Uff! Es ist über zwei Jahre her, dass ich vor dem Hintergrund der SOPA-, PIPA und ACTA-Aufregung (erinnert sich überhaupt noch wer?!) einmal zusammenschrieb „Was soll eigentlich dieses Urheberrecht“. In Teil 1 erläuterte ich
- woher das Urheberrecht eigentlich kommt,
- was es soll (es schützt das geistige Eigentum des Kreativschaffenden),
- das es ein „Bestimmerrecht“ ist (nämlich das Bestimmerrecht des Werkschaffenden)
- wie das deutsche Urheberrecht und CC-Lizenzen zueinander stehen,
- und was eigentlich das Zitatrecht ist.
In „Was soll eigentlich dieses Urheberrecht eigentlich? Teil 2“ brachte ich dem geneigten Leser, dann einmal
- das Institut der Abmahnung, inklusive
- des Unterlassungsanspruchs
- des Anspruchs auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten
- sowie des Schadensersatzanspruchs
im Urheberrecht näher. Dabei versuchte ich insbesondere klar zu machen, dass das eben alles nicht per se „bösartig“ ist, sondern einfach den berechtigten Interessen des Urhebers dient.
Aber gut. Niemand ist frei von Fehl und Tadel. Vielleicht habe ich das mit dem Urheberrecht auch etwas falsch verstanden. Das jedenfalls könnte man meinen, wenn man die Reaktion der Gründer von heftig.co auf die Fragen der Rhein-Zeitung liest.
[Für diejenigen, die noch nichts von der Viralschleuder bzw. dem „Medienphänomen“ heftig.co mitbekommen haben: Heftig.co klaubt sich Content aus dem Internet zusammen, versieht diesen mit reißerischen Überschriften und pusht dann diesen Inhalt über die Social Networks. So haben es die Macher binnen weniger Monate auf über 785.000 FB-Fans gebracht und werden von etablierten Medien gleichermaßen verachtet wie beneidet. Mehr zu dem Case, dem Geschäftsmodell sowie der möglichen Haftung der Geschäftsführer von heftig.co findet sich in Kürze von mir auf LEADDigital]
Nach dem endlich bekannt wurde, wer hinter heftig.co steckt, wollte die Rhein-Zeitung doch einmal ganz direkt und kritisch wissen, wie denn die Macher zum Urheberrecht stünden. Schließlich ist eben der meiste Content schlicht von anderen Seiten, wie der us-amerikanischen viralnova.com übernommen – um es hier mal ganz neutral auszudrücken.
Die PR-Agentur von heftig.co schrub daraufhin eine Stellungnahme, deren Inhalt Du nicht glauben wirst!
Es ist doch für jedermann klar erkennbar, dass die meisten Inhalte bei Viralnova selbst von anderen Webseiten kopiert sind. Also verfügt viranova offenbar selbst in der Regel gar nicht über die Rechte. Die Inhalte, die hier von verschiedenen Portalen immer wieder kaum mehr nachvollziehbar hin und her gereicht werden und sich dabei ständig wandeln, sind ja irgendwann von Usern ins Netz gestellt worden, damit sie genau das tun: sich verbreiten. Das entspricht ja dem Wesen des „viralen“ Contents, dass er ähnlich einem biologischen Virus, von Mensch zu Mensch weitergetragen wird. Jeder User, der viralen Content herstellt und in den Verkehr bringt, beabsichtigt diese unkontrollierbare Wirkung, weil er die Aufmerksamkeit maximieren will. Er wacht nicht eifersüchtig über seinen Content, sondern genießt im Gegenteil diesen Kontrollverlust und sucht gezielt das Spiel mit Bedeutungen und Bedeutungsverschiebungen. Er freut sich gerade dann am meisten, wenn sein Inhalt ohne sein Zutun in völlig fremden Kontextualisierungen auftaucht, oder gar andere Narrative hitchhiked. Das sind doch komplett andere Spielregeln als zum Beispiel in einem journalistischen Angebot. Und hier liegt der Kern Ihres Mißverständnisses: heftig-co ist explizit kein journalistisches Angebot und muss sich auch nicht den gleichen Spielregeln unterwerfen. Und: Ein urheberrechtliches Verwertungsinteresse steht hier doch in der Regel gar nicht an erster Stelle. Sonst wäre er ja auch mit Disclaimern oder beispielsweise digitalen Wasserzeichen gekennzeichnet. Im Gegenteil, die Freude ist um so größer, wenn dann unverhofft aus heiterem Himmel Hunderttausende Clicks das Google-Konto bei Youtube auffüllen.
(Stellungnahme von Thomas Huber, semanticom GmbH für heftig.co, öffentlich zugänglich gemacht auf den Seiten der Rhein-Zeitung unter dem Artikel „Das ist heftig: Die Viralseiten-Macher und ihr Verhältnis zu Urheberrechten“ von Lars Wienand.
Okay, Mist, ich hab da wohl wirklich was missverstanden.
Das neue Urheberrecht nach heftig.co:
- Sobald Du einen urheberrechtlich geschütztes Werk ins Netz stellst, darf es sich jeder nehmen und damit machen, was er will.
- Es sei denn, Du hast Dein Werk mit einem Wasserzeichen oder einem sonstigen Schutzmechanismus versehen, zum Beispiel in dem Du Geld dafür bezahlst, dass Dein Urheberrecht über PriorMart notariell hinterlegt wird (Total sinnvoll!! *hust). In diesem Fall gilt Nr. 1 nicht.
- Das Urheberrecht gilt sowieso nur bei journalistischen Angeboten. Solange Du Dein Angebot nicht als journalistisch bezeichnest, musst Du das Urheberrecht ohnehin nicht beachten.
Habe ich wirklich etwas missverstanden? Natürlich nicht. Das, was die PR-Agentur dort von sich gibt, ist schlichtweg – excuse me – Blödsinn. Jedenfalls juristisch betrachtet. Es mag sein, dass der ein oder andere User Content ins Netz stellt, damit sich dieser viral verbreitet und von jedem genutzt werden kann. Dies ist aber gerade nicht der Regelfall. Und so eine „Erlaubnis“ lässt sich weder aus dem Ins-Netz-Stellen noch aus mangelnden Wasserzeichen oder ähnlichem ableiten.
Wie ist es denn nun mit dem Urheberrecht?
Wie ich bereits schrub, ist das Urheberrecht ein Bestimmerrecht. Der Urheber eines Werkes kann einzig und allein darüber bestimmen, was, wann, wie, wo mit seinem Werk (Text, Bild, Foto, Grafik, Video, etc.) geschieht. Aber mal ganz von vorn und im Einzelnen.
Wann ist ein Werk ein Werk?
Gemäß § 2 Abs. 2 UrhG bedarf es dafür einer persönlichen geistigen Schöpfung, die eine gewisse „Schöpfungshöhe“ erreicht haben. Anders ausgedrückt: Da bekanntermaßen schon im Aphorismus der Gedanke auf dem Sprung ist, kann also selbst ein Tweet von 140 Zeichen die notwendige Schöpfungshöhe besitzen. Die Betonung liegt aber auf „kann“. Denn ein Tweet á la „Jetzt ein Latte bei Starbucks“ lässt eben diese beeindruckend vermissen.
Wie auch immer: Verhalten Sie sich im Zweifel besser so, als hätte der vor Ihnen liegende Text, das Foto, der Film oder die geklierte Grafik die notwendige Schöpfungshöhe erreicht und fragen Sie den Urheber bzw. Rechteinhaber. Oder jedenfalls einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl, wenn Sie meinen, dass das doch nicht geschützt sein kann. Schnappschüsse sind übrigens als sog. Lichtbilder geschützt – da bedarf es gar keiner besonderen Schöpfungshöhe.
Gleichwie: Der urheberrechtliche Schutz besteht selbstverständlich vollkommen unabhängig davon, ob das Werk in einem journalistischen Kontext entstanden ist oder nicht!
Sind die Werke auch im Internet geschützt?
Ja. Das sind sie. Denn wie gesagt, der Urheber ist der Bestimmer. Er bestimmt, was, wann, wie und wo verwertet wird. Auch ob und wann und wie und wo sein Werk im Internet verwendet wird. Das sagt im Ergebnis nämlich § 19a UrhG. Dieses „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung“, ist nichts anderes als das Recht das eigene Zeugs (oder das von anderem, an dem man aber das notwendige Recht erworben hat!) ins Internet zu stellen. Um Zeugs, also Werke, über eigene Server ins Internet zu stellen, muss man die Werke auch noch Vervielfältigen (§16 UrhG) und Verbreiten (§ 17 UrhG) dürfen – aber das nur am Rande.
Das heißt, stellt ein Fotograf seine Bilder auf seiner Website zur Ansicht bereit, dann stellt er sie eben zur Ansicht bereit. Punkt. Aus einem Ins-Internet-Stellen ist nicht abzuleiten, dass diese Werke frei von anderen – zum Beispiel zum Illustrieren des eigenen Artikels – verwendet werden dürfen. Gleiches gilt für diesen Text. Und gälte auch für sonst urheberrechtlich geschützte Werke wie Grafiken oder Videos.
Unbenommen wäre es den Urhebern ihre Werke bspw. unter CC-Lizenzen auch anderen „frei“, also unter den Voraussetzungen der jeweiligen Creative Commens Lizenz zur Verfügung zu stellen. Aber das liegt im Ermessen des jeweiligen Urhebers. Er bestimmt über die Verwendung.
Ein besonderer Schutzmechanismus für in das Internet eingestellte Werke ist nicht erforderlich. Es braucht auch keine notarielle Hinterlegung. Das Urheberrecht entfaltet seine Bestimmerqualitäten für den Werkschaffenden qua Gesetz.
Ja, aber man kann doch Zitieren!
Natürlich kann man zitieren. Das besagt schließlich § 51 UrhG. Aber aus der Übernahme eines fremden Contents wird noch lange kein rechtmäßiges Zitat, nur weil man eine Quellenangabe drunter klatscht. Wer wissen möchte, wie das mit dem Zitat funktioniert, der möge einmal hier klicken.
Und mit Bildzitaten wird es in der Regel schon mal gar nichts. Den ein Bildzitat zum „Aufhübschen“ der eigenen Seite oder zur Steigerung ihrer wirtschaftlichen Attraktivität, das ist eben kein Bildzitat.
Ja, aber man kann doch ein neues Werk entstehen lassen!
Klar, auch das kann man. Ein neues Werk muss dann aber auch ein neues Werk sein. Und nicht etwa eine Bearbeitung oder Umgestaltung. Denn die kann eben nach § 23 UrhG nur mit der Einwilligung des Urhebers erfolgen. Das heißt einmal schnell den Text durch den Wolf drehen, das funktioniert nicht.
Und was ist wohl die Übersetzung eines Textes? So zum Beispiel aus dem amerikanischen Englisch ins Deutsche? Also so von viralnova zu heftig.co Sic! Eine Bearbeitung bzw. Umgestaltung im Sinne von § 23 UrhG – also auch das geht ohne Einwilligung des Urhebers nicht.
Ja, aber es gibt doch Fair Use.
Mhm. Gibt es. Und den weit verbreiteten Irrglauben, man könne alles, was amerikanische Webseiten so anbieten, nach der Fair Use Regelung auch einfach mal so benutzen. Bzw. bei den Amerikanern ist das ja alles viel besser…
Dem ist nicht so. Auch nach der Fair Use Regelung kann urheberrechtlich geschütztes Material nur „angemessen“ zum Zweck der Kritik, der Stellungnahme, der Berichterstattung, der Bildung und der Wissenschaft verwendet werden. Ob die Verwendung angemessen ist, hängt von den Kriterien:
- Zweck und Art der Verwendung (gewerbsmäßig oder nicht; umgestaltende Nutzung oder nicht (sog. transformative use))
- Art des urheberrechtlich geschützten Werks
- Umfang und Bedeutung des verwendeten Auszugs im Verhältnis zum ganzen Werk
- Auswirkung der Verwendung auf den Wert und die Verwertung des geschützten Werk
ab. Und was erkennen dabei die tränenden Augen der Juristin? Soweit vom deutschen Zitat bzw. Zitatzweck ist die Fair Use Regelung auch nicht entfernt. Fair Use hilft jedenfalls auch nicht bei der wirtschaftlichen Verwertung fremden Inhalts!
Ja, aber es gibt doch das Embedding!
Tatsächlich. Wenn ein Video oder Foto embedded wird, also das Video oder Foto nicht über einen eigenen Server hochgeladen, sondern nur über eine Verknüpfung zu einer fremden Seite in die eigenen eingebettet (Framing) wird, dann liegt nach dem BGH (Az. I ZR 46/12) keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vor.
Da sich der BGH jedoch unsicher war, ob nicht eine „neue“ Verwertungsart beim Embedding vorliegt, hat er das Ganze dem EuGH zur Begutachtung vorgelegt. Die Entscheidung des EuGH steht wiederum noch aus.
Aber abgesehen von der „Tücke“ der ausstehenden EuGH Entscheidung, hat das Embedding noch einen anderen Pferdfuß: Hat der Rechteinhaber das ursprüngliche Video/Foto hochgeladen und zur Einbindung bei Dritten freigeben, ist das alles natürlich unproblematisch. Aber was, wenn das Video eben nicht vom Rechteinhaber hochgeladen wurde? Oder das Video auf sonstige Art und Weise rechtswidrige Inhalte aufweist?
Und was könnten die Urheber tun?
Die Urheber, bzw. die Rechteinhaber (ein Urheber kann die Nutzungsrecht schließlich auch schon an einen Dritten lizenziert haben), die sich mit Ihren Inhalten ungewollt auf einem Portal wie heftig.co wieder finden, können abmahnen und damit Unterlassung, Erstattung der Rechtsverfolgungskosten sowie Schadensersatz verlangen.
Das können sie tun. Das müssen sie aber nicht. Sie können natürlich auch Ruhm und Ehre der unendlichen Klicks und der Verbreitung ihres Contents genießen.
Nur: Darauf sollten sich solche Portalbetreiber eben besser nicht verlassen.
Summa summarum
So richtig rund läuft das Prinzip heftig.co aus urheberrechtlicher Sicht nicht. Um nicht zu sagen gar nicht. Ob das nicht dennoch ein kluges Geschäftsmodell ist, bei dem man die Abmahnungen eben einpreist oder ob es mit der Haftung der Geschäftsführer bei solchen Geschäftsmodellen nicht doch ein wenig unangenehmer aussehen könnte, das können Sie drüben in Kürze bei LeadDigital nachlesen.
In diesem Sinne,
auf bald.
Last but not least,
auch der Kollege Carsten Ulbricht hat sich mit einem sehr lesenswerten Blogbeitrag der heftig.co Story angenommen.