Eine Entgegnung auf Professor Hoeren: „Unternehmen haben auf Facebook nichts zu suchen…

…; denn ihre Geschäftsinteressen beißen sich regelmäßig mit den Besonderheiten des Web 2.0 und den dort gängigen interaktiv-privaten Umgangswünschen.“

Diesen und andere denkwürdige Sätze durfte ich direkt nach meinem (fantastischen!) Urlaub aufgrund des Hinweises von den Kollegen Henning Krieg (@kriegsrecht) und Johann Zöttl (@Kartellblog) im Deutschen AnwaltSpiegel 12/2011 vom 15. Juni 2011 unter dem Titel „Facebook & Co. Risiken für Unternehmen und Privatnutzer“ von Prof. Dr. Thomas Hoeren lesen. Der Artikel beschäftigt sich auf zwei Seiten mit bekannten Problemen bei Facebook für deren Nutzer: Impressumspflicht, Gegendarstellungspflicht, Social Media Guidelines, Bildern und Personensuchmaschinen, den Personalern, die auf Facebook mitlesen, sowie den Datenschutzbedingungen von Facebook. Geschenkt, dass wohl aus Platzgründen die benannten rechtlichen und faktischen Probleme nur in aller Kürze angerissen wurden. Hierzu möchte ich auch gar nicht im Einzelnen erwidern.

Allerdings hat mich die im AnwaltSpiegel getroffenene harsche Conclusio doch derart bestürzt, dass mir beinahe die Urlaubsbräune aus dem Gesicht gefallen wäre, denn das Fazit des hochgeachteten Professors lautet:

„Der Rat des Juristen kann nur sein, Facebook zu meiden. Unternehmen haben dort nichts zu suchen; denn ihre Geschäftsinteressen beißen sich regelmäßig mit den Besonderheiten des Web2.0 und den dort gängigen interaktiv-privaten Umgangswünschen.“

Nggggg. Nee, genau. Und deswegen nutzen immer mehr Unternehmen, sowohl aus Gründen des klassischen Marketings als auch des Employer Brandings erfolgreich die gesamte Klaviatur des Web 2.0: Coporate-Sites, Blogs, Twitter und – Facebook. Unter diesen Firmen, die nach Hoeren mit ihren expliziten Social Media Teams vorgeblich ihren eigenen Geschäftsinteressen zuwider handeln, sind bl0ß solche wie die Deutsche Telekom, Bertelsmann, Tchibo oder die Deutsche Bahn. Selbst im B-2-B Bereich wird Facebook (mittelbar) erfolgreich eingesetzt, wie die Krones AG beweist. Die vorgenannten sowie etliche andere Unternehmen betreiben ihr Social Media Engagement sicher nicht, um schlicht mit der Mode zu gehen (hierfür stellt keine Geschäftsführung und kein Vorstand mehr Budget bereit), sondern weil Social Media ein nicht mehr wegzudenkender wichtiger Kommunikationskanal ist. Und hierzu gehört auch Facebook. Diese Unternehmen wollen den Kontakt mit den Kunden, den zukünftigen Arbeitnehmern. Und sie können Facebook nicht ignorieren. Facebook ist derzeit DAS soziale Netzwerk, in dem sich die Menschen bewegen (auch wenn es aktuell sehr gerne auf’s Totenbett geschrieben wird). Hier wird interagiert, eine Empfehlung abgegeben, sich informiert und kritisiert. Denn ebenso wie die Firmen wünschen sich potentielle Bewerber und Kunden die Möglichkeit der direkten Kommunikation und Information. Selbst wenn die Unternehmen also nicht richtig wollten, sie müssen sich dieser Kommunikationsform stellen. Schon Paul Watzlawick stellte fest, man kann nicht nicht kommunizieren. In Zeiten, in denen die reine Sender-Empfänger-Kommunikation vorbei ist, gilt dies erst recht! (Wer sich weiter inhaltlich mit der faktischen Thematik befassen will, dem sei unter anderem die Wollmilchsau, der Recrutainment-Blog, Saatkorn oder aber der PR-Blogger empfohlen.)

Sicher, Facebook ist rechtlich als äußerst schwierig einzuordnen. Auch ich habe mich schon in so einigen Artikeln hier in diesem Blog mit den zahlreichen Problem auseinandergesetzt. Und auch beginne ich Mandantengespräche und Vorträge in Bezug auf Facebook zumeist mit den Worten: „Aus rein rechtlicher Sicht müsste ich Ihnen schlicht raten, Facebook nicht zu benutzen.“ Doch was nützt dem Mandanten ein juristischer Rat, der für ihn persönlich keine fünf Pfennige wert ist, da er ihn faktisch kaum befolgen kann und auch nicht befolgen will? Denn nochmal: Die Unternehmen kommen derzeit an Facebook nicht vorbei und sie wollen auch in der Regel nicht daran vorbeikommen. Sie wollen Facebook für sich nutzen. Also bedarf es der Aufklärung. Nicht mehr und nicht weniger. Wie sehen die AGB von Facebook aus? Sind sie überhaupt gültig? Was passiert mit eingestellten Inhalten? Obliege ich der Impressumspflicht, wie fülle ich diese aus? Was ist mit den Datenschutzbestimmungen? Bin ich für Inhalte Dritter, die auf meiner Facebook-Seite veröffentlicht werden, verantwortlich? Wie sehen die Risiken aus? Was kann ich tun, um die Risiken für mein Unternehmen klein zu halten? (Nichts anderes gilt im Übrigen für private Nutzer, Augen auf beim Facebook-Gebrauch.)

Also, weder kann der juristische Rat eines Anwalts in sinnvollerweise lauten „Vergiss Facebook“, noch widersprechen sich Facebook als Kommunikationsplattform und die Geschäftsinteressen der Unternehmen. Anders hingegen die AGB und Datenschutzbestimmungen von Facebook; dies ist für die Unternehmen allerdings ein wichtiger Unterschied und nur sie selbst können nach einer entsprechend differenzierten Risikoaufklärung entscheiden, in welchem Umfang und auf welche Art und Weise sie Facebook sowie die anderen Web 2.0 Kanäle für sich nutzen wollen.

In aller Offenheit und bei allem Respekt: Hätte irgendjemand das obige Zitat erbracht, nach dem Facebook aus juristischer Sicht zu meiden sei und zu dem den Geschäftsinteressen von Unternehmen ohnehin widerspreche, hätte ich vermutlich mit den Achseln gezuckt und gedacht, wieder einmal jemand der es (noch) nicht besser einschätzen kann. Dass allerdings Prof. Dr. Hoeren, der renommierter Professor für Medien- und Informationsrecht an Universität Münster ist, sich daneben unter anderem als Mitherausgeber der Zeitschrift „Multimedia und Recht“ betätigt  sowie regelmäßig  das viel beachtete „Skriptum Internet-Recht“ kostenlos zum Download zur Verfügung stellt, eine solche der Wirklichkeit diametral entgegenstehenstehende und abolute Aussage trifft, finde ich – schade. Zum einen ist Prof. Hoeren schlicht ein vielbeachteter Rechtsexperte und schürt damit die Ängste so mancher Unternehmen, die auf eine offene Kommunikation insbesondere hinsichtlich des Personalmarketings dringend angewiesen wären, in unnötiger Weise. Zum anderen wirkt es leider so, als sei das Vorurteil des Elfenbeinturms, in dem sich Professoren bewegen, leider doch keines….

In diesem Sinne,

ich bin zurück aus dem Urlaub.