Schlagwort-Archive: Persönlichkeitsrecht

T. versus SPIEGEL- Jetzt wird es schlüpfrig! (Oder auch: Das alte Kunsturhebergesetz höchst aktuell)

Gerade gestern las ich in der aktuellen Spiegel-Ausgabe den Bericht über Fabian T. – mit dabei ein Foto des die Öffentlichkeit scheuenden Mittdreißigers.

Die Vorgeschichte

Der Programmierer wird auch von seriösen Blättern wie der (alldieweil seligen) FTD gerne mal als „Porno-König“ bezeichnet. Schließlich hat der Mann, der hinter Seiten wie youporn oder brazzers steht, das digitale Sex-Geschäft derart gut verstanden, dass er über die Jahre ein florierendes millionenschweres Imperium aufgebaut hat. Dieses Imperium ist durch ein – sagen wir mal so – komplexes Firmenkonstrukt gekennzeichnet. Nach Angabe der Welt existieren mehr als 35 Tochterunternehmen der „Manwin“ genannten Firma T.s, welche sich  Medienberichten zur Folge unter anderem in den Luxemburg, Belgien, Zypern, Kanada, USA und Deutschland befinden.

Dass ein Unternehmer bemüht ist, Steueroptimierungen vorzunehmen, ist moralisch vielleicht verwerflich, rechtlich jedoch nicht. Gerüchte, dass die Firma mit Schwarzgeld hantiere und Steuern hinterziehe wies T. gegenüber der FTD noch im Oktober diesen Jahres zurück: Zwar sei Manwin steueroptimiert aufgebaut, „aber das als Steuerhinterziehung zu deuten ist einfach nicht korrekt“.

Die Kölner Staatsanwaltschaft sah das allerdings offensichtlich ebenso anders wie der zuständige Richter, der Anfang Dezember einen Haftbefehl wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung erließ. (Für die Laien unter uns: Ein Haftbefehl wird nicht erlassen, wenn die Ermittlungsbehörden nur so ein bisschen glauben, da könnte unter Umständen vielleicht eine Straftat vorliegen, der Beschuldigte muss der Tat dringend verdächtig sein und ein Haftgrund wie bspw. Fluchtgefahr bestehen (vgl. § 112 StPO).

Der Fall – das Bild

Doch da dieser Blog weder dafür bekannt ist, dass er sich mit Fragen des Steuerrechts oder der Strafprozessordnung auseinandersetzt und das zuvor Erzählte ja auch schon fast kalter Kaffee ist (die Berichterstattung zur Verhaftung „läuft“ seit 10 Tagen), geht es hier weder um das eine noch das andere, sondern um dieses unschuldige Foto, dass ich in der zweiten Zeile erwähnte. Das Bild wurde bei der Branchen-Veranstaltung „Internext Expo“ gemacht. Es zeigt Fabian T. sitzend auf einer Bühne in Jeans und Sweater und wurde vom SPIEGEL zur Illustrierung des oben genannten Artikels, in dem auch von eben dieser Veranstaltung berichtet wurde, in der aktuellen Ausgabe genutzt.

Und doch flatterte der Rechtsabteilung des SPIEGEL ein freundliches Schreiben ins Haus. Darin heißt es:

„Die Veröffentlichung und Verbreitung dieser Aufnahme in Ihrem Magazin erfolgte ohne das entsprechende Einverständnis unseres Mandanten in eine solche kontextfremde Nutzung. Der Nutzung seines Bildnisses durch Ihr Haus im hier erfolgten Rahmen hat unser Mandant zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Der Nutzung seines Bildnisses durch Ihr Haus im hier erfolgten Rahmen hat unser Mandant zu keinem Zeitpunkt zugestimmt.“ 

Woher ich das weiß? Nun, die Rechtsabteilung des SPIEGEL hat dieses Schreiben zum Anlass für den SPIEGELBlog Artikel „MyDirtyRight“ genommen. Auf eine herrlich süffisante Art und Weise wundert sich darin die Rechtsabteilung in aller Öffentlichkeit über das Stück Papier.

Die Rechtslage

Denn davon abgesehen, dass nach Angabe des SPIEGEL die Pressesprecherin von T. wohl selbst noch auf den „coolen Auftritt“ von ihm bei der Internext Expo hingewiesen hat, erlaubt das Kunsturhebergesetz  – auf das die Gegenseite selbst hinweist – die Veröffentlichung von Bildnissen einer Person bei dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ohne Einwilligung. So zum Beispiel dann, wenn

a) die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft und
b) kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht.

Wird an dieser Stelle das gute alte Bauchgefühl  gefragt (Unter Juristen sagt man „Judiz“. Das klingt besser.), so drängt sich schon die Frage auf, was denn das Schreiben nun soll. Denn dass Fabian T. momentan als sogenannte „Person der Zeitgeschichte“ aufgrund der Ereignisse rund um seine Person zu sehen ist, kann wohl nicht von der Hand gewiesen werden (wenn es brennend im Einzelnen interessiert: Schricker/Loewenheim, § 60/§ 23 KUG, Rn. 21 mvwN). Ich wüsste jedenfalls kein Argument.

Der ein oder andere mag sich nun daran erinnern und wird einwenden wollen, dass man auch und gerade bei Beschuldigten im Hinblick auf die Unschuldsvermutung und eine mögliche „Prangerwirkung“ Vorsicht bei der Abbildung von Personen walten lassen muss und schon insoweit ein berechtigtes Interesse, nämlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des sogenannten Anonymitätsinteresses der Veröffentlichung entgegenstünde. Doch wie heißt es im 3. Leitsatz der berühmten Lebach-Rechtsprechung so schön:

Für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten verdient das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters.

Heißt: So lange ordentlich und nicht etwa reißerisch und sensationslüstern berichtet wird kann bei aktuellen Geschehnissen auch die Abbildung einer einer Straftat verdächtigen Person gerechtfertigt sein.

Bliebe die Frage, ob sonst noch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht?  Nun, das Foto ist weder der Intimsphäre zuzuordnen, noch steht es in einem falschen oder fehlendem Kontext. Wie gesagt, es ist ein Foto, dass den Mann bei der Arbeit zeigt – als Sprecher auf einer Konferenz im grauen Sweater. Und der Text, der berichtet eben über den Konzern, den Werdegang und ja, die Verhaftung von Herrn Fabian T..

„Hä?“

lautet dann auch die verständliche Reaktion der Rechtsabteilung des SPIEGEL auf das Schreiben von Tyllmanns Anwalt. Denn auch der wird § 23 KUG ganz sicher kennen.

Ein weiteres Detail ist noch erwähnenswert: Die Rechtsabteilung hat auch die Honorarforderung veröffentlicht. Den Nicht-Juristen unter meinen Lesern sei dazu gesagt, dass sich nach der Höhe des Gegenstandswertes die Höhe der Gebühren des Anwalts berechnet. Und einen Gegenstandswert von 100.000,00 EUR halte ich in der Sache für, mhm, etwas hoch gegriffen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Doch was sagen die Kollegen beim SPIEGEL abschließend zu der Sache:

Was das soll? Wir wissen es nicht (…) Unser gutes Recht, meinen wir. Aber das wird wohl weder in Luxemburg, Belgien noch Hamburg, sondern voraussichtlich vor Gericht in Köln entschieden.“

Ich bin gespannt und danke den Kollegen für den wirklich lesenswerten und kurzweiligen Artikel. Um ehrlich zu sein, das hätte ich der Rechtsabteilung dort nicht zugetraut. Das möge man mir verzeihen. Chapeau!

Die Welt verwendet übrigens ein ganz ähnliches Bild, wie das was hier in Rede steht, in ihrem Artikel „Youporn-Macher weist Steuerbetrugsvorwurf zurück„. Ob die auch schon Post bekommen haben? Oder mag seitens T. nicht mehr mit Springer gestritten werden, weil ein Prozess schon verloren wurde?

Ob die namentlich genannte Kanzlei von T. nun gegen die Veröffentlichung von Auszügen aus ihrem Schreiben gegen den SPIEGEL vorgehen und ob diese gar mich als Verfasser dieser Zeilen belangen könnte, das ist Stoff für mindestens einen weiteren Artikel.

In diesem Sinne,

auf bald!

Und falls Weihnachten dazwischen kommt: Ich wünsche ein frohes Fest im Kreis der Lieben!!

PS: Der vollständige Name von Fabian T. wurde gekürzt, da der Artikel vermutlich auch dann noch auffindbar sein wird, wenn das öffentliche Interesse an seiner Person möglicherweise nicht mehr in dem heutigen (rechtfertigenden) Ausmaße besteht.

Facebook muss Opt-Out für Verwendung von User-Daten für „Sponsered Stories“ implementieren – jedenfalls in den USA

Mit der (ungefragten ! ) Verwendung personenbezogener Daten durch Facebook für kommerzielle Zwecke im Rahmen der „Sponsered Stories“ hatte ich mich Ende letzten Jahres mit dem Artikel „Facebook: „Gesponserte Meldungen“ oder auch „Lieber Richard Allan,…!“ ausführlich befasst. Abgesehen von der rechtlichen Unzulässigkeit der zwangsweisen Verknüpfung der Daten durch Facebook aufgrund eines mangelnden Opt-Outs, stieß mir doch sehr übel auf, dass Facebook die User auch noch durch eine „vermeintliche“ Opt-Out-Möglichkeit kräftig verschaukelte und damit sämtliche eigenen Bekundungen zu mehr Transparenz ad absurdum führte.

Ganz offensichtlich fand diese Vorgehensweise nicht nur meinen Unmut. Und während die  Unkenrufe, wonach Deutschland aufgrund seiner Einstellungen und „Ängstlichkeiten“ in Bezug auf den Datenschutz und Persönlichkeitsrechte dem wirtschaftlichen Untergang geweiht sei, während in Amerika die Wirtschaft nur so prosperiere (*ähem..hust), nicht verstummen, ist es doch erneut „Amerika“, das dem Social-Network-Giganten empfindlich auf die Finger klopft.

Diesmal war es nicht die US Federal Trade Commission, die Facebook doch eine unangenehme „Beschwerde“ aufdrückte, welche zu einem für Facebook eher unangenehmen „Vergleich“ führte, sondern fünf US-Bürger, die sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sahen. Nach verschiedenen Berichten (u.a. techcrunch, Forbes, LA Times) sah sich Facebook zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens gezwungen einen Vergleich einzugehen, wonach für die Usern künftig die Möglichkeit geschaffen werden soll, auf eine einfache Art und Weise soziale Interaktionen und die Verbindung mit Sponsored Stories einzusehen sowie zu kontrollieren. Eine generelle Opt-Out-Möglichkeit soll aber damit wohl nicht geschaffen werden. Darüber hinaus ist Facebook wohl zu Zahlungen in Höhe von 20 Millionen Dollar verpflichtet worden (10 Mio an gemeinnützige Organisationen, 10 Mio an die klagenden Anwälte). Nach Berichten der Agentur Reuters wird der diesbezügliche Umsatzausfall von Facebook für die kommenden zwei Jahre von den Klägern auf 103,2 Millionen US-Dollar geschätzt.

Ich habe momentan aus bekannten Gründen leider nicht die Zeit, das 45 Seiten starke Dokument, das den Berichten zur Folge den Vergleich besiegeln soll, selbst komplett zu lesen und zu kommentieren, aber wer mag, kann das gerne hier tun.

Tja, wie dem auch sei. Ich freu mich. Es ist zwar nicht ersichtlich, dass Facebook morgen bei uns eine wahre Opt-Out-Möglichkeit implementiert, aber zumindest wird an dieser Stelle einmal auf doch recht teure Art und Weise klar, dass auch ein Facebook eben nicht mit den Persönlichkeitsrechten seiner User rumspielen darf, wie es eben lustig ist. Ich geben jedenfalls die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann alle User eine informationelle Selbstverantwortung auch tatsächlich ausüben können.

Und was sagte ich schon einmal: Aller Wege sind lang.

In diesem Sinne,

machen wir uns weiter auf!