SEO und SEM – wichtige Entscheidungen des EuGH und BGH

Schon im Frühjahr dieses Jahres ergingen drei Entscheidung in Bezug auf das SEO bzw. das SEM durch den BGH und den EuGH . Ich halte diese Entscheidungen jedoch für so wichtig, dass diese bzw. die daraus zu ziehenden Konsequenzen, auf diesem Blog nicht fehlen sollten:

  1. Benutze keine fremden Markennamen bei der Search-Engine-Optimierung in auslesbaren Zeilen auf der Website! (BGH)
  2. Beziehe aber durchaus fremde Markennamen in die Keywords bei Google Adwords ein! (EuGH)

Im Einzelnen:

I. SEO – Die „POWER BALL“-Entscheidung des BGH (Az.: I ZR 51/08, Urteil vom 04.02.2010)

Im vorliegenden Fall ist der Kläger Inhaber der Wortmarke „POWER BALL“. Unter diesem Namen vertreibt der Kläger ein Sportgerät zur Stärkung der Hand- und Unterarmmuskulatur. Die Beklagte vertreibt ebenfalls ein solches Sportgerät unter dem Namen „RotaDyn Fitnessball“.  Die Beklagte hatte zum einen auf Ihrem Online-Shop eine interne Suchmaschine installiert, die bei Eingabe des Wortes „Powerball“, gleich in welcher Schreibvariante, sämtliche Ergebnisse zu Power UND Ball lieferte. Darunter, direkt im sichtbaren Bereich an dritter Stelle, war der „RotaDyn Fitnessball“ zu sehen. Zum anderen verwendete die Beklagte die Begriffe „power ball“ und „powerball“ auf der Produktseite des „RotaDyn Fitnessball“ oberhalb der eigentlichen Produktbeschreibungen. (Wem eine Ansicht besser gefällt: Das Urteil des BGH enthält Screen-Shots der Seiten). Diese Zeilen wurden von Suchmaschinen wie Google ausgelesen. Der Online-Shop der Beklagten erreichte dadurch eine Platzierung mit dem „RotaDyn Fitnessball“ an zweiter Stelle der Suchergebnisse – hinter der Seite des des original „POWER BALL“-Anbieters.

Der Kläger sah seine Markenrechte (§ 14 Abs. 2 S. 2 und Abs. 5 MarkenG) durch diese Handlungen verletzt und begehrte demgemäß Unterlassung vom Beklagten. Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Bezeichnung „Power Ball“ auf ihren Internetseiten, insbesondere www.pearl.de, auf dem ein Trainingsgerät zurKräftigung der Finger-, Hand- und Armmuskulatur angeboten wird, zu verwenden.

Dieser Klagantrag umfasste nach Auffassung der Gerichts zwei verschiedene Handlungen. Zum einen werde eine markenmäßige Benutzung der Zeichen dahingehend beanstandet, als sich nach Eingabe der Bezeichnung „Power Ball“ in der internen Suchmaschine nach Anklicken eines dann erscheinenden Links für den RotaDyn Fitness Ball eine weitere Seite öffnete, in deren Kopfzeile sich die Bezeichnungen „Powerball“ und „power ball“ fanden. Zum anderen, dass nach Eingabe des Begriffs „Powerball“ bei externen Suchmachschinen der Online-Shop des Beklagten mit den Wörtern „Powerball“ und „Power Ball“ in den Snippets erschien, aber bei Anklicken des Links eine direkte Weiterleitung zu dem RotaDyn Ball erfolgte.

Der geneigte SEO/SEM-Praktiker wird jezt sagen „Aber das ist doch bloß die Kehrseite der Medaille. Natürlich tauchen die Begriffe der Website dann eben auf dem Snippet auf. Das ist doch unter anderem Sinn und Zweck der Angelegenheit.“ Das ist tatsächlich richtig. Tatsächlich wird auch mit dem Unterlassen der Platzierung der Wörter „Power Ball“ und „powerball“ in den auslesbaren Zeilen automatisch auch in absehbarer Zeit die externe Suchmaschine darunter nicht mehr den Online-Shop des Beklagten platzieren können.

ABER der BGH führt im oben zitierten Urteil dazu aus: „Für eine markenmäßige Verwendung reicht es, dass ein als Suchwort verwendetes Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer zu der Internetseite des Verwenders zu führen“. (s.a. BGH, Urt. v. 7.10.2009 – I ZR 109/06) Das heißt, juristisch betrachtet, existiert einmal eine (unzulässige) markenmäßige Benutzung nur dadurch, dass das Produkt auf der Website des Online-Shops mit fremden Markennamen „bestückt“ wird (gleich ob die Zeile auch auslesbar ist oder nicht). Und einmal eine (unzulässige) markenmäßige Benutzung dadurch, dass diese das Auswahlergebnis der Trefferliste beeinflusst.

Interessant  ist dabei weiter, dass der BGH die Beklagte hinsichtlich der Platzierung bei Google und hinsichtlich der Platzierung der Markennamen in der Kopfzeile auch als Täter und nicht nur als sogenannter Störer qualifiziert hat, obwohl diejenigen Begriffe, die in der Kopfzeile des Online-Shops erschienen (und sodann über die Google-Bots ausgelesen wurden), über einen Algorythmus eingefügt wurden: Dort standen nämlich die Begriffe, mit denen auf der internen Suche das entsprechende Produkt am häufigsten gesucht wurde – also die Begriffe de facto von den Nutzern herrührten. Dazu führt der BGH aus (Unterstreichungungen durch den Social Media Recht Blog vorgenommen):

„Der Umstand, dass die Beklagte die Ergebnisse des Suchvorgangs ihrer internen Suchmaschine in einem automatisierten Verfahren in die Kopfzeile ihrer Internetseite einstellen lässt, entlastet sie jedoch nicht. Sie kann sich einer Haftung für den beanstandeten Treffer bei Google nicht dadurch entziehen, dass sie diesen zwar durch Anführung der Begriffe „Powerball“ und „power ball“ in der Kopfzeile ihrer Internetseite veranlasst, die Aufzählung dort aber unkontrolliert durch eine Maschine vornehmen lässt. Anders als in den Fällen, in denen Dritte in einem automatisierten Verfahren die Einstellung auf einer Internetplattform vornehmen und in denen den Dienstanbieter nur eine Haftung für fremde Informationen trifft (§§ 9, 11 TDG 2001; §§ 8, 10 TMG), ist die Beklagte vorliegend für die Bereithaltung der Suchwörter uneingeschränkt verantwortlich, weil es sich um eigene Informationen handelt (§ 8 Abs. 1 TDG 2001; § 7 Abs. 1 TMG).“

Das bedeutet vor allem, dass auch derjenige, der sich fremde Markennamen mit solch einem Spiel „über Bande“ zu nutze macht, als Täter nicht nur auf Unterlassung und Erstattung von Rechtsverfolgungskosten haftet (wie der Störer), sondern darüber hinaus auch auf Schadensersatz haften kann! Selbstverständliche haftet derjenige, der bspw. direkt fremde Markennamen in seinen Quellcode eingibt als Täter auf Schadensersatz – wenn und soweit ein solcher nachweisbar ist. Das kann je nach Einzelfall durchaus teuer werden. Aber selbst wenn Schadensersatz nicht gefordert wird, ist schon eine Abmahnung durch den Markeninhaber, bei der Anwaltsgebühren in Höhe mehreren hundert bis mehreren tausend Euro (abhängig vom Streitwert) zu begleichen sind, mehr als ärgerlich – und vor allem vermeidbar.

2. Google-Adwords die Entscheidungen des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C?236/08 bis C?238/08 vom 23.März 2010 und C 91/09 vom 26.März 2010

Aus Frankreich wurden dem EuGH drei Verfahren mit Fragen in Bezug zur markenrechtlichen Problematik  bei Google Adwords vorgelegt (C-236/08 – C-238/08). Die jeweiligen Markeninhaber sahen ihre Markenrechte insoweit verletzt, als ein Konkurrent eben den Markennamen des Inhabers als Keyword für seine Adwords-Anzeigen buchte (Plastisches Beispiel: BMW bucht für seine Anzeigen das Keyword „Audi“). In diesen französischen Fällen ging dabei der Markeninhaber direkt gegen Google vor, während in den deutschen Fällen  die Markeninhaber direkt gegen den Konkurrenten klagten (BGH, Az: I ZR 125/07; BGH Az: I ZR 139/07; BGH, Az.: I ZR 30/07, alle Entscheidungen vom 22.01.2009).

Trotz dieser unterschiedlichen Konstellation ist das EuGH-Urteil für den deutschen Rechtsraum und auch für die Kläger-Beklagten-Konstellation in Deutschland sehr bedeutend. Zum einen ging es um die Auslegung der europäischen Markenrichtlinie, die in weiten Teilen  mit dem deutschen Markenrecht übereinstimmt und die natürlich in der Auslegung des deutschen Markenrechts eine Rolle spielt. Zum anderen legte der BGH (Az.: I ZR 125/07) ebenso die Sache zur Vorabentscheidung dem EuGH vor. Der darauf ergangene Beschluss C 91/09 vom 26. März 2010 ist jedoch denkbar knapp und verweist inhaltlich mehr oder weniger schlicht auf das Urteil vom 23. März 2010. Deswegen soll auch letzteres hier im Folgenden näher erläutert werden:

Verkürzt dargestellt hatte sich der EuGH also mit der Frage zu befassen, ob das Buchen eines Markennamens eines Konkurrenten als Keyword bei den eigenen Adwords-Anzeigen eine unzulässige markenmäßige Benutzung darstellt, die den Markeninhaber in seinen Rechten verletzt und im Falle der französischen Vorlage um die Frage, ob Google für eine solche Markenverletzung haftbar gemacht werden kann.

Grundsätzlich müssen zur Bejahung einer Markenverletzung vier Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Die Benutzung der Marke muss ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgen,
  2. im geschäftlichen Verkehr erfolgen
  3. für Waren und Dienstleistungen erfolgen, die mit denjenigen, die von der Marke geschützt sind, identisch oder ähnlich sind und
  4. die Hauptfunktion der Marke beeinträchtigen (Herkunft der Waren oder Dienstleistungen deutlich zu machen).

Der EuGH klärte unmissverständlich, dass eine Benutzung der Marke durch Google nicht gegeben sei:

„Auch wenn sich aus diesen Gesichtspunkten ergibt, dass der Anbieter des Referenzierungsdienstes „im Geschäftsverkehr“ handelt, wenn er die Werbenden mit Marken identische Zeichen als Schlüsselwörter aussuchen lässt, diese Zeichen speichert und anhand dieser Zeichen die Werbeanzeigen seiner Kunden einblendet, folgt daraus jedoch noch nicht, dass dieser Anbieter diese Zeichen selbst „benutzt“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 der Verordnung Nr. 40/94. […] Diese Schlussfolgerung kann nicht durch den Umstand entkräftet werden, dass dieser Erbringer für die Benutzung der genannten Zeichen durch seine Kunden eine Vergütung erhält. Die technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens zu schaffen und sich diese Dienstleistung vergüten zu lassen, bedeutet nicht, dass deren Erbringer dieses Zeichen selbst benutzt.“  (Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C?236/08 bis C?238/08 vom 23.März 2010, Rdnr. 55 und 57).

Der EuGH prüfte jedoch weiter, ob eine unzulässige markenmäßige Benutzung durch das Buchen von Markennamen andere Inhaber bei Google Adwords durch den Werbenden vorlag. Die europäische Markenrichtlinie zählt einige unzulässige Benutzungformen auf, darunter in Art. 5 Abs. 3 die Verwendung von geschützten Markenzeichen in der Werbung. Obwohl die Markenamen des Konkurrenten naturgemäß nicht in den Werbeanzeigen auftauchten, stellte der EuGH in Rdnr. 65 ff. des Urteils klar, dass  hiervon auch die Verwendung der Marke bei der Buchung von Keywords erfasst sei.

Jedoch sah der EuGH durch das Buchen von fremden Markennamen als Keyword für die eigenen Adwords-Anzeige die Funktion der Marke nicht zwingend beeinträchtigt:

„Die herkunftshinweisende Funktion der Marke ist beeinträchtigt, wenn aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen.“ (Urteil des EuGH in den verbundenen Rechtssachen C?236/08 bis C?238/08 vom 23.März 2010, Rdnr. 84).

Allerding führt das Gericht in Rdnr. 84 dann weiter aus, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, im Einzelfall zu würdigen, ob nach dem Sachverhalt des bei ihm anhängigen Rechtsstreits eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion (wie eben beschrieben) vorliegt oder vorliegen könnte.

Das heißt: Grundsätzlich stellt das Buchen von Markennamen der Konkurrenz als Keywords für die eigenen Adwords-Anzeigen keine unzulässige markenmäßige Benutzung dar, da es in der Regel an der sogenannten Funktionsbeeinträchtigung der Marke fehlt. Die Anzeige des Konkurrenten der eigentlich Marke darf nur nicht suggerieren im Zusammenhang mit der Marke zu stehen. Für den deutschen Raum bedeutet dies weiter, dass der EuGH mit seinen Entscheidungen  die Auffassung des BGH zu der markenmäßigen Benutzung von Keywords bei Google-Adwords  (BGH Az: I ZR 139/07; BGH, Az.: I ZR 30/07) dem Grunde nach bestätigt hat.