl. OLG Düsseldorf, Az.: 5 U 39/02), denn in dem Fall ist die Kampagne faktisch nicht erlaubt, damit nicht durchführbar und die Agentur hat Ihre (Dienst-)Leistung nicht ordnungsgemäß gegenüber dem Kunden, also dem Auftraggeber, erbracht. Nun ist es der Agentur zwar möglich, die Verantwortung für eine rechtliche Prüfung einer solchen Kampagne und damit die rechtliche Verantwortung qua vertraglicher Vereinbarung auf den Kunden/Auftraggeber abzuwälzen. Dies ist jedoch zum einen nicht ganz einfach. Zum anderen wird es dann schwierig, wenn die Agentur von vornherein weiß, dass die empfohlene Kampagne zu gerichtlich durchsetzbaren Ansprüchen gegenüber dem Kunden führen wird, bzw. führen kann. Dann kann sich die Agentur kaum damit exculpieren (juristisch für: herausreden), dass die rechtliche Prüfung der Angelegenheit Sache des Kunden/Auftraggebers gewesen wäre. Im Übrigen: In der harten Realität alles Fragen der jeweiligen Darlegungs- und Beweislast.

In diesem Sinne,

am besten einfach immer gleich vernünftig um den Datenschutz kümmern.

tl;dr: Datenschutz wird immer wichtiger, wer als Agentur und/oder Auftraggeber dem durch die Entscheidung des OLG Hamburg gestiegenen Abmahnrisiko entgegentreten möchte, sollte sich um vernünftige Datenschutzerklärungen mühen.

Autor: Nina Diercks

Active Sourcing und Talent Relationship Management (TRM) rechtlich betrachtet – Part III

Ende April veröffentlichte ich hier Part I und Part II der kleinen Serie zum Active Sourcing & Talent Relationship Management (TRM). Während ich im ersten Teil erläuterte,

was eigentlich Active Sourcing & TRM ist,
warum sich ein Personaler auch noch um die rechtliche Seite den Kopf zerbrechen sollte
und warum der den Personalabteilungen bekannte § 32 BDSG hier eher weniger hilft,

setzte ich mich im zweiten Teil mit den rechtlichen Problemen der Kandidatenansprache

ausführlich auseinander. Nach einem Haufen Arbeit und einer zweiwöchigen, sehr schönen, Auszeit mit meiner Familie auf Menorca, kommen wir hier nun endlich zum dritten Teil, der sich mit der wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen befasst. Schließlich gibt es neben dem interessierten Unternehmen und dem potentiellen Kandidaten häufig noch ein dritte Partei: Den bisherigen Arbeitgeber. Und der ist im Zweifel nicht sonderlich amüsiert, wenn der schnellste Fisch in einen hübscheren Teich gelockt wird.

I. Der Wettbewerb und das Recht

Nach unserer Rechtsordnung (und Marktordnung) ist der Wettbewerb frei. Doch innerhalb dieses freien Wettbewerbs soll fair gespielt werden. Für das Fairplay im Markt sorgt in erster Linie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, kurz UWG. Und nach eben diesem Gesetz sind unlautere geschäftliche Handlungen verboten, wenn sie die Interessen von Mitbewerbern spürbar beeinträchtigen. Doch was sind unlautere geschäftliche Handlungen und die Interessen von Mitbewerbern auf dem Spielfeld der Rekrutierung?

1. Abwerben – Eine unlautere geschäftliche Handlung?
Die Freiheit des Wettbewerbs erstreckt sich auch auf die Nachfrage nach Arbeitnehmern und somit haben Unternehmen keinen etwaigen „Bestandsschutz“ hinsichtlich ihrer Mitarbeiter (vgl. Köhler/Bornkamm, § 4, Rn. 10.103). Das Fischen in fremden Teichen, also das Abwerben von Mitarbeitern, ist damit grundsätzlich erlaubt. Jedoch: Fair muss es zugehen. Das Ziehen am Trikot ist weder beim Fußball, noch beim Rekrutieren erlaubt. In der Sprache des UWG heißt es dazu: Unlauter handelt insbesondere, wer die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft (§ 4 Nr. 7 UWG), oder Mitbewerber gezielt behindert (§ 4 Nr. 10 UWG). a. Rekrutierung = Das Herabsetzen & Verunglimpfen von Mitbewerbern?!? Abwegig! Meint hier der ein oder andere womöglich. Doch weit gefehlt. Eine wettbewerbswidrige Herabsetzung eines Mitbewerbers ist nämlich dann zu bejahen, wenn die Handlung geeignet ist, die Wertschätzung des betroffenen Mitbewerbers in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise zu verringern. Und nun stelle man sich vor, den Mitarbeiter MA der Agentur A erreicht eine elektronische Nachricht vom Familienunternehmen F mit folgendem Inhalt: „Sehr geehrter Herr MA, möchten Sie weiterhin Dinge hören wie ‚Um 18.00 Uhr schon Feierabend? Haben Sie denn einen halben Tag Urlaub eingereicht?!‘ oder ‚Kommen Sie, zur Hochzeit Ihrer Schwester können Sie doch immer noch, der Pitch ist jetzt echt wichtiger…!‘ oder ‚Bitte ändern Sie den Plot noch mal – ich muss in 30 Minuten beim Kunden präsentieren‘. Nein? Rufen Sie mich an! In unserem Familienunternehmen F wissen wir nämlich Ihr Marketing-Know-How und Sie als Person zu schätzen. Ihr Personaler des Unternehmens F.“

Was entnimmt der angesprochene Verkehrskreis (also der angesprochene Kandidat) diesen Sätzen in Bezug auf die Agentur A? Wohl kaum etwas anderes als dass es sich um einen „Saftladen“ handeln muss, dem die Befindlich- und Persönlichkeit der Mitarbeiter komplett egal ist, solange sie nur arbeiten und die Rendite am Ende des Tages stimmt. Es wird also ein abträgliches Werturteil hinsichtlich der Agentur gefällt. Und aufgrund dieses Gesamtkontextes und Eindrucks wäre es damit auch gleichgültig, ob derartige Sätze vielleicht tatsächlich mal in der Agentur gefallen sind. Ergo ist diese Nachricht dazu geeignet, die Wertschätzung des Mitarbeiters MA für seinen Arbeitgeber die Agentur A zu verringern. Und demnach liegt eine unlautere Handlung in Form der Herabsetzung des Mitbewerbers (des bisherigen Arbeitgebers) vor. b. Rekrutierung = Das gezielte Behindern von Mitbewerbern?!? Nach dem oben Gesagten, wonach das Abwerben von Mitarbeitern erlaubt ist, kann eine Rekrutierung wohl kaum eine unlautere Handlung im Sinne der Behinderung des Mitbewerbers sein? Doch es kann. In einem Fall wie dem hier konstruierten. Denn eine Abwerbung ist wettbewerbsrechtlich eben nicht nicht mehr zulässig, wenn unlautere Begleitumstände wie etwa die herabsetzende Äußerungen über den bisherigen Arbeitgeber  hinzukommen. Und das wiederum gilt dann als gezielte Behinderung des Mitbewerbers.

2. Mitbewerber – Wo ist denn das Wettbewerbsverhältnis?
Im Wettbewerbsrecht wird ein Wettbewerbsverhältnis benötigt, um als Unternehmen gegen den sich unlauter verhaltenen Mitbewerber vorgehen zu können. Das soll die Möglichkeit des „Behakens“ von Unternehmen untereinander begrenzen. Dabei ist klar, dass ein Wettbewerbsverhältnis zwischen zwei Shampoo-Produzenten besteht, die um die gleiche Käuferschaft und damit dem Absatz von Produkten buhlen. Doch besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Hersteller von Dosensuppen und einem Maschinenbauer für Tunnelbohrköpfe, die beide einen Marketing-Direktor suchen? Die schlichte Antwort lautet: Ja. Denn ein Wettbewerbsverhältnis besteht auch dann, wenn die beteiligten Unternehmen nicht im Absatz von Produkten, sondern in der Nachfrage nach Dienstleistungen, einschließlich derer von Arbeitskräften, konkurrieren (vgl. Köhler/Bornkamm § 4, Rn. 10.104). Und das heißt, es besteht quasi immer ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen in Bezug auf die Abwerbesituation, gleich wie „weit weg“ sie hinsichtlich ihrer Produkte oder Dienstleistungen sein mögen.

3. Kandidatenansprache – Eine geschäftliche Handlung?
Last but not least bedarf es immer einer geschäftlichen Handlung, damit ein Unternehmen gegen den Mitbewerber wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend machen kann. Und ganz klar: Die Kandidatenansprache ist in der Regel als geschäftliche Handlung zu verstehen, schließlich handelt es sich hierbei um ein Verhalten zu Gunsten des eigenen (oder im Falle von Headhuntern eines fremden) Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen oder dem Bezug von Dienstleistungen oder dem Abschluss von Verträgen über Dienstleistungen objektiv zusammenhängt (vgl. § 2 Nr. 1 UWG).

4. Unterlassung und Schadensersatz
All das zuvor Gesagte würde kaum jemandem irgendetwas nützen, wenn man nicht auf die Einhaltung der Fairplay-Regeln pochen könnte. In unserem fiktiven Fall könnte die Agentur A vom Familienunternehmen F Unterlassung nach § 8 UWG verlangen und ggf. Schadensersatz nach § 9 UWG geltend machen. Zunächst mittels einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung, dies fordert schließlich § 12 Abs. 1 UWG. Ob überhaupt und wenn ja in welcher Höhe hier neben dem Anspruch auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Schadensersatz geltend gemacht werden kann, steht allerdings in den Sternen. Um ehrlich zu sein, die Aussichten sind ziemlich trübe. Schließlich kann kaum bemessen werden, wie hoch in solch einem Fall der mögliche Schaden wäre. Das musste auch ein großer Baukonzern unter Schmerzen erfahren, dem um die 50 Mitarbeiter abgeworben wurden. Die Schadensersatzklage in Millionenhöhe wurde letztlich vom Bundesarbeitsgericht abgewiesen. In den Urteilsgründen hieß es zwar, dass die Abwerbung wohl unlauter von statten ging, der Vortrag der Klägerin jedoch keine ausreichende Grundlage für eine Schätzung des durch unlauteres geschäftliches Verhalten der Beklagten entstandenen Schadens biete. Wer mag, kann das Urteil des BAG mit dem Az. 10 AZR 370/10 gerne ganz nachlesen (FYI: das Ganze landete beim BAG, weil es ursprünglich um die mögliche Verletzung von Beraterpflichten bzw. von vertraglichen Treuepflichten ging).

II. So what?! – I don‘t care!

Nach den hier gemachten Ausführungen mag das der Leser denken. Sicher, von einem derartigen unlauteren Abwerbeversuch muss der Arbeitgeber des angesprochenen Kandidaten erst einmal erfahren. Dass das jedoch kein aus der Luft gegriffener Fall ist, zeigt das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 23. Mai 2013, Az. 1 S 58/11. Ebenso wie in dem oben angeführten fiktiven Fall, versuchte ein Mitarbeiter eines Personaldienstleistungsunternehmen Mitarbeiter der Konkurrenz abzuwerben und übersendete zu diesem Zweck eine XING-Nachricht, welche unter anderem folgende Formulierungen enthielt: „Sie wissen ja hoffentlich, was Sie sich da angetan haben? Und Sie wissen ja hoffentlich, in was für einem Unternehmen Sie gelandet sind?“

Das Gericht befand „Eine solche negative Darstellung des Unternehmens der Klägerin und ihrer Qualitäten als Arbeitgeber ohne jegliche sachliche Begründung greift unverhältnismäßig in die berechtigten Interessen der Klägerin auf angemessene Darstellung in der Öffentlichkeit ein.“ und damit, dass ein Verstoß gegen § 4 Nr. 7 UWG ebenso vorlag wie gegen § 4 Nr. 10 UWG. Das abwerbende Unternehmen wurde zur Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Das Unterlassungsbegehren war nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens, jedoch sah das LG Heidelberg den Unterlassungsanspruch ausweisliche der Urteilsbegründung ebenfalls als klar gegeben an. Die Frage, die sich damit stellt, ist, ob man sich als Unternehmen gegebenenfalls einem solchen Verfahren und dem damit verbundenen Ärger aussetzt oder vielleicht doch lieber einmal vorher prüft, welche Vorgehensweise dem Fairplay des UWG entspricht….

In diesem Sinne, auch beim Rekrutieren immer ans Fairplay denken! tl;dr: Active Sourcing und die Ansprache von Kandidaten in Arbeitsverhältnissen haben  auch immer eine wettbewerbsrechtliche Komponente – und über die sollte dann doch einmal kurz nachgedacht werden.

PS: Spannend ist an dem Urteil des LG Heidelberg auch, dass es als eine der ersten Entscheidungen in Deutschland mit der Frage der Einordung eines Social Media Profils, hier auf XING, befasst. Der abwerbende Unternehmen hatte nämlich behauptet, es habe sich um eine rein private Nachricht und nicht um eine geschäftliche Handlung gehandelt. Dem ist das Gericht – zu recht – nicht gefolgt. Ausführliche Erläuterungen zum Urteil des LG Heidelberg gibt es übrigens beim geschätzten Kollegen Carsten Ulbricht zu lesen. Und der ebenfalls geschätzte Kollege Thomas Schwenke hat auf t3n einen ebenfalls sehr lesenswerten Artikel zum Active Sourcing mit hübschen Beispielen veröffentlicht.

„Zwischen Abmahnung und Leistungsschutzrecht – Kreativ-Blocker Recht im Social Web?“ – Thema des SouperTuesday im betahaus Hamburg am 26.02.2013

Ich weiß, ich weiß, ich habe mir – gelinde gesagt – eine schlechte Zeit für meine Grippe ausgesucht: Während ihr die Qual der Wahl zwischen den ichweißnichtwievielen  Veranstaltung der Social Media Week Hamburg hattet und/oder Euch der augenscheinlich wiedereinmal grandiosen Atmosphäre des HR BarCamps in Berlin hingegeben habt, konnte ich das ganze – leider – nur alles aus der Ferne via Twitter (#smwhh, #hrbc13) verfolgen.

Dabei hoffe ich, dass ihr nun nicht den absoluten Informations-Overload habt, denn nächsten Dienstag, folgt sogleich eine weitere spannende Veranstaltung und zwar der

SouperTuesday im Betahaus Hamburg (sponsered by Oseon)

Beim SouperTuesday gibt es zum einen stets frisches Wissen und zum anderen – wie sollte es anders sein – SUPPE. Jawoll. Denn mit was Warmem im Bauch, denkt es sich ja bekanntermaßen etwas besser.

Neben der Suppe wird diesmal das Thema Zwischen Abmahnung und Leistungsschutzrecht – Kreativitätsblocker Recht im Social Web? serviert!

Nina Galla von fair-sprechen und ich diskutieren zum Thema und hoffen auf jede Menge Einwürfe und Fragen aus dem Betahaus Hamburg Publikum! (Hier gibt es übrigens einen Vorgeschmack auf Nina Galles Argumente und hier meine Replik.)

Also, wer nicht ohnehin im Betahaus am Dienstag, den 26.02.2013 am Schaffen ist, der trage sich doch dieses Mittagsdate ein und komme vorbei!

Um Anmeldung wird gebeten unter

In diesem Sinne,

wir sehen uns dort, ich freu mich auf viele Fragen!

SIE ist da. Die Abmahnung bei Facebook.

So schreibt es jedenfalls der Kollege Weiß auf RatgeberRecht.eu. Demnach liegt der Kanzlei dort eine urheberrechtliche Abmahnung vor, mit der ein Facebook-Nutzer auf Unterlassung und zur Zahlung von Schadensersatz (inkl. Erstattung der Rechtsanwaltskosten des Rechteinhabers) aufgefordert wird.

Warum?

Weil dieser Facebook-Nutzer als Betreiber einer Facebook-Seite einen Link auf der Pinnwand teilte. Dabei wurde von Facebook das entsprechende Bild der verlinkten Webseite natürlich auch in dieses Posting eingefügt. So wie im folgenden Beispiel ein Link zu unseren neuen Kanzlei-Homepage geteilt wurde und dabei das Homepage-Bild von Stephan und meiner Wenigkeit zusehen ist:

Teilen-Beispiel

Die Urheberin des Bildes sah dies im oben genannten Fall  jedoch nicht gern und übersendete entsprechend eine Abmahnung durch ihre Rechtsanwälte. Es wird dabei insgesamt ein Betrag von knapp 1.750,00 EUR gefordert. Einzelheiten dazu können beim Kollegen Weiß direkt nachgelesen werden.

Dazu gibt es jetzt eine „schlechte“, eine „gute“ und eine pragmatische Nachricht.

Die „gute“ Nachricht

Unter Umständen ist der Betrag insgesamt zu hoch angesetzt. Zum einen wird nämlich die fiktive Lizenzgebühr nach Aussage vom Kollegen Weiß auf 600,00 EUR beziffert, was unter Zugrundelegung eines sog. Verletzerzuschlags satte 1.200,00 EUR macht. 600,00 EUR könnten eine Menge – sprich ein Zuviel – an fiktiver Lizenzgebühr sein.  Schlussendlich kenne ich das Bild jedoch nicht, so dass ich dazu nichts Fundiertes sagen. Der Kollege Weiß, der das Bild vorliegen hat, hält die Forderung für zu hoch. Zum anderen wird ein Gegenstandswert von 6.000,00 EUR angenommen, was Anwaltskosten iHv. 546,69 EUR nach sich zieht. Auch das ist relativ hoch. Aber eben nur relativ. Die Streitwerte bei einer Fotografien rangieren so zwischen 300,00 EUR und 8.000,00 EUR.  Will sagen, nichts genaues weiß man nicht, wenn  man den genauen Fall nicht kennt. Deswegen ist das auch nur eine „gute“ Nachricht in Anführungsstrichen.

Die „schlechte“ Nachricht

Nun ja. Eine Urheberrechtsverletzung, für die sich der Facebook-Nutzer verantworten muss, liegt vor. Schließlich hat er das urheberrechtlich geschützte Werk in unzulässiger Weise, sprich ohne Einwilligung des Urhebers, öffentlich zugänglich gemacht (aka „als Kopie ins Internet gestellt“). Gleichgültig ist dabei, dass Facebook die Vorschau erstellt. Denn schließlich könnte man dieses kleine Häkchen „Kein Miniaturbild“ anklicken:

Teilen-Häkchen

Folglich ist Facebook nur das Mittel, dass vom Nutzer für diese Art der „Kopie“ genutzt wird. Der Nutzer könnte ja entweder eine Einwilligung des Urhebers einholen oder aber den Link einfach ohne das potentiell gefährdende Bild teilen. (Und wer jetzt gleich „ach“ und „weh“ und das „böse Urheberrecht“ schreien möchte, der möge doch mal erst diesen Artikel vielleicht lesen).

Die pragmatische Nachricht

zum Schluss lautet jedoch: Dem Rat des Kollegen Weiß, nur noch Links ohne Miniatur-Bilder zu teilen, vermag ich nicht zu folgen. Sicher, das ist rechtssicher. Aber, wie sieht das denn aus? Oder anders ausgedrückt: Wie war das nochmal mit der AIDA? Nein, nicht Schiffahren. Ich meine mit dieser Attention (!). Genau. Die braucht man. Jedenfalls im marketing-technischen Sinne. Und Bilder helfen nun mal einfach, dass der Link auch wahrgenommen und im besten Falle gar geklickt wird. Deswegen bin ich dem Grunde nach  mit dem Kollegen Schwenke konform, der schlicht sagt: „Die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen das Risiko“ .

Allerdings sollte man schon das eine oder andere Auge offen halten und die wirtschaftlichen Vorteile nicht mit einem Freibrief verwechseln. (Also, legen Sie vielleicht ein paar Euro zurück für den Fall, dass Sie nur ein halbes Auge offen hatten…und den neuesten auferstandenen Newton geteilt haben.)

In diesem Sinne,

weiter viel Freude mit Facebook & Co.

’nd

Nachtrag zum Praxisfall Zitatrecht

Wie im letzten Artikel Aus aktuellem Anlass: Der Praxisfall zum Urheberrecht „Das Zitat“ angekündigt, habe ich einen Gastartikel für den HRmarketingblog  der W&V schreiben dürfen. Dieser ist nun veröffentlicht. Während es in meinem letzten Artikel hier auf dem Blog um die Frage ging, warum die konkrete Form des vorgenommenen Zitats nicht ganz richtig war, findet sich auf dem HRmarketingblog mit dem Artikel

Ein Zitat muss her! Oder lieber doch nicht?

nun ein kurzer Wegweiser durch das Zitatrecht zum „richtigen“ Zitat. Einfach die Checkliste zusammen mit dem gesunden Menschenverstand durchgehen und schon sollte nichts schiefgehen … es sei denn, ach, lest selbst am Ende des Gast-Artikels im HRmarketingblog. 😉

In diesem Sinne,

auf viele schöne weitere Texte.

Aus aktuellem Anlass: Der Praxisfall zum Urheberrecht „Das Zitat“

Ich bitte darum, unbedingt auch das Update am Ende des Artikels zur Kenntnis zu nehmen! :-).

Letzte Woche teilte mir mein geschätzter Ehemann mit „Du bist in der W&V, also im HR-Marketing Blog zu Social Media Guidelines“. Wie schön! Aber huch? Warum denn? Ein Interview habe ich nicht geführt?! Also, gesucht und den Artikel „Guidelines lösen nicht alle Probleme“ von Raoul Fischer gefunden. Gleich im ersten Absatz ist mein Name fett gedruckt und ein direkter Link zu meinem Essay „Die Tücken der neuen Medien“ bzw. „Social Media Guidelines – Wie sollten Unternehmensregeln gestaltet sein„, welcher erstmalig im Human Resources Manager, Ausgabe 03/12 erschien, gesetzt. Yeah! Wie schön. Es ist nicht zu verhehlen, dass derartige Erwähnungen das Herz erwärmen. Doch zur Freude gesellte sich beim Lesen  zunehmendes Stirnrunzeln. Denn ein Drittel des Blogbeitrags besteht aus der originären Übernahme meines Textes, zum Großteil als „Zitat“ gekennzeichnet. Ein weiterer nicht unerheblicher Teil besteht letztendlich ebenfalls aus dem Destillat meines Texts, der mehr oder weniger stark abgeändert wurde.

„Ja? Und? Warum erzählt sie uns das jetzt?“ fragt sich nun der eine oder andere. Ich berichte davon, da anscheinend selbst ein Journalist den Umfang des Zitatrechts verkennt. Ein solcher „Irrtum“ kann jedoch sowohl ärgerlich als auch teuer werden. Deswegen einfach für alle hier nochmal ein paar Anmerkungen dazu:

Das Zitatrecht

Im Gesetz heißt es dazu wörtlich in § 51 UrhG:

Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats , sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
(…)
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
(…).

Bedeutet das also, dass die Übernahme fremder Texte in Ordnung ist, wenn und soweit nur der Autor des ursprünglichen Textes irgendwo genannt und auf die Quelle verwiesen wird? Nun, man kann es sich – spätestens seit dem Guttenberg-Gate – denken, das bedeutet es nicht. Denn „Zum Wesen des Zitats gehört zunächst, dass es nicht ununterscheidbar in das zitierende Werk integriert, sondern als fremde Zutat ersichtlich gemacht wird.“ (Schricker – UrhG, 4. Auflage 2010, Schricker/Spindler, § 51, Rn. 15, mwN). Das mag hier noch – zumindest in Teilen – gelungen sein.

Doch „Zitate dürfen aber nicht ein derartiges Ausmaß erreichen, dass die nicht mehr lediglich eine in dem zitierenden Werk vertretene Ansicht stützen, sondern dieses Werk über weite Strecken selbstständig tragen.“ (BGH, GRUR 1982, 37 [40] – WK-Dokumentation). Bei einer Textübernahme von gut einem  einem Drittel und weiteren Entlehnungen kann kaum noch die Rede davon sein, dass mit dem Zitat bloß eine „Ansicht gestützt“ wird.

Schließlich muss sich das Zitat eben in ein selbstständiges Sprachwerk integrieren. Unzulässig ist das Zitat nämlich dann, wenn das zitierende Werk (hier: der Blogbeitrag im HR Marketing Blog) sich letztlich als eine Bearbeitung oder sonstige Umgestaltung des zitierten Werkes (hier: meines Essays) darstellt. (Schricker – UrhG, 4. Auflage 2010, Schricker/Spindler, § 51, Rn. 21, mwN) Darüber kann man vorliegend vielleicht streiten, fernliegend ist es aber nicht.

Wie der geneigte Leser also an diesen kurzen Ausführungen schon zu erkennen vermag, ist das „Zitat“ oben nicht ohne Grund in Anführungsstriche gesetzt worden:  Vom Zitatrecht nach § 51 UrhG ist die Übernahme meines bzw. die umfangreiche Entlehnung aus meinem Text nicht gedeckt.

Die Folgen

In diesem Fall hat das Abschreiben diesen Blogtext zum Thema Urheberrecht zur Folge. Denn nach wie vor freue ich mich  über die Erwähnung und – auch wenn es rechtlich irrelevant wäre – halte dem Autor vor allem zu Gute, dass er in bester Absicht handelte. Es liegt allerdings eine Verletzung des Urheberrechts vor, so dass ich nach § 97 UrhG auch Unterlassung und Schadensersatz in Form einer kostenpflichtigen Abmahnung hätte verlangen können.

Doch selbst wenn der Autor bewusst angenommen und sich darauf verlassen hätte, ich würde von einer kostenpflichtigen Abmahnung eben aus den vorgenannten Gründen in jedem Fall absehen, so hat er eine weitere mögliche Dimension des Falles wohl nicht beachtet: Schließlich ist der Artikel zunächst in der Printausgabe des Human Resources Manager erschienen. Nun hätte es durchaus sein können, dass die Nutzungsrechte an dem Text exklusiv an den HRM übertragen worden wären, mit der Ausnahme, dass ich den Text als pdf mit zeitlichem Abstand noch einmal auf meinem Blog veröffentlichen dürfte. In diesem Fall hätte der HRM zu Recht äußerst verärgert über das Plagieren „seines“ Essays sein und mit einer kostenpflichtigen Abmahnung reagieren können. Auf mein mögliches und vermutetes Einverständnis wäre es dann gar nicht mehr angekommen. (Das ist nicht ohne Grund im Konjunktiv irrealis geschrieben, es gibt vorliegend keine Exklusiv-Vereinbarung).

Also, lieber Raoul Fischer, vielen Dank noch einmal für die positive Erwähnung! (Und für das „Futter“ für diesen Blog…;-)). Doch aus genannten Gründen das nächste Mal vielleicht besser vorher einmal anrufen und fragen…. Ansonsten sehen wir uns beim CYQUEST Praxisseminar am 19. September 2012 in Hamburg – da gebe ich dann auch gerne ein Interview 😉 .

Mehr zum Thema Texten & Urheberrecht

Im Beitrag „Rechtliche Hinweise zum Bloggen II: #guttenbergen und was sonst beim Texten zu vermeiden ist“ habe ich ein wenig ausführlicher dargelegt, welche rechtlichen Klippen beim Texten zu umschiffen sind.

Ausführlich hatte sich Anfang des Jahres auch das LG München I (Az. 7 O 1533/12) mit § 51 und dem Zitatrecht befasst. Lesenswert.

Und in den Artikeln „Was soll eigentlich dieses Urheberrecht? Teil 1 – Mit dabei SOPA, PIPA, Verhaftungen, Nutzer und Verletzte“ und „Was soll eigentlich dieses Urheberrecht? Teil 2 – Mit dabei: ACTA, Pinterest, Abmahnungen“ erläutere ich einmal grundlegend, was es denn nun mit dem deutschen Urheberrecht so auf sich hat.

In diesem Sinne,

auf den nächsten Text!

Update: Nach dem Erscheinen dieses Blogposts rief mich Raoul Fischer an und wir führten ein tolles Telefonat. Ergebnis: In Kürze wird es im HR-MarketingBlog einen Gastartikel meinerseits zum Zitatrecht geben und des Weiteren wird beim CYQUEST Praxisseminar definitiv noch ein Glas Wein zusammen geleert. Ich freu mich darauf!!

Und weil es im Text vielleicht nicht deutlich genug wurde: Dass Journalisten auf andere Texte und insbesondere Fachartikel angewiesen sind, um neue Texte zu kreiieren ist ebenso klar, wie das Zitieren gängige Praxis ist. Die Grenze des Zitatrechts ist allerdings wahrlich nicht immer leicht zu erkennen. Und so ging es vorliegend nicht darum, einem Journalisten, der auch noch wohlwollend berichtete, aus Prinzip „auf die Finger zu hauen“, sondern vielmehr mit diesem Beispiel für das Zitatrecht und dessen Grenzen zu sensibilisieren. Mehr Wissen für alle also. 🙂