Von Content-Marketing (Y-Titty), Leserporträts (Handelsblatt) und Schleichwerbung

Erst Im Herbst letzten Jahres nahmen wir uns der oben genannten Thematik mit dem Blogpost „Schleichwerbung: Wenn Content zu Werbung und die Werbung zum Problem wird“ an. Den Inhalt des Artikels kann man in aller Kürze wie folgt zusammenfassen

Egal, ob bei der Zeitung, dem Fernsehen oder dem Internet: Überall gilt das Trennungsgebot. Danach müssen die Zuschauer und Leser klar zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten unterscheiden können.“

Mit dem vorstehenden Satz hat Stephan Dirks das mittels verschiedener Normen (Landespressegesetze, Telemediengesetz, Rundfunkstaatsvertrag) für alle Medien geltende Trennungsgebot in einem Interview zum Schleichwerbeverdacht bei Y-Titty für das SHZ Medienhaus auf den Punkt gebracht.

Zum Trennungsgebot an sich, möchte ich an dieser Stelle gar nicht mehr Worte verlieren, sondern vielmehr an dieser Stelle auf den genannten Blogartikel zur Schleichwerbung von Stephan Dirks verweisen.

Fakt ist, dass uns – auch vor dem Hintergrund der „Good News“ Entscheidung des BGH, wonach die Kennzeichnung einer Anzeige mit „Sponsered by“ nicht ausreichend ist – vermehrt Beratungsanfragen zum Thema „Content Marketing“ erreichen. Also zu der Frage, was denn nun eigentlich (noch) zulässig ist. Schließlich kann es doch in einem Magazin (gleich ob on- oder offline) doch gebuchte Werbung zu einem Unternehmen geben und trotzdem ein redaktioneller Beitrag erscheinen. Oder? Und wenn das möglich ist, dann kann doch das Unternehmen auch dafür bezahlen, dass der redaktionelle Beitrag eine prominenten Platzierung erhält. Oder? Und klar dürfen redaktionelle Beiträge nicht bezahlt werden – aber ich kann doch einem Unternehmen doch die Nutzungsrechte an einem spannenden Unternehmensporträt verkaufen. Oder?

…Nachtigall ick hör Dir trapsen. Genau. Nun sind wir beim Handelsblatt angekommen. Dem Inhaber der PR-Agentur Cocodibu, Christian Faltin, lag ein Angebot des Handelsblatts vor, wonach man sich auf die S. 3 unter der Rubrik „Leser stellen sich vor“ für 5.000,00 EUR einkaufen kann. Natürlich ohne eine entsprechende werbliche Kennzeichnung. Das schrieb Faltin vorgestern – mehr als abschließende Randnotiz – in der LEAD Digital in seinem Artikel „Native Advertising: Holzhammer ohne Wirkung“. Der Online-Chefredakteur Frank Zimmer der W&V griff dieses Thema unter dem Titel „Verdacht auf Schleichwerbung: Wofür das Handelsblatt 5.000,00 EUR nimmt“ auf. Er konnte dabei offensichtlich mit mit der Verlagsgruppe Handelsblatt sprechen. Diese hatte für das Vorgehen nach Angaben der W&V die folgende Erklärung (nachfolgender Absatz Zitat aus dem Artikel von Frank Zimmer):

Gegenüber W&V spricht die Verlagsgruppe Handelsblatt vom „Fehler eines Außendienstmitarbeiters“. Der Mann sei erst seit Anfang des Jahres im Verlag und habe etwas durcheinandergebracht. 5000 Euro nehme die VHB nur, wenn ein porträtierter Leser nach Erscheinen des Artikels für drei Jahre die Nutzungsrechte daran erwerbe. Ein solcher Rechteverkauf sei „in allen Verlagen etabliert“. Man schütze dadurch „das geistige Eigentum der Journalisten“. Wer im Leserporträt erscheine, sei aber eine rein redaktionelle Entscheidung. Der Text werde von der Redaktion geschrieben und nicht vom Objekt der Berichterstattung gegengelesen.

Ah. Ja. Mir als alter Verlagstante ist natürlich so manche „gängige“ Praxis bekannt. Als Juristin ist mir aber auch bekannt, dass gängig nicht immer „rechtskonform“ heißen muss. Fangen wir aber doch einmal ganz von vorne an.

Gebuchte Werbung und redaktioneller Beitrag?

Hier gilt der Grundsatz: Bezahlte Anzeigen und redaktionelle Beiträge sind immer möglich. Wäre es einem Magazin verboten, über die Bundeswehr zu berichten, bloß weil eben diese Employer Brand Anzeigen in diesem Magazin schaltet, wäre das ein unzulässiger Eingriff in die Unternehmens- und Pressefreiheit. Voraussetzung: Es findet nicht doch ein Kopplung statt. Unzulässig wäre die Absprache „Hey Bundeswehr, wenn ihr bei uns eine Anzeige schaltet, dann berichten wir auch im redaktionellen Teil darüber, was für ein toller Arbeitgeber ihr seid und dass ihr jetzt sogar Betriebskitas habt.“ Denn das wäre letztendlich nichts anderes als bezahlter Inhalt, der gegen das Trennungsgebot verstößt. Ein jeder kann sich nun ausmalen, dass es im Einzelfall fikeliensch (norddeutsch für: schwierig, kleinteilig) sein kann. Aber der Grundsatz gilt wie beschrieben.

Redaktioneller Beitrag in gehobener Position qua Bezahlung?

„Wenn Sie bei uns eine Anzeige schalten, dann erscheint der zu ihrem Unternehmen geplante Beitrag auch auf Seite 2.“ – Mööp! Das geht nicht. Selbst wenn der Beitrag inhaltlich redaktionell (vermeintlich) noch so unabhängig gestaltet ist. Exakt hier greift das Trennungsgebot. Zum einen: Welcher Redakteur schreibt denn noch wirklich unabhängig, wenn klar ist, dass für diesen konkreten Artikel über dieses Unternehmen von diesem Unternehmen gerade Geld geflossen ist? Und zum anderen: Hier kann der Leser  eben von außen nicht mehr unterscheiden, ob es sich um objektive, unabhängige Berichterstattung oder doch um geschönte zu Gunsten des Unternehmens oder seiner Produkte handelt.  Und was schrieb Stephan Dirks schon dazu:

Dies auseinander halten zu können, ist ein zentraler Baustein in einer funktionierenden Medienlandschaft und Meinungsbildung, die ja in einer Demokratie nun einmal auch der Meinungsbildung dient und damit schlechthin konstituierend für die freiheitlich demokratische Grundordnung ist.

Nutzungsrechte am Artikel verkaufen

Mhm. Ja. Das scheint gängige Praxis zu sein. Deswegen aber eben noch lange nicht rechtskonform. Nach meiner Auffassung ist diese Vorgehensweise schlicht als der Versuch der Umgehung des Trennungsgebots zu werten und damit nicht anders als der Sachverhalt, in dem ein Unternehmen sagt „Wenn Ihr Unternehmen eine Anzeige bei uns schaltet, dann bringen wir einen redaktionellen Beitrag über eine Seite.“

Warum? Nun theoretisch wäre ja gegen einen Verkauf von Nutzungsrechten nichts einzuwenden. Wenn es bloß praktisch nicht so wäre, dass die zu zahlende Lizenzgebühr kaum in einem vernünftigen Verhältnis zu sonstigen Lizenzgebühren des Unternehmens und vor allem nicht im Verhältnis zum Nutzen für das zahlende Unternehmen stünde:

Für 5.000,00 EUR Lizenzgebühr kann sich jedes Unternehmen von einem hervorragenden Texter gleich mehrere Texte zu seinem Unternehmen mit unbeschränkten Nutzungsrechten schreiben lassen, die das Unternehmen mannigfaltig und so lange es möchte, benutzen kann. Warum also für diesen einzelnen Text für nur 3 Jahre 5.000,00 EUR zahlen? Und geht es nur um den eigenen pr-mäßig zu verwertenden Hinweis darauf, dass ein Artikel im Handelsblatt über das eigene Unternehmen erschienen ist, dann genügt – im Zweifel – eben der Hinweis.

Merkwürdig dann weiter, wie der weiteren Recherche von Christian Faltin und der W&V zu entnehmen ist, dass die auf drei Jahre beschränkten Nutzungsrechte für die öffentliche Zugänglichmachung von Handelsblatt-Texten nach den offiziellen Preislisten zwischen 330,00 und 1.635,00 EUR liegen. Gut, hier geht es nur um die öffentliche Zugänglichmachung (Internet) und nicht um Print. Womöglich sind im 5.000,00 EUR-Paket auch die Print-Rechte enthalten. Wir kennen die Lizenzvereinbarung des Handelsblattes schließlich nicht. Hoch wirkt der Betrag für ein Unternehmensporträt, bei dem das Unternehmen in der Regel mannigfaltig mitwirkt, alle mal.

Und schließlich mutet in der Gesamtschau das letzte Argument des Handelsblattes äußerst merkwürdig an: Man schütze dadurch „das geistige Eigentum der Journalisten“. Entschuldigung, *hust, ich hab das was im Hals. Wer hat in der Regel bitte schön die ausschließlichen Nutzungsrechte (inkl. des Rechts diese an Dritte weiterzugeben) an einem Text den ein Journalist für eine Zeitung oder ein Magazin schreibt? War das nicht der Verlag? Und bekommt nicht genau dafür der Journalist sein Geld? Oder bekommt der Journalist nun etwa 5.000,00 EUR für seine Arbeit, weil beim Handelsblatt die Journalisten die ausschließlichen Nutzungsrechte behalten und das Handelsblatt nur ein einfaches Nutzungsrecht vom betreffenden Journalisten eingeräumt bekommen hat? Ach so. Herzlichen Glückwunsch an die Journalisten, die das gegenüber der Verlagsgruppe Handelsblatt durchbekommen haben!

Okay, okay. Das war jetzt schon ein bisschen ironisch. Aber daran zeigt sich, dass insbesondere das letzte Argument wohl kaum anderes als eine Art Schutzbehauptung zu betrachten ist, die die Zahlung rechtfertigen soll.

Lange Rede, kurzer Sinn: Meines Erachtens ist die Zahlung von „Lizenzgebühren“ für die Nutzungsrechte derartiger Unternehmensporträts nichts anderes als der Versuch mittels dieses vermeintlichen „Kniffs“ das Trennungsgebot von Werbung und Redaktion zu umgehen. Letztlich ist die Zahlung einer Lizenzgebühr in solch einem Fall in der Gesamtschau aus den vorgenannten Gründen als Zahlung eines Entgelts für eine redaktionelle Veröffentlichung zu werten.

Rechtsprechung gibt es zu dieser Thematik noch nicht. Ich werde aber weiterhin keinem Mandanten empfehlen, diesen Weg zu gehen. Und selbst wenn kein Richter das Ganze jemals zu beurteilen hat, schon blöd irgendwie, wenn alle anderen Medien davon unter dem Titel „Schleichwerbung“ berichten oder?

In diesem Sinne,

es bleibt wie immer alles spannend.

Update, 28.03.2014, 14:08: Das Handelsblatt nimmt Stellung.