Das Setzen von Links kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen – oder wie das Landgericht Hamburg (Az. 310 0 402/16) das Internet (endgültig) kaputt machte!

Herrje! Das Landgericht Hamburg hat (endgültig) das Internet kaputt gemacht – leider muss man das genauso konstatieren.

Was ist der Hintergrund? 

Bereits im September hatte der EuGH in der Rechtssache C?160/15 entschieden, dass das Setzen eines Links eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann, wenn

  • auf der verlinkten Webseite ein urheberrechtlich geschütztes Werk widerrechtlich (d.h. ohne Lizenz bzw. Einwilligung des Urhebers) aufzufinden ist
  • und der Link auf der Ausgangsseite mit „Gewinnerzielungsabsicht bereit gestellt wurde
  • und der Linksetzer sich nicht zuvor vergewissert hat, dass das betroffene Werk auf der verlinkten Webseite rechtmäßig veröffentlicht wurde.

Herrnach ging ein Aufschrei durch die (juristische Fach-) Welt.

Denn nicht nur, dass diese Entscheidung diametral zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes steht, der 2003 (!) in der Entscheidung BGH, Az.  I ZR 259/00 urteilte

Wird ein Hyperlink zu einer Datei auf einer fremden Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk gesetzt, wird dadurch nicht in das Vervielfältigungsrecht an diesem Werk eingegriffen.

[…] Es wird deshalb grundsätzlich kein urheberrechtlicher Störungszustand geschaffen, wenn der Zugang zu dem Werk durch das Setzen von Hyperlinks (auch in der Form von Deep-Links) erleichtert wird.

Diese sogenannte „Paperboy“-Entscheidung besagt, einfach übersetzt: Das reine Setzen eines Links kann (im Regelfall) keine Urheberrechtsverletzung darstellen. Das wird natürlich ordentlich begründet.

Der EuGH gelangt aber eben genau dazu. Das Setzen eines Links kann sehr wohl eine Urheberrechtsverletzung sein. Tja. Dogmatisch nicht erklärbar, siehe hierzu vertieft: Stadler „EuGH zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das Setzen eines Links Urheberrechte verletzen kann“ –

Dazu war und ist vollkommen unklar, was bitte schön, in dem Zusammenhang eine „Gewinnerzielungsabsicht“ sein soll und wie denn bitte irgendjemand seinen „Nachprüfungspflichten nachkommen soll. Um es plastisch zu machen: Ich habe gerade auf den Kollegen Stadler verlinkt. Wäre der Artikel mit einem Bild illustriert, dann müsste ich jetzt klären, ob der Kollege über die notwendigen Rechte verfügt. Wenn ich das nicht tue und ein urheberrechtsverletzendes Bild auf der Seite ist, bin ich dran. Denn man kann es wohl so auslegen, dass dieser Blog nicht nur aus lauter Liebe geschrieben wird (doch, natürlich, ausschließlich!), sondern jedenfalls auch dem Vertrieb der Anwaltskanzlei Diercks dient (ja, okay, erwischt.). Das ist der Link wohl mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt. Oder nicht? Oder? – Ja, niemand weiß nichts Genaues. Eigentlich.

Aber so viel bedeutet es: Es ist nicht möglich, jede Webseite, auf die man verlinkt a) nach möglichen Urheberrechtsverletzungen durchzusehen und b) hinsichtlich jedes dort ersichtlichen möglicherweise urheberrechtlich geschützten Werkes (Bild, Film, Grafik, Text etc. pp.) die Lizenzfragen zu klären – jedenfalls nicht, wenn man auch noch mal einen Beitrag mit Verweisen auf andere Quellen oder Meinung fertig stellen will. Wenn man sich jeglicher Haftung entziehen will, bliebe nur die Möglichkeit, keine Verlinkungen mehr aufzunehmen. Im Sinne einer freien Kommunikations- und Meinungsbildung (vgl. Art 5 GG) ist das nicht.

[Also, ähm, Kollege Stadler, btw, da fällt mir auf, die Urheberrechte an Ihrem Profil-Bild auf dem Blog haben Sie schon, ja?!]

Und so hofften alle, dass dieses gruselige Urteil des EuGH über eine „zurechtrückende“ Rechtsprechung der nationalen Gerichte, die Bewertungen von Urheberrechten und deren Verletzungen im Falle von reinen Textverlinkungen auf die Seiten Dritter wieder auf die gerade Spur helfen würde und die EuGH-Entscheidung ein unerfreulicher Ausrutscher bleiben möge.

Was ist nun passiert? 

Diese Hoffnung hat sich – vorerst – zerschlagen. Denn nun hat es eine frische Entscheidung des Landgerichts Hamburg gegeben Az. 310 O 402/16 im Lichte der oben genannten EuGH-Entscheidung gegeben. Mit diesem – ausführlich begründeten – Beschluss bestätigt das Landgericht Hamburg jedoch die Linie des EuGH. Und dem geneigten Juristen (und nicht nur dem) bleibt nur, sich die Hände vor das Gesicht zu schlagen.

Mehr dazu gibt es an dieser Stelle nicht. Vielmehr möchte ich auf den Blog der geschätzten Kollegen von Spiritlegal verweisen, die das Verfahren führten und sich dort ausführlich mit der Entscheidung selbst sowie den Folgen für die Praxis beschäftigten (Ok. Kleiner Spoiler, siehe oben). Und Ehre, wem Ehre gebührt:

LG Hamburg verschärft Linkhaftung – von Dr. Jonas Kahl

Ach so: Einen Widerspruch gegen diesen Beschluss wird es nicht geben können, da der Antragsgegner die einstweilige Verfügung als abschließende Entscheidung akzeptiert hat. Das heißt, das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, das hier geführt wurde, wird durch eine sogenannte Abschlusserklärung beendet.

In diesem Sinne,

hoffen, wir dennoch, dass dies nicht das Ende der Fahnenstange, äh, Rechtssprechung, gewesen sein möge. Im Interesse aller.

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