Paneldiskussion vom 16.11.2011: Datenschutz im Social Web – Fanpages und Likes ade?

Auch wenn es etwas gedauert hat, wie gewünscht und versprochen hier nun das Resümee von der Paneldiskussion „Datenschutz im Social Web – Fanpages und Likes ade?“, welche am 16. November in dem ZBW Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft in Hamburg geführt wurde. Teilnehmer waren Rechtsanwalt Stephan Dirks, Henry Krasemann vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), Silvia Canel, FDP Bundestagsabgeordnete und stellvertretendes Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, Marcus Schween, Geschäftsbereichsleiter Recht der IHK Schleswig-Holstein.

Gleichzeitig verspreche ich hiermit, dass es sich nach diesem Artikel mit dem Thema Facebook & Datenschutz auf diesem Blog erstmal hat. Auch wenn es mir eine ganz offensichtliche Herzensangelegenheit ist, dieses (komplexe) Thema seiner ganzen Konsequenz und Wichtigkeit dem einen oder anderen näher zu bringen, so sehe ich doch ein, wenn der ein oder andere denkt „Puhh, nun ist ja gut“.

Aber für die Interessierten nun noch einmal in media res:

Der kompletter Videomitschnitt der Diskussion ist hier zu sehen (1,5 Stunden).

Tja, wie von mir erwartet, gab es zunächst den üblichen Schlagabtausch oder sagen wir besser das „Krasemann-Bashing“. Der Moderator Klaus Tochtermann stellt zunächst die „Experten“ sowie die Problematik des „Like-It-Button“ (Jap, so die durchgehende Bezeichnung des Moderators…) vor. Als erstes wurde sodann der Kollege Dirks nach seiner Einschätzung befragt, der der Auffassung ist, dass die Rechtsvorlage nicht geklärt und die Wirtschaft verunsichert sei (Soweit nicht falsch…;-)). Krasemann durfte daraufhin die Postion des ULD erläutern, was er sehr verständlich und differenziert tat. Doch dann, dann ging es los. Die Evergreens der Schlagkeulen á la „Es muss an die Wirtschaft gedacht werden“, „Die Unternehmen sind verunsichert“ und „Wir brauchen eine einheitliche Rechtslage“ wurden ohne weitere Differenzierung zur komplexen Sachlage herausgeholt. Wie gesagt, ich will niemanden langweilen, jeder, der mag, kann sich die Diskussion in voller Länge selbst ansehen. Deswegen gibt es hier schlicht ein persönliches „best-of“ an Aussagen sortiert nach Experte nebst meiner jeweiligen Kommentierung (die Aussagen sind sinngemäß aus meinen Notizen heraus wiedergegeben). Und am Ende folgt eine kleine Abschlussbewertung:

RA Dirks: Es sei schon fraglich, ob ein FB-Fanpage-Betreiber überhaupt ein Telemediendienstbetreiber sei. Schon insoweit sei die rechtliche Einschätzung des ULD hinfällig.
SMR: Mhm. Und was ist mit dem Urteil des LG Aschaffenburg, das klar festhält, dass eine Facebook-Fanpage ein Telemediendienst ist, weswegen dem einzelnen Seitenbetreiber als Telemediendienstbetreiber eine Impressumspflicht obliegt? Insoweit existiert jedenfalls schon mal Rechtssprechung… folglich kann gerade an dieser Stelle wohl kaum von Rechtsunsicherheit gesprochen werden.

IHK: Wir sind der gegenteiligen Auffassung des ULD, deswegen greift die Argumentation des ULD ins Leere.
SMR: Aha. Hab ich jetzt nicht verstanden. Aber gut. Verständlich, dass die IHK gegenteiliger Auffassung ist (ist ja auch deren Job), bloß: Wie ist sie denn? Und warum greifen die Argumente ins Leere?

IHK: Ist doch ganz klar, was Facebook will, das kann doch jeder in den Datenschutz- bzw. Nutzungsbedingungen lesen und sich dann darauf einlassen – oder auch nicht.
SMR: Nun, meines Erachtens steht nirgendwo, was mit den Daten passiert und was Facebook will. Seit dem die Datenschutzverwendungsrichtlinien massiv verändert worden sind, weiß der geneigte User ansatzweise, was gemacht wird. Und doch behält sich Facebook gerne vor, den User einfach mal für ein bißchen doof zu erklären, wenn es gerade passt. Siehe gerne hier und hier. Und existiert eine Alternative zu Facebook?! Kann ich den Dienst einfach „nicht nutzen“? Meines Erachtens ist das zunehmend schwierig und kaum eine sachgerechte Lösung. Seinen eigenen vertretenen Unternehmen empfiehlt Herr Schween das Übrigens auch nicht – sonst könnten sie Facebook ja auch einfach lassen und müssten sich mit der Datenschutzproblematik nicht rumschlagen. Ach, ich vergaß, das hat ja wirtschaftliche Gründe. *Polemikaus.

IHK: Die nun von verschiedenen Seiten vorgeschlagene 2-Click-Lösung sei doch in sich schon redundant. Schließlich sei etwas rechtlich zulässig oder aber eben nicht, dann braucht es auch keine Einwilligung. Eine solche könne das Ganze dann doch auch nicht rechtmäßig machen.
SMR: An dieser Stelle war ich langsam wirklich erschrocken. Denn diese Aussage ist schlichtweg falsch. Es gibt unzählige Prozesse, die genau dann rechtmäßig sind, wenn gewisse rechtliche Vorgaben umgesetzt sind. Und natürlich kann ein rechtswidriger Prozess (Versenden von Werbe-Email zum Beispiel) dann rechtmäßig sein, wenn zuvor eine rechtliche Vorgabe (bei der Email-Werbung die zuvor eingeholte Einwilligung) eingehalten wird. Um es also mit Ebenezer Scrooge auszudrücken: Humbug!

IHK: Es könne nicht sein, dass zuerst „blaue Briefe“ vom ULD versendet werden, vielmehr müsse die Behörde den Dialog mit der IHK suchen.
SMR: Ich fragte mich an dieser Stelle, ob ich irgendwas verpasst habe. Seit wann ist es Aufgabe einer Behörde, bevor sie mit der Durchsetzung eines gültigen Gesetzes beginnt (was in der Regel originäre Aufgabe ist), zunächst einmal eine Diskussion mit Wirtschaftsverbänden zu führen?!

FDP: Es bedürfe einer europäischen, ja wenigsten einer bundesweiten einheitlichen Lösung. Die derzeitige rechtliche Sonderlage bzw. Insellösung in Schleswig-Holstein könne nicht sein.
SMR: Nochmal, das Telemediengesetz ist ein Bundesgesetz, dies bedeutet, dass es sich bereits um bundeseinheitliches Recht handelt. Die Ausführung obliegt – danke Föderalismus – jedoch verschiedenen Behörden in den Ländern. Und wie immer, wenn es sich um Ermessensentscheidungen handelt, fallen diese nicht gleich aus. Damit existiert das „Problem“ aber selbstverständlich auch in Hamburg und Niedersachsen und wird von den Behörden dort durchaus auch gesehen. (vgl. hier und hier) – auch die IHK liegt hier mit dem gleichen Argument also nicht richtig.

FDP: Weil Sie (gerichtet an Krasemann und damit das ULD) an den großen Facebook nicht herankommen, weil der auf Sie  nicht reagiert verhalten Sie sich ziemlich mies und greifen kleine Unternehmen in Schleswig-Holstein an und verunsichern diese.
SMR: Augenscheinlich ist der Vertreterin der FDP die Rechtslage nicht klar. Facebook kann nach derzeitigem Stand der Dinge von deutschen Datenschutzbehörden nicht angegriffen werden. Also wird versucht, Druck über die Seiten aufzubauen. Dass über diese Art und Weise gestritten werden kann, ist mehr als verständlich und richtig. Aber was ist die Alternative? Die Datenschutzverletzungen hinzunehmen? Das geltende Recht nicht zu beachten? Obwohl dessen Durchsetzung Aufgabe der Behörde ist?

FDP: Ja, auch wir wollen, dass es die Möglichkeit gibt, dass Daten gelöscht werden. Es herrscht zugegebenermaßen diesbezüglich Rechtsunsicherheit. Vielleicht brauchen wir hier dann doch neue Gesetze.
SMR: Äh, nein. Genau dafür gibt es schon Gesetze. Schimpft sich Löschungsanspruch. Und da herrscht gar keine Rechtsunsicherheit. Unsicher ist hingegen inwieweit Facebook eine Löschung an Daten wirklich vornimmt (vgl. der Fall des Wiener Jura-Studenten Max Schrems). Augenscheinlich ist auch in diesem Fall der Expertin die Sachlage nicht geläufig.

FDP: Wir haben ja die Enquete-Kommission und da gehen wir weitere kleine Schritte. Und das dauert eben. Und wenn wir da feststellen, dass wir Gesetze brauchen, dann machen wir welche. Im Übrigen kann ich Ihnen nur empfehlen, sich in die Politik einzubringen und nicht immer außen vorzustehen und zu meckern. Machen Sie mit! …
SMR: „Du redest laut, doch Du sagst gar nichts…“ (Zitat: Fanta4) – Großartig. Erst massiv den Eindruck erwecken, in der Sache wenig Fachwissen mitzubringen, obwohl man doch ausgewiesene Expertin zum Internet & Datenschutz und deswegen (stellvertretender) Teil der Enquete-Kommission ist, um dann immer wieder (das war leider nicht das einzige Mal) in schönstes, nichtssagendes Politikersprech abzugleiten. Toll (im Sinne von Extra3).

Und der Gesamteindruck?

Ein großes Lob an dieser Stelle zunächst an Henry Krasemann, der trotz all dieser – mhm, meines Erachtens wenig sachgerechten oder sagen wir zumindest einmal wenig differenzierenden – Argumente sehr ruhig blieb und immer wieder versuchte, die Diskussion weg von der (vermeintlichen) Populär-Diskussion hin zur Sache zu bringen. Wer mich kennt, der weiß, dass mir das bei weitem nicht so gut gelungen wäre. 😉 Ich konnte mich, ob der auf dem Podium stattfindenden Diskussion, kaum zurückhalten, bis sich endlich das Publikum auch mal zu Wort melden durfte. Meine Wortbeiträge gibt es ungefähr bei Minute 50 und bei 1:02 Stunden…

Verständlich dem Grunde nach die Position der IHK, die sich vor ihre Mitglieder stellt, auch wenn die Argumentation – wie dargelegt – meines Erachtens an keiner Stelle überzeugend und in der Sache hilfreich war.

Gänzlich unverständlich hingegen die dargebotene „Position“ der FDP oder jedenfalls die, die die Vertreterin der FDP hier zeigte. Zum einen drehte sich die Auffassung von Frau Canel gefühlt während der Diskussion um 180 Grad, nämlich von Contra-Datenschutz zu Gunsten der freien Wirtschaft hin zu Pro-Datenschutz zu Gunsten der Wirtschaft (nicht nur mein persönlicher Eindruck, wie Gespräche im Nachgang ergaben) – wohl weil aus dem Publikum zunehmend auch anderer Wind wehte. Zum anderen zeigte sich leider in der Person von Frau Canel, warum die Enquete-Kommission grundsätzlich von vielen Seiten kritisiert wird (Ein zwar etwas älterer, aber sehr schöner und mE entlarvender Artikel vom Kollegen Henning Krieg), denn auch bei diesem stellvertretenden Mitglied der Enquete-Kommission zeigte sich – zumindest in dieser Diskussion – ein gehöriger Mangel an Fachwissen. Vorzuwerfen ist das einer Lehrerin für Biologie und Deutsch sicher nicht. Fraglich aber, warum jemand mit diesem Background als Expertin für das Internet und den Datenschutz auftritt?! Mit Verlaub und allem Respekt, aber soviel Kritik muss erlaubt sein.

Doch bei aller mit diesem Artikel im Speziellen (und hier im Allgemeinen) vorgebrachten Kritik an der Schwarz-Weiß-Diskussion um  den Datenschutz bei Facebook, sorgten am 16.11.2011 die verschiedenen Wortbeiträge aus dem Publikum letztlich für eine insgesamt ganz runde Sache – auch wenn ich das Gefühl hatte, dass diese „Abweichung vom Plansoll“ dem Moderator Tochtermann nicht ganz recht war… 😉

Das Fazit lautet insgesamt:

Schön, dass es solche öffentlichen Diskussionen überhaupt gibt!

In diesem Sinne

ein großer Dank an die ZBW!

Sidenote:

Vielen Dank auch noch mal ganz persönlich an die Kollegen Stephan Dirks und Henry Krasemann, die im wahren Leben neben dem Podium freundschaftlich verbunden sind (s. auch das gemeine Projekt Jurafunk) und die ich endlich einmal „richtig“, sprich von Angesicht zu Angesicht kennen lernen durfte! Vielen Dank für die nette Diskussion und den gemeinsamen Spaziergang zum Bahnhof! Ich hoffe, ihr hattet eine gute Rückreise! 🙂