Kündigung wegen Äußerungen in Social Media – Gleiches Spiel, anderes Ergebnis: Das Urteil des Arbeitsgericht Herne (Az. 5 Ca 2806/15)

Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir anhand eines Urteils des Arbeitgerichts Mannheim, (Az. 6 Ca 190/15) hier im Blog den Fall eines Arbeitnehmers besprochen, dem auf Grund der Verbreitung menschenverachtender Äußerungen auf Facebook außerordentlich gekündigt wurde. In Mannheim entschied das Gericht, dass die Kündigung unwirksam war.

Soweit so gut. Der Vollständigkeit halber müssen wir uns aber auch mit einem ähnlichen Fall des Arbeitsgerichts Herne (Az. 5 Ca 2806/15) beschäftigen, in dem es um die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen der Verbreitung volksverhetzender Äußerungen auf Facebook geht. Soweit so ähnlich? Ja. Aber in diesem Fall wurde – nun auch rechtskräftig – entschieden, dass die Kündigung rechtmäßig und damit wirksam ist.

Wie kommt es nun, dass die Gerichte zwei inhaltlich auf den ersten Blick vergleichbare Fälle unterschiedlich bewerten?

Was war passiert?

Bevor diese Frage geklärt werden kann, schauen wir zunächst, was sich in dem vom Arbeitsgericht Herne entschiedenen Fall überhaupt zugetragen hat. Es geht um einen seit 32 Jahren beanstandungsfrei angestellten Bergmechaniker unter Tage, der einen Beitrag über den Brand in einer Thüringer Asylunterkunft auf der Facebook-Seite des TV-Senders „ntv“ über seinen privaten Account mit den Worten kommentierte: „hoffe das alle verbrennen, ,,die nicht gemeldet sind“. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, veröffentlichte er im Verlauf der Kommentierung noch weitere verstörende Äußerungen, auf die ein User letztlich mit den Worten „E U, du bist ja mal der Oberknaller. Scheint so als wenn du mit „brauner“ Kohle zu tun hadt. Screenshots sind doch was feines“ reagierte.

Wird auf einer Facebook-Seite kommentiert erscheinen bekanntermaßen neben jedem Kommentar sowohl das Profilbild als auch der Profilname. Auf der Profilseite des Bergmechanikers wurde an oberster Stelle die Arbeitgeberin benannt. Nicht allein auf Grund ihres sozialen Engagements für Flüchtlinge wollte die Arbeitgeberin jedoch mit derartigen Äußerungen nicht in Verbindung gebracht werden. Sie kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Dagegen wehrte sich der Bergmechaniker erfolglos vor Gericht. Das Arbeitsgericht Herne hielt die Kündigung wie gesagt für wirksam.

Wir rufen uns noch einmal in Erinnerung: Im Fall des Arbeitsgerichts Mannheim ging es um das Teilen eines Bildes, das das Eingangstor und dessen Überschrift „Arbeit macht frei“ des Konzentrationslagers Auschwitz zeigte und mit den Worten „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“ ergänzt wurde. Hier war die Kündigung aber im Ergebnis unwirksam.

Zwei so (vermeintlich) ähnliche Fälle, zwei so unterschiedlich Urteile?

Ist der Rechtsstaat am Ende? 

Nein, nein, ich kann Sie beruhigen. Die beiden Urteile zeigen nicht, dass unser Rechtsstaat am Ende ist. Vielmehr zeigen diese auf, wie vielschichtig Betrachtungen im Arbeitsrecht vorzunehmen sind und wie sehr es auf den Einzelfall ankommt. Das lässt sich leider nicht ganz verstehen, wenn man sich nicht ein wenig mit ein paar Grundlagen beschäftigt. Darum gehen wir doch auf diese Grundlagen noch einmal kurz ein.

Unter welchen Voraussetzungen kann überhaupt gekündigt werden?

Unter welchen Voraussetzungen bei Äußerungen in Social Media überhaupt (außer-)ordentlich gekündigt werden kann, das haben wir in unserem Beitrag zum Urteil des Arbeitsgerichts Mannheims bereits ausführlich beschrieben.

Für diejenigen, die sich jedoch nicht noch einmal komplett dort durchwühlen möchten, hier einmal die tl,dr (too long, didn’t read) Zusammenfassung:

Wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet (also bei mehr als 10 Mitarbeitern), dann benötigt der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund. Ein solcher Kündigungsgrund kann bei der verhaltensbedingten Kündigung in einer Pflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers liegen.  Eine solche Pflichtverletzung kann damit auch im Äußerungsverhalten des Mitarbeiters liegen. Und zwar zunächst einmal ganz gleich, ob sich dieser im Büro, der Werkshalle, der Kantine oder in diesem Internet äußert.

Einer ordentlichen Kündigung muss in der Regel eine Abmahnung (die tiefgelbe Karte des Arbeitsrechts) vorausgehen, die dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten aufzeigt und entsprechende Konsequenzen im Wiederholungsfall beschreibt (sogenannte Rüge- und Warnfunktion).

Bei einer außerordentlichen Kündigung ist eine Abmahnung regelmäßig entbehrlich. Hier muss die Pflichtverletzung jedoch erheblich sein (sogenannter „wichtiger Grund„). Es müssen Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. 

Den wichtigen Grund haben beide Gerichte in in den vorliegenden Fällen jeweils bejaht.

Ein Kündigungsgrund reicht jedoch nicht, um einen Mitarbeiter (außer-) ordentlich zu kündigen. Immer kommt es noch zu der sogenannten Interessensabwägung, in der zu prüfen ist, ob dem Arbeitgeber eben nicht doch ein Festhalten am Arbeitsvertrag und die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers in seinem Betrieb  zugemutet werden kann. Und genau hier sind dann die verschiedenen Faktoren des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei spielen dann insbesondere das Alter des Arbeitnehmers, seine Unterhaltspflichten, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, sein bisheriges Verhalten im Betrieb sowie auch das „Nachtatverhalten“ , also die Frage, ob sich der Arbeitnehmer etwa umgehend für seine Pflichtverletzung entschuldigt hat, eine Rolle. (Vgl. § 1 Abs. 3 KSchG, dessen Kriterien im Rahmen der Interessensabwägung auch bei verhaltensbedingten Kündigungen eine Rolle spielen).

An dieser Stelle kann sich nun wahrscheinlich der geneigte Leser auch schon vorstellen, wie es in – zunächst – sehr vergleichbaren Fällen doch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.

Doch wenden wir uns jetzt noch einmal konkret dem Problem der Äußerung im Arbeitsverhältnis zu. Auch dieses haben wir bereits ausführlich im Beitrag zum Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim  beschrieben, aber zur Auffrischung hier noch einmal:

Äußerungen im und neben dem Arbeitsverhältnis – Wann können diese zum Kündigungsgrund werden?

Äußert sich ein Arbeitnehmer, übt er zunächst einmal sein Recht auf Meinungsfreiheit aus. In Art. 5 des Grundgesetzes  ist diese statuiert und für „jedermann“. Das ist wörtlich zu nehmen. Folglich gibt auch der Arbeitnehmer das Recht auf Meinungsfreiheit an der Bürotür, dem Werks- oder – wie hier – am Stollentor nicht  ab. Die Meinungsfreiheit gilt also auch in Arbeitsverhältnissen, gleich ob während oder außerhalb der Arbeitszeit. Grundsätzlich kann jede/r seine/ihre Meinung immer und überall zum Besten geben.

Nun ist die Meinungsfreiheit aber eben doch nicht grenzenlos. Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen – wie der Name schon sagt – Meinungen. Was Meinungen aber genau sind, das sagt das Gesetz nicht. Hier hilft das Bundesverfassungsgericht weiter, wonach Meinungsäußerungen […] durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnete Äußerungen sind. Die Aussage „Ich finde Hamburg schön“ ist Ausdruck des persönlichen Empfindens und damit eine – unabhängig davon, ob dem zugestimmt wird oder nicht – geschützte Meinungsäußerung. Daneben werden aber auch Tatsachenbehauptungen geschützt, wenn diese wahr sind (z.B.: „Hamburg hat mehr Brücken als Venedig“). Sie unterscheiden sich von den Meinungsäußerungen dadurch, dass sie bewiesen werden können. Nicht geschützt sind dagegen Lügen (unwahre Tatsachenbehauptungen), Beleidigungen oder sonstige Schlecht- und Verächtlichmachungen (Schmähkritik) oder Herabwürdigungen. Derartiges sind keine unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallenden Äußerungen, so dass sich der Arbeitnehmer in diesen Fällen auch nicht auf die Meinungsfreiheit berufen kann. Das kann er nur dann, wenn die Äußerung als Meinungsäußerung oder wahre Tatsachenbehauptung ihrem Schutz unterfällt.

Ob eine Äußerung im Arbeitsverhältnis dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfällt, ist noch unter weiteren Aspekten zu Betrachten. Denn wenngleich der Arbeitnehmer seine Meinung  auch am Arbeitsplatz grundsätzlich frei äußern darf, hat er sich dabei an gewisse „Spielregeln“ zu halten. Ergeben sich diese Regeln nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung (wie z.B. dem Arbeitsvertrag, Social Media Guidelines oder einem Code of Conduct), ist in diesem Zusammenhang unbedingt ein Blick in § 241 Abs. 2 BGB zu werfen. Dort heißt es, dass die Parteien eines Schuldverhältnisses jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten können. Das gilt wechselseitig – also sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber – auch im Arbeitsverhältnis. Im Falle einer Meinungsäußerung durch den Arbeitnehmer bedeutet das nun, dass er bei einer Meinungskundgabe auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen hat. Das gilt unabhängig davon, ob die Äußerung am Arbeitsplatz oder vom heimischen Rechner aus im Internet erfolgt. Es bestehen insofern Treue- und Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber. Werden diese nicht erfüllt, verletzt der Arbeitnehmer eine (Neben-) Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis.

Wann stellt eine Äußerung eine derartige Pflichtverletzung dar?

Eine Pflichtverletzung liegt beispielsweise immer dann vor, wenn sich eine Äußerung für den Arbeitgeber ruf- oder geschäftsschädigend auswirkt. Das gilt unabhängig davon, ob die Äußerung unter den Schutz der Meinungsfreiheit fällt oder nicht. Deshalb kann die Vorab-Veröffentlichung eines Release-Datums (wahre Tatsachenbehauptung) ebenso schädigend sein wie Kritik am Arbeitgeber (zu den Grenzen bei kritischen Äußerungen durch Arbeitnehmer finden Sie hier mehr). Dagegen ist auch nicht jede Beleidigung oder Lüge automatisch eine Pflichtverletzung. Erforderlich ist nämlich, dass durch sie ein Bezug zum Arbeitgeber derart hergestellt wird, dass dieser mit der Äußerung in Verbindung gebracht wird. Das kann beispielsweise durch eine ausdrückliche Nennung des Arbeitgebers im Facebook-Profil oder durch die Veröffentlichung von Bildern in Arbeitskleidung, aus denen der Arbeitgeber hervorgeht, geschehen (sogenannter Arbeitgeberbezug). Besteht ein derartiger Bezug, dann können auch „privat“ in sozialen Medien getätigte rassistische, menschenverachtende oder volksverhetzende Äußerungen  eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen.

Anders wäre dies nur dann zu bewerten, wenn eine Äußerung in einem vertraulichen Umfeld  – also beispielsweise beim Feierabend-Bier mit einem Freund und Arbeitskollegen – getätigt wurden. Denn dann muss der Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber von der Aussage Kenntnis erlangt. Ob und wann Äußerungen in sozialen Medien „vertraulich“ sein können, können Sie hier im Abschnitt „Äußerungen im vertraulichen Umfeld“ nachlesen.

In vorliegenden Fall spielte das aber keine Rolle, da die getätigten Kommentare des Arbeitnehmers öffentlich einzusehen waren und auch der Arbeitgeberbezug durch die Nennung des Arbeitgebers klar vorhanden war.

Pflichtverletzung, Kündigungsgrund – soweit herrscht Übereinstimmung

Lange Rede, kurzer Sinn: Sowohl das ArbG Herne als auch das ArbG Mannheim sahen in in den Äußerungen schwerwiegende Verletzungen der arbeitsvertraglichen Treue- und Loyalitätspflichten nach § 241 Abs. 2 BGB. Beide Gerichte erkannten also auch den „wichtigen Grund“ für eine außerordentliche Kündigung. Dass dennoch unterschiedliche Bewertungen im Ergebnis vorliegen, liegt an der oben schon  erwähnten Interessensabwägung.

Die Interessensabwägung – Die Einzelfallbetrachtung der Arbeitsgerichte Mannheim und Herne

Wie oben bereits gesagt, finden gerade in der Interessensabwägung die jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls Berücksichtigung. Und das ist auch gut so. Denn für den Arbeitnehmer geht es um eine wichtige Angelegenheit: Seinen Arbeitsplatz. Und der der soll ihm eben nicht leichtfertig durch den – in der Regel überlegenen – Arbeitgeber entzogen werden können. (Nun ja, grundsätzlich ist das gut so. So mancher Arbeitgeber verflucht aber nicht ganz zu Unrecht den extrem starken Arbeitnehmerschutz in Deutschland und würde sich wünschen, dass seine Interessen und Belange auch ein wenig mehr Berücksichtigung finden würden… aber das ist wohl ein anderes Thema für einen Beitrag an anderer Stelle. 😉 ). Mit Einzelfall ist, wie aufgezeigt, hier das konkrete Arbeitsverhältnis und die konkrete Situation des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers in diesem gemeint. Um es noch einmal schnell in Erinnerung zu rufen: Ob dem Arbeitgeber das Festhalten am Arbeitsvertrag (gegebenfalls jedenfalls bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist) zuzumuten ist, bemisst sich insbesondere am Alter des Arbeitnehmers, seinen Unterhaltspflichten, der Dauer der Betriebszugehörigkeit, seinem bisheriges Verhalten im Betrieb sowie auch dem „Nachtatverhalten“, also die Frage, ob sich der Arbeitnehmer etwa umgehend für seine Pflichtverletzung entschuldigt hat

Nach dieser Interessensabwägung kam das Arbeitsgericht Mannheim in seinem Fall zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche, fristlose Kündigung zu „hart“ gewesen wäre. Und zwar aufgrund des bisherigen Wohlverhaltens des Arbeitnehmers, der Betriebszugehörigkeit und insbesondere des Nachtatverhaltens. Denn hier hatte der Arbeitnehmer das Posting umgehend gelöscht und sich bei der Arbeitgeberin für das Verhalten entschuldigt. Dem gegenüber sah das Gericht die Reputationsschädigung eben nicht als erheblich genug an, als dass vor diesem Hintergrund die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre. Eine ordentliche Kündigung scheiterte so dann am Fehlen einer vorherigen Abmahnung. Insgesamt war(en) die streitgegenständlichen Kündigung(en) unwirksam.

Das Arbeitsgericht Herne kam dagegen zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung wirksam war. Zwar lag hier sogar eine sehr lange Betriebszugehörigkeit von 32 Jahren zu Grunde und auch löschte der Arbeitnehmer die streitgegenständlichen Äußerungen relativ schnell. Das half nach Ansicht des Arbeitsgerichts Herne jedoch in der Interessensabwägung aufgrund der schwere der Pflichtverletzung nicht, es führte aus:

Dem gegenüber war jedoch die besondere Schwere der Pflichtverletzung des Klägers zu dessen Lasten zu berücksichtigen. Ferner war zu berücksichtigen, dass sich die Pflichtverletzung des Klägers nicht unmittelbar auf die betrieblichen Abläufe bei der Beklagten auswirkte, sondern außerbetrieblich zu einer Beeinträchtigung des Ansehens der Beklagten geführt hat. Deshalb kommt es im Rahmen der Interessenabwägung weniger darauf an, wie sich die Reaktion der Beklagten innerbetrieblich auswirkt, sondern darauf, wie die Beklagte auch nach außen hin angemessen auf das Fehlerverhalten des Klägers reagieren kann. Zur Minimierung des nach außen hin eingetretenen Imageschadens der Beklagten erscheint es deshalb unter Abwägung der widerstreitenden Interessen beider Vertragsteile im vorliegenden Fall angemessen das Arbeitsverhältnis des Klägers mit sofortiger Wirkung zu lösen.

Anders ausgedrückt: In diesem Fall sah das Gericht für die Arbeitgeberin gar keine andere Möglichkeit als die außerordentliche Kündigung um auf den Reputationsschaden zu reagieren. Das (bekannte) soziale Engagement der Arbeitgeberin für Flüchtlinge auf der einen Seite und  die Aufstachelung von Hass gegen Flüchtlinge durch einen Mitarbeiter auf der anderen Seite wiegen derart schwer, dass schon die einmalige Hinnahme nicht zugemutet werden kann.

Ist das jetzt gerecht? 

In dem einen Fall wird jemand außerordentlich gekündigt, in dem anderen werden die Kündigungen alle für unwirksam erklärt? Auch wenn dem Laien das ungerecht scheinen mag und auch der juristische Kenner arbeitsrechtlicher Materie weiß, dass manchmal tatsächlich auch bei äußerst ähnlichen Sachverhalten unterschiedliche Gerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, ist die Idee hinter der Interessensabwägung und damit die Interessensabwägung selbst dem Grunde genommen immer gerecht: Denn hierüber werden alle Aspekte des konkreten Einzelfalls, die Belange und Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit in die Entscheidung mit aufgenommen. Das hat nun einmal zur Folge, dass sehr ähnliche Sachverhalte zu sehr unterschiedlichen Entscheidungen führen können. Wer mit der ihn betreffenden Einzelfallentscheidung nicht zufrieden ist, dem steht der Rechtsweg und die nächste Instanz offen – es muss aber nicht sein, dass diese zu einem anderen Ergebnis kommt…

Was bedeutet all das jetzt für Arbeitgeber?                                                          

Zunächst einmal muss klar gesagt werden, dass der Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses in der derartigen Angelegenheit an sich nur prognostiziert, aber nicht sicher vorhergesagt werden kann. Zum einen weil es noch keine Fülle an arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung zu diesen Fällen gibt (auch wenn es stetig mehr werden), so dass hier noch keine „sicheren“ Ableitungen getroffen werden können. Zum anderen aber weil es der Interessensabwägung – wie dargestellt – inhärent ist, dass es auf Nuancen und schließlich schlicht auf die Bewertung des jeweiligen Gerichts ankommen kann – auch wenn sich der eigene Anwalt natürlich für Ihre Interessen einsetzt.

Und unabhängig vom Ausgang ist der Schaden für den Arbeitgeber meistens ohnehin schon eingetreten, wenn es zu einer gerichtlichen Beurteilung kommt. Denn Imageschäden, Shitstorms, Wegfall von Kunden und Aufträgen sind nur vereinzelte Beispiele möglicher Folgen unbedachter Äußerungen durch Mitarbeiter. Um diese zu vermeiden, sollten die Mitarbeiter bereits im Vorwege für den Umgang mit sozialen Medien sensibilisiert werden. Möglichkeiten hierfür bieten z.B. Schulungen und Social-Media-Guidelines. Darüber hinaus ist auch nicht jede Äußerung eines Mitarbeiters klar äußerungsrechtlich bedenklich, möglicherweise aber dennoch geschäftsschädigend. In solchen Fällen ist es besonders schwierig als Unternehmen zu handeln. [Zu dieser Fallkonstellation demnächst mehr, versprochen!] Folglich sollten in jedem Fall vorher ausgearbeitete Krisenkonzepte neben belastbaren Unternehmensrichtlinien bzw. Betriebsvereinbarungen vorliegen, um im Fall der Fälle in kommunikativer und juristischer Hinsicht als Arbeitgeber schnell und angemessen reagieren zu können.

In diesem Sinne,

Prävention ist besser als Reaktion.

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*Der Jurist Christian Frerix hat die Autorin bei der Verfassung dieses Artikels unterstützt. Frerix promoviert derzeit an der Universität Hamburg und war daneben bis November 2017 in der Anwaltskanzlei Diercks (vormals: im Hamburger Büro von Dirks & Diercks Rechtsanwälte) als Jurist tätig.