Facebook ist sowohl als Plattform der Meinungskundgabe als auch für die Werbeindustrie nicht mehr aus dem täglichen Bewegungsfeld des modernen Menschen wegzudenken. Mag man dem Zuckerbergschen Lebensideal noch so kritisch gegenüberstehen und es möglicherweise der Degeneration oder Dekadenz des Denkens der aktuellen Online-Gesellschaft zuschreiben, so ist dennoch anzuerkennen: Das Netzwerk ist in den salonfähigen virtuellen Mittelkreis gerückt und ach ja, auch wir nutzen es für unseren Blog, zum Austausch mit Kollegen, Mandanten, Bekannten und last but not least, Freunden.
Seit einer gefühlten Ewigkeit bietet das größte soziale Netzwerk die Funktion der Gruppen und selbst zu verwaltende Fanseiten an. In den Facebook-Gruppen tummeln sich diverse Gleichgesinnte mit ähnlichem Interesse, beispielsweise Anhänger desselben Fußballvereins, Blogger-Netzwerke oder Jobsuchende aus einer Großstadt. Darin geht um mehr als um das sinnfreie zur Schau stellen des appetitlichen Mittagessens.
Aber gehen wir in medias res: Im Rahmen eines bemerkenswerten Rechtstreits vor dem Amtsgericht Menden (AG Menden, Urteil vom 09.01.2013, Az. 4 C 409/12) hatte sich das Gericht mit der rechtlichen Einordnung einer solchen Facebook-Gruppe zu befassen. Denn es hatte ein ehemaliger Administrator auf Wiedereinsetzung in den Status geklagt, nachdem dieser zuvor von dem Gruppen-Gründer aus der Facebook-Gruppe „Volker F…? Nein danke!“ gelöscht worden war.
Eigentlich ist es schon irrwitzig, dass ein ehemaliger Gruppen-Administrator vor Gericht zieht, statt eine neue Gruppe zu gründen, was ihm jederzeit möglich ist. Aber es liegt natürlich auf der Hand, dass die Mitgliederzahl und Bekanntheit der Gruppe einen gewissen Wert darstellen. Und um die Ehre ging es ihm bestimmt auch.
Das Gericht stellte klar, dass sämtliche Mitglieder einer solchen Gruppe weder eine GbR noch ein Verein oder eine Partei bildeten und der entmachtete Administrator keine rechtlichen Ansprüche auf Wiederzulassung als Administrator der Gruppe habe. Es entfalten sich also gerade keine Rechte und Pflichten untereinander wie z.B. im deutschen Vereinsrecht.
Die Argumentation klingt auch auf dem zweiten Blick plausibel: Zum einen seien keine vermögenswerte Leistungen der Mitglieder zu einem Gesellschaftszweck wie z.B. Mitgliedsbeiträge ersichtlich, weswegen keine Gesellschaft im Sinne des §§ 705 ff. BGB angenommen werde. Zum anderen fehle es für die Annahme eines Vereins (§§21 ff. BGB) „an einem auf Dauer angelegten Zusammenschluss von Personen zur Verwirklichung eines gemeinsamen Zweckes mit körperschaftlicher Verfassung“ (Az. 4 C 409/12, Abs. 14). Zu guter Letzt verneint das Gericht sogar einen Rechtsbindungswillen der Mitglieder. So heißt es im Wortlaut der Entscheidung: „Auch andere Rechtsformen sind hier nicht anzunehmen, denn ersichtlich haben sich die Parteien ohne einen irgendwie gearteten Rechtsbindungswillen allein zu dem Zweck zusammen getan, ein gemeinsames politisches Ziel zu verfolgen“ (Az. 4 C 409/12, Abs. 15). Anders ausgedrückt: Es fehlt bei einem virtuellen Zusammenschluss von Mitgliedern in einer Facebook-Gruppe zu einem bestimmten Zweck, sei es der Suche nach einem Job in der Stadt, gebrauchtem Kamera-Equipment oder wie hier einer indirekten Petition gegen einen Bürgermeister an eben dem Rechtsbindungswillen, da die Mitglieder jederzeit mit einem Klick der Gruppe bei- oder austreten können und sich sich eben nicht auf eine (auch noch so kurze) bestimmte Dauer binden. Vielmehr sei die Gruppe „nicht mehr als ein „Kaffeeklatsch“ oder ein „Kneipentreffen“ im Internet“, wie das Gericht etwas flapsig und den technologischen Möglichkeiten etwas unaufgeschlossen gegenüberstehend formulierte – und dabei doch den Nagel auf den Kopf trifft.
Auswirkung der Entscheidung auf die in sozialen Netzen aktiven Unternehmen
Zunächst die gute Nachricht: Kein Seitenbetreiber bzw. Gruppen-Administrator muss sich mit den rechtlichen Vorgaben aus dem Vereinsrecht oder Gesellschaftsrecht auseinandersetzen. Es können problemlos Personen eingeladen, ausgeschlossenen oder die ganze Seite per Knopfdruck gelöscht werden. Das freut die innovative und kreative Kommunikations-Branche sicherlich. Denn beim Gedanken, sich etwa mit Haftungsbeschränkungen des Gesellschaftsvermögens einer GbR auseinanderzusetzen, liefe es den Verantwortlichen – gleich ob „privater“ Gruppenbetreiber, interner Social Media Manager oder in der Agentur sitzender Community-Manager – sicher eiskalt den Rücken runter. Doch wie gesagt, das ist ja nun nicht nötig.
Weitergedacht heißt das für Unternehmen allerdings auch: Wenn ein Mitarbeiter als Admin einer Fanseite/Gruppe einen Schaden verursacht oder sonstige Haftungsfälle auftreten, sind untereinander und somit auch zwischen den Mitarbeitern und dem Unternehmern keine rechtlichen Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche allein auf Grundlage der Facebook-Aktivität möglich. Das sollte also explizit zwischen den handelnden Personen, dem Mitarbeiter und dem Unternehmen geregelt werden. Die allerwenigsten Arbeitsverträge, Unternehmens-Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen enthalten irgendwelche Regelungen zur Verwaltung von Social Media Accounts. Um eine diesbezügliche Anpassung der Arbeitsverträge, Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen sollten sich Unternehmen allerdings dringend Gedanken machen – wie ich auch hier schon aufzeigte.
Die zuständigen Mitarbeiter sollten unter anderem zu Folgendem verpflichtet sein: Sie sollten extreme Sorgfalt im Umgang mit den Zugangsdaten walten lassen. Zeitgleich sollten die Administratoren-Zugangsdaten nicht ausschließlich in einer Hand liegen, sondern in einer geregelten Form auch durch das Unternehmen erreichbar sein. Das „heimliche“ Abändern von Zugangsdaten, so dass nur noch der Social Media Manager (oder sonstige Verantwortliche) und nicht mehr das Unternehmen an sich, Zugang zu den Social Media Accounts hat, sollte – ggf. unter Androhung von Vertragsstrafen – verboten sein. Und selbstverständlich muss der Fall der „Rückgabe“ der Accounts für den Fall geregelt sein, dass Mitarbeiter eine andere Position im Unternehmen einnimmt, bzw. gar das Unternehmen wechselt. Das Vorstehende gilt auch, wenn für das Social Media Management freie Mitarbeiter und/oder Agenturen eingesetzt werden. Auch hier sollte es entsprechende Regelungen zwischen den Parteien geben! Jedenfalls sollte es nicht passieren, dass ein Mitarbeiter den Account nicht herausgibt oder die Zugangsdaten ändert, um dem ehemaligen Arbeitgeber eins auszuwischen. Denn im worst case droht dem Unternehmen der Verlust der eigenen/offiziellen Fansite oder Facebook-Gruppe mit all seinen Fans, Inhalten und kostbarem Branding und/oder die Zuschüttung der eigenen Seite mit despektierlichen Kommentaren und Posts vom ehemaligen Verantwortlichen der Seite.
Lange Rede, kurzer Sinn: Regeln Sie in ihrem Unternehmen die Verwaltung ihrer Social Media Accounts, ansonsten, müssen Sie sich eventuell vor Gericht um die Herausgabe des Accounts streiten – und das wäre doch wirklich eine Ressourcen-Verschwendung oder?
Es sollte Ihnen jedenfalls beim Gedanken an Ihr Social Media Management nicht in Anlehnung an Heines Nachtgedanken im Kopf umgehen: Denk‘ ich an Facebook in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht.
In diesem Sinne,
es wird nicht das letzte Urteil eines Gerichts zu Facebook & Co gewesen sein.
PS: Dieser Artikel ist mit Hilfe unseres freien Mitarbeiters, Herrn Conrad S. Conrad, entstanden. Vielen Dank dafür von uns an dieser Stelle!