Ja, ich weiß. Weihnachten ist vorbei. Vielerorts herrscht die 5. Jahreszeit. Und an das nächste Weihnachten will noch keiner denken. Und trotzdem wird hier und heute am 03. Februar 2015 eine Weihnachtsfeier eine Rolle spielen. Und zwar die Weihnachtsfeier 2014 der Kanzlei Dirks & Diercks. Wie es dazu kommt? Nun, das ist eine längere Geschichte, die allerdings – aufgrund ihrer grundsätzlichen Relevanz hinsichtlich der Schlagworte Email-Marketing, Direkt-Marketing, Double-Opt-In sowie Abmahnung und Vertragsstrafe einmal erzählt werden muss (und die zumindest bis zur Hälfte vermutlich jeder so oder so ähnlich aus eigenem Erleben kennt):
Es war einmal eine Email…
Einen schönen Tages im Jahr 2013 bekam ich gegen Mittag eine Email eines Medien-Unternehmens. Voll mit „wichtigen“ Meldungen über dies und das in der Medienwelt und voll mit Werbung. Einen derartigen Newsletter (oder was auch immer das sein sollte) hatte ich jedoch nie angefordert. Ich tat, was wohl ein jeder tut, wenn er solch eine unaufgeforderte Email erhielt: Ich drückte den Delete-Button. Denn wie Otto-Normal-Verbraucher auch, mahne ich natürlich nicht jede unerwünschte Email ab. Sonst käme ich (wie alle anderen) auch zu nichts mehr.
Es wurden mehr Emails….
Kurz vor Feierabend folgte die nächste Email. *Delete*. Am darauffolgenden Tag folgten drei weitere Emails mit wichtigen Meldungen und Werbung. Schon etwas sehr genervt drückte ich wiederum auf „LÖSCHEN“. Am nächsten Morgen: PING! Die nächste Email. (Für diejenigen, die mitgezählt haben: Ja, es waren bislang sechs (6!) Emails binnen 36 Stunden).
Verflixt noch eins! So konnte es nicht weitergehen. Also flugs dem Absender eine Email mit der unmissverständlichen Aufforderung übersendet, mir keine weiteren Emails zu senden.
Es wurde SPAM…
Binnen weiterer 24 Stunden erhielt ich drei weitere Emails. Juristisch betrachtet war schon die erste eine unerwünschte Email, mithin eine unzumutbare Belästigung und damit das, was der Volksmund als SPAM bezeichnet. Und schon diese erste hätte mich sofort berechtigt, mit dem Hackebeil aka Abmahnung darauf zu reagieren.
Doch bei inzwischen neun (9!) Emails binnen 72 Stunden, wovon drei nach der unmissverständlichen Aufforderung, die Übersendung von super-duper Medienmitteilungen zu unterlassen, ergingen, wird mir wohl selbst der verständigste Email-Nutzer beipflichten, dass man auch als Nichtjurist hier wirklich nur noch von gewürztem Schinken sprechen kann.
Es wurde eine Abmahnung….
Bei neun (9!) unaufgeforderten Emails im Posteingang binnen 72 Stunden, wovon drei Emails auch noch nach einer – so meinerseits freundlichen, wie juristisch unnötigen – ausdrücklichen Aufforderung dies zu unterlassen, eingingen, darf wohl auch dem besonnensten User einmal die Hutschnur platzen. So hier.
Der Kollege Dirks hat es ja schon einmal zugegeben „Ich habe abgemahnt„. So ist es, wir mahnen im Namen unserer Mandanten durchaus auch ab. Das kann nämlich sehr berechtigt und das richtige Schwert im Kampf sein, so laut das Geschrei bezüglich der „bösen Abmahner“ auch sein mag, so falsch ist sie in der Pauschalisierung (wer wissen will, was eine Abmahnung tatsächlich eigentlich ist, bitte hier entlang).
Was ich sagen will: Da nun derartige persönlichkeitsrechtliche Abmahnungen mit Bezug zum Wettbewerbsrecht für uns kein Hexenwerk sind, schrieben wir also eine eben solche und forderten das betreffende Unternehmen auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben.
Es ward sich geziert…
…die Unterlassungserklärung abzugeben. Doch nicht nur das. Es wurde vielmehr vom gegnerischen Anwalt behauptet, es gäbe doch eine Einwilligung zum Erhalt der Emails. Ich hätte mich, so der gegnerische Anwalt, über die Internetplattform XY akkreditiert und im Rahmen eines Double-Opt-In-Verfahrens die Richtigkeit der Daten und die gewünschte Zusendung der von ihr ausgewählten Themen bestätigt.
Aha. Nie gehört von der Plattform XY. Aber ich wühlte hektisch in meinen eigenen Emails, ob ich mich nicht doch dumm dusselig irgendwo irgendwann angemeldet hatte und ich jetzt vor dem Kollegen auf der Gegenseite im Ergebnis vor Scham im Boden versinken müsste, weil doch eine Einwilligung existierte.
Meine „Recherche“ in meinem Postfach förderte jedoch nichts zu Tage. Google erklärte mir dann jedoch, dass die Plattform XY von der AB GmbH zwischenzeitlich gekauft worden sei und die AB GmbH diesen Service nun anböte. Ah…! Denn die AB GmbH wiederum veranstaltet(e) auch Presse-Events. Und Tatsache, bei einer dieser Veranstaltungen hatte ich mich im Jahr 2010 (!) angemeldet. Aber gedreht wie gewendet: Weder hatte ich damals dem Erhalt irgendwelcher Newsletter zugestimmt (im Gegenteil, auch da musste ich mich mit einer meiner „NEHMEN SIE MICH VORM VERTEILER“-Emails erwehren) noch ist ersichtlich, wie denn die vermeintliche Einwilligung gegenüber der AB GmbH auf das Medien-Unternehmen hätte hinüberhüpfen sollen?!
… und doch eine Unterlassungserklärung abgegeben
Nachdem wir dies dem Anwalt der Gegenseite in einem weiteren außergerichtlichen Schreiben erläuterten, ward dieser auch relativ kleinlaut und übersendete gerade noch bevor ich den Antrag auf eine einstweilige Verfügung abgeben konnte, die notwendige Unterlassungserklärung und erklärte für die Mandantschaft die Kostenübernahme.
Na also!
Ende gut, alles gut?!
So sollte man meinen. Ruhe. Herrlich.
Bis September 2014. Da erreichten mich wieder selbige Emails. Hooray! Riesige Freude, wie man sich vorstellen mag. Ich war schon so genervt, dass ich einfach nur noch eine „Schmeiss-diese-Emails-in-den-Müll“-Regel in Outlook erstellen wollte. Aber manchmal höre ich ja auf meinen Kanzlei-Partner, der sagte: „Nee, also wirklich. Dann hättest Du Dir auch die Abmahnung sparen können. Jetzt müssen wir auch die Vertragsstrafe geltend machen – wie sieht denn das sonst aus?„.
Vertragsstrafe
Gesagt. Getan.
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Exkurs – Die strafbewehrte Unterlassungserklärung
Hier noch einmal in aller Kürze, warum von demjenigen, der eine Unterlassungserklärung abgeben hat, gegebenenfalls eine Vertragsstrafe gefordert werden kann: Eine Unterlassungserklärung muss immer strafbewehrt sein, damit das abgegebene Unterlassungsversprechen als ernsthaft und damit der Unterlassungsanspruch auch als befriedigt gilt.
D.h., der Unterzeichner einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verspricht mit dieser,
- das Verhalten X zu unterlassen
- und wenn er dagegen verstößt, d.h. das zu unterlassende Handeln doch noch einmal vornimmt, eine Vertragsstrafe zu leisten.
Die Höhe der zu zahlenden Vertragsstrafe steht dann in der Regel im Ermessen des Rechtsverletzten. Die konkrete Höhe der Vertragsstrafe kann aber dann wiederum im Fall der Fälle von einem Gericht überprüft werden.
Vorliegend wurde gegen die Unterlassungserklärung verstoßen. Ich bekam erneut Emails des Medien-Unternehmens. Folglich konnten wir eine Vertragsstrafe geltend machen.
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Hier gab es eine kurze Schleife. Schließlich hatte das Medienunternehmen die Kanzlei gewechselt. Die neue Sozietät behauptete nun nicht nur erneut, es läge doch eine Einwilligung der XY-Plattform vor. Nein, es wurde auch noch vorgeworfen, dass ich in Kenntnis des Vorliegens dieser Einwilligung die Abgabe der Unterlassungserklärung durch falsche Angaben erschlichen hätte, so dass diese Unterlassungserklärung nun angefochten werde. Nach dem wir allerdings freundlich auf die bisherige gesamte Korrespondenz verwiesen und erklärten, dass wir einer gerichtlichen Auseinandersetzung im übrigen gelassen entgegen sehen würden, löste sich die Angelegenheit dann doch in Wohlgefallen auf.
Gezahlt.
Denn relativ schnell kam das – übliche – „Vergleichsangebot“, jedenfalls die Hälfte der Vertragsstrafe sowie unsere Kosten zu übernehmen. Wir erklärten uns einverstanden. Schließlich ging es nicht darum, hier großes Geld zu verdienen, sondern in einem wirklich nervigen Fall einfach mal zu sagen „So nicht.“.
Die Weihnachtsfeier – Oder: Warum erzählen wir das hier?
Am Ende des Tages hat uns das Medienunternehmen eine hübsche Summe überwiesen und damit unter anderem eine hübsche Weihnachtsfeier bezahlt. Die Weihnachtsfeier hätte es auch so gegeben, keine Frage. (Aber wir verheimlichen an dieser Stelle nicht, dass wir einmal auf das Medien-Unternehmen anstießen und an dieses dachten.)
Das Medienunternehmen hat aber nicht nur unsere Weihnachtsfeier gezahlt. Denn die beiden Kanzleien, die jeweils für das Medienunternehmen mit dem Fall befasst waren, arbeiten natürlich auch nicht für umsonst. Und so kann man getrost davon ausgehen, dass das Medienunternehmen einen mittleren vier-stelligen Betrag aufgewendet hat, um die E-Mail-Kuh vom Eis zu bekommen. Dazu die Thermik, die so etwas gemeinhin in der einen oder anderen Abteilung des Unternehmens auslöst. Und die Begeisterung der genervten Nutzer. Toll. Und das alles wegen so einer fehlenden Einwilligung und einem User der – auf gut deutsch – einfach mal die Schnauze voll hat.
Nun gibt es nicht nur Anwälte, denen irgendwann mal die Hutschnur hochgeht. Wir kennen ganz normale, genervte Zeitgenossen, bei denen irgendwann das Fass überläuft. Und es gibt genügend Verbraucherschutz- oder ein Wettbewerbsverbände, die sich täglich mit dieser Thematik befassen. Insofern sollte man sich als Marketeer vielleicht doch darüber informieren, wie das mit dem Email-Marketing und dem Double-Opt-In denn so funktioniert. Natürlich kann man die Kosten für Abmahnungen wegen mangelnder Einwilligungen einpreisen und auch abwägen, ob genervte User im Rahmen der Gesamtkampagne zu vernachlässigen sind. Aber man sollte die Risiken doch zunächst einmal kennen, um über sie urteilen zu können.
Wie praktisch, dass das MUNICH DIGITAL Institute dazu gerade den Themen-Schwerpunkt „Die Email in der Zukunft?!“ heraus bringt. Mit dabei eine Art White Paper namens „E-Mail-Marketing – Den Klassiker des digitalen Marketings rechtskonform umsetzen“ von meiner Seite, in der ausführlich
- die rechtlichen Hintergründe der Email-Werbung (Datenschutzrecht, Telemedienrecht, Persönlichkeitsrecht, Wettbewerbsrecht) aufgezeigt,
- die möglichen Rechtsfolgen (Abmahnungen von Einzelpersonen wie Unternehmen und Verbänden sowie Bußgeldbescheide von Behörden) erläutert,
- die Voraussetzungen des rechtskonformen Direktmarketings (Double-OptIn) erklärt sowie
- eine Checkliste zur Durchführung von rechtskonformen Email-Direkt-Marketing bereitgehalten
werden. Das White Paper wird nächste Woche veröffentlicht. Wenn es soweit ist, werden wir hier im Blog selbstverständlichen mit einem direkten Link dazu aufwarten.
Epilog
Nicht nur die Anwälte der Gegenseite behaupteten hier – zunächst – sie haben wirksame Einwilligungen seitens der AB GmbH enthalten. Auch andere SPAM-Versender reagierten auf meine „NEHMEN SIE MICH SOFORT VOM VERTEILER“-Emails (ja, die schreibe ich genauso, zu mehr habe ich weder Zeit noch Muße) mit dem Verweis auf die AB GmbH.
Also wendete ich mich dann einmal an die AB GmbH und fragte dort bei der Datenschutzbeauftragten nach, mit welcher Berechtigung meine Daten dort aufgenommen worden seien und wieso diese offensichtlich im Rahmen von Mailing-Listen veräußert werden.
Die Datenschutzbeauftragte erwiderte, dass die Datensätze der XY-Plattform entnommen seien, mit der ja die AB GmbH verschmolzen worden seien. Von der XY-Plattform sei aber für jeden Datensatz eine schriftliche Freigabe erhoben worden. Leider, leider läge diese Freigabe der Datenschutzbeauftragten noch nicht vor „da wir im Zuge der Unternehmensverschmelzung diese Daten von einer externen Festplatte noch in unser System überführen müssen.“ – Diese Antwort bekam ich wohlgemerkt über ein Jahr, nach dem die Unternehmen miteinander verschmolzen wurde.
Da ich mich nun wirklich an keine Freigabe und schon gar keine schriftliche (dazu hätte ich ein Schriftstück unterzeichnen müssen!) erinnern konnte, entgegnete ich freundlich, dass es dann ja wohl kein Problem sei, meine „schriftliche Freigabe“ einmal vorzulegen und setzte hierfür eine 14tägige Frist.
Auf weit mehr als einer DINA4-Seite wird dann sehr ausführlich etwas erklärt, was sich in sinngemäß diesem einen Satz zusammenfassen lässt: „Wir haben von Ihnen weder eine schriftliche Freigabe noch sonst irgendeine Einwilligung zur Verwendung Ihrer Daten finden können. – dieser Datensatz muss wohl – huch – verloren gegangen sein.“
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
In diesem Sinne,
bis demnächst, drüben beim MUNICH DIGITAL Institute.