Zu „Datenschutz als Geschäftsmodell – der Fall Facebook“ von Dr. Thilo Weichert

Ach, was steht Dr. Weichert vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD) doch in der Kritik seit dem er vor über einem Jahr begann, Facebook öffentlichkeitswirksam auf’s Korn zu nehmen. Denn nach dem das ULD eine kritische datenschutzrechtliche Analyse zu Facebook vorgenommen hatte, kam es zu dem Schluss, dass Facebook-Seitenbetreiber gegen geltendes Recht verstoßen und deswegen gegen diese Bußgeldbescheide erlassen werden könnten. Der weitere Gang der Dinge ist bekannt und wurde auch hier im Blog wie beispielsweise hier, hier und hier noch einmal kommentiert.

Wirtschaftsfeindlichkeit“ ist eines der Schlagworte, die den „Datenschutzhysterikern“ mit nahezu reflexartigem Kawumms vor die Nase gesetzt werden, wenn es nur im entferntesten um das Aufzeigen von Datenschutz-Problemen im Zusammenhang mit den neusten Medien geht. Übersehen wird dabei gerne, dass selbst die angeblich so liberalen Amerikaner langsam von Facebooks Umgang mit dem Datenschutz genug haben und die FTC (Federal Trade Commission) Facebook ordentlich auf die Füße tritt bzw. Privatpersonen Klagen wegen der Verletzung der Persönlichkeitsrechte androhen. Ergo, so einfach ist es wohl nicht mit diesem verflixten Datenschutz.

Allerdings lässt sich innerhalb „der Netzgemeinde“ (die eine gibt es nicht, weiß ich) sich ein Einstellungswandel  hinsichtlich der Notwendigkeit von Datenschutz erkennen: So hinterfragte zum Beispiel die Journalistin Carolin Neumann jüngst in ihrem Artikel „Lieber bequem als sicher“ den eigenen laxen Umgang mit persönlichen Daten und SPON, vielmehr Konrad Lischka, erklärte ebenfalls bereits vor einem Jahr „Warum wir Datenschutz-Fundamentalisten brauchen„.

Auch ich hielt und halte eine Diskussion um Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte im digitalen Zeitalter für zwingend notwendig, damit nicht einzelne, wenige Konzerne die Deutungshoheit zur Frage von schützenswertem Gut er- und ausschließlich beibehalten.

Mit dem Volkszählungsurteil lernten die Deutschen, dass dem Staat nicht immer alles anvertraut werden muss. Nun gilt es zu lernen, dass auch die „Guten“ (Facebook, Google) nicht immer nur das Beste wollen. (Anm.: Ich persönlich finde es aufgrund der massiven Widersprüchlichkeit immer recht amüsant, wenn über Facebook gegen den bösen Staat und die Vorratsdatenspeicherung oder ACTA oder ähnliches aufgrund der zu befürchtenden Datenschutz-/Persönlichkeitsrechtsverletzungen agitiert wird…).

Es gilt eine sachliche Debatte um das Wesen und die Verhaltensweisen von Großkonzernen, die mit und von den digitalen Daten von Millionen (Milliarden!) Menschen leben zu leben und neu zu bestimmen, welche Daten in welchem Umfang Schutz genießen sollen und/oder vielleicht sogar müssen.

Die bestehende Auffassung von einigen Gerichten (KG Berlin, OLG München), dass Datenschutznormen keine Marktverhaltensregelungen im Sinne des UWG darstellen und der Verstoß dagegen deswegen von Mitbewerbern nicht angegriffen werden kann, mutet vor dem Hintergrund, dass eben heutzutage mit eben jenen (wie auch immer erlangten Daten) ein großes Geschäft gemacht wird (also derjenige, der den Datenschutz mit Füßen tritt im Zweifel einen Wettbewerbsvorteil erlangt), nahezu skurril an.

Und damit sind wir auch endlich wieder bei Herrn Dr. Weichert angekommen. Von ihm wurde nämlich gestern in der Zeitschrift Datenschutz und Datensicherheit 10/2012, S. 721 der Artikel „Datenschutz als Geschäftsmodell – der Fall Facebook“ veröffentlicht. Hierin setzt er sich ausführlich mit der Problematik von datenschutzwidrigen Geschäftsmodellen und dessen Folgen für die Gesellschaft („Ist der Code Gesetz?“) auseinander. Dabei wird mE deutlich, das der fortlaufende, nicht sanktionierte, Verstoß gegen Datenschutzregelungen weitreichende Konsequenzen haben kann – für uns alle und jeden einzelnen. Insoweit ist der Ruf nach der Einhaltung von Datenschutzregeln eben kein Aufruf zum Ruin der Wirtschaft.

Man muss nicht alle Schlussfolgerungen mitgehen. Aber dieser Artikel ist ein weiterer,  sachlicher und deswegen wichtiger Beitrag zu der Debatte darüber, wie wir im digitalen Zeitalter mit digitalen Gütern und Rechten umgehen wollen.

Im Übrigen ist der Artikel auch für datenschutzrechtliche Laien außerordentlich gut verständlich (glaube ich zumindest…;- )).

Deswegen ergeht hiermit nicht nur eine uneingeschränkte Leseempfehlung für den Artikel Datenschutz als Geschäftsmodell – der Fall Facebook, sondern gar die dringende Leseaufforderung!

In diesem Sinne,

auf eine (noch) breitere, sachliche, konstruktive Debatte zum Thema Datenschutz und Persönlichkeitsrechte im digitalen Zeitalter!