Archiv der Kategorie: Domainrecht

Die Verträge (in) der Medien- und IT-Branche – Teil 2: Vom agilen Projektvertrag, Software-Entwicklungsvertrag, SaaS-Vertrag, Internet-Systemvertrag und vielen mehr

Im ersten Teil haben wir uns mit den Grundlagen der Vertragsgestaltung befasst und verdeutlicht, warum der Abschluss „vernünftig“ ausgearbeiteter Verträge auch und gerade im IT- und Medienbereich – egal ob bei kleinen oder großen Projekten – sehr empfehlenswert ist. In diesem Teil stellen wir nun exemplarisch einige Vertragsformen vor, die durchs Medien- und IT-Universum geistern. Alle dieses Verträge regeln „moderne“ Sachverhalte. Trotzdem finden auch hier die guten (nun ja…) jedenfalls „alten“ Regelungen des BGB Anwendung. Und da es nun einmal keinen Software-as-a-Service-Entwicklungsvertrag im BGB gibt, müssen wir uns einmal ansehen, welche Regelungen des BGB hier einschlägig sein könnten bzw. als was und wie diese Verträge in der Praxis einsortiert werden und/oder ob sich nicht aus der Praxis „Verträge eigener Art“ entwickelt haben.

Ob das nicht unwichtig ist? – Nein, das können wir vorweg nehmen. Unwichtig ist es keinesfalls um was für einen Vertragstyp es sich handelt, denn es ergeben sich ganz unterschiedliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, je nach dem welcher Vertragstyp vorliegt. Dazu haben wir schon eine Menge in Teil 1 geschrieben, aber hier zur Erinnerung noch ein einfaches Beispiel: Miete ich einen Server, muss ich diesen nach Ende der Mietzeit zurückgeben und für die vereinbarte Zeit die Miete zahlen. Kaufe ich den Server, zahle ich den Kaufpreis und kann mit dem Server machen was ich will. Miete und Kauf bieten gänzlich andere Voraussetzungen, Pflichten und Rechtsfolgen auf. Von daher sollte man

  1. wissen, ob es sich bei dem Projekt um ein Rechtsgeschäft handelt, dass einem der Vertragstypen des BGB entspricht – denn nur dann weiß ich, welche Rechte etwa bei Mängeln mir oder der Gegenseite zustehen und/oder ob ich mir nicht vertraglich günstigere Regelungen einräumen lassen möchte.
  2. erkennen können, ob es sich um ein Rechtsgeschäft handelt, bei dem sehr viele Vertragsarten eine Rolle spielen und schon deswegen geraten ist, sich näher mit einer Konkretisierung zu befassen, was eigentlich wer wem wie schuldet.

Doch fangen wir einmal ganz von vorne an. Nämlich dabei, wie so ein „Projekt“ tatsächlich oft beginnt.

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Von der Idee über die Entwicklung bis zur Vermarktung einer App – Wo liegen die rechtlichen Hürden? (Part 1)

Smartphone, iPad und Co. sollen es uns möglich machen, unser tägliches Leben bequem und umfassend zu regeln und zu gestalten, sei es um zu kommunizieren, um Taxi- und Zugfahrten zu buchen, um Essen zu bestellen, um sich die Zeit mit Spielen zu vertreiben, um Musik zu hören, Videos zu schauen oder Zeitung zu lesen, um ein Fitness-Programm durchzuführen, abzunehmen, um den neuen Partner fürs Leben zu finden oder schlicht den schnellsten Weg zur Arbeit.

Dementsprechend gibt es bereits rund 3 Millionen „mobile Apps“ (Application Software), die derzeit im Apple Store, bei Google Play und anderen Plattformen für den Nutzer zur Installation bereit stehen. Laut Statista wurde im Jahr 2014 mit mobilen Apps ein Umsatz von über 34 Milliarden US-Dollar weltweit erzielt. Und man muss kein Hellseher sein, um einen weiteren, rasanten Anstieg dieser Zahlen zu prophezeien.

Auf diesen Zug wollen verständlicherweise alle, vom Großkonzern bis zum WG-Zimmer-Startup, aufspringen.

Was von der Idee für eine App bis in die Zielgerade aus rechtlicher Sicht Beachtung finden sollte, sei nachfolgend einmal dargestellt. Dieser Beitrag erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er soll vielmehr davor bewahren, erst wild mit einer App-Entwicklung loszulegen und nachher vor einem (rechtlichen) Chaos zu stehen, das im Nachhinein im Zweifel nicht mehr so einfach geordnet werden kann.

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Domainrecht – Von den rechtlichen Fallstricken bei der Auswahl der eigenen Domain

Ende letzten Jahres befassten wir uns hier im Blog mit der Werbung mit irreführenden Bezeichnungen und Selbstverständlichkeiten sowie deren wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen. Doch nicht nur irreführende Bezeichnungen können unter Umständen nach dem UWG unzulässig sein, sondern auch die Internetadresse. Dieser Zusammenhang führt uns im ersten Blogartikel des neuen Jahres zum Domainrecht, das neben dem Wettbewerbsrecht auch das Marken- und Namensrecht berührt. (An dieser Stelle noch allen Lesern: Frohes Neues!)

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Von Werbung mit irreführenden Bezeichnungen, mit Selbstverständlichkeiten sowie Alleinstellungsmerkmalen und deren wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen

Aufgehängt an einem recht aktuellen Urteil (bei dem ersichtlich wird, dass sogar Anwälte gar keine Halbgötter in schwarz sind…*ähem *räusper) gibt es heute mal ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Thema Internet, Werbung und Wettbewerbsrecht.

Internetauftritte nebst dazugehöriger Werbung sind seit Jahren ein wichtiges Marketing-Instrument von Unternehmen und Selbstständigen. Inzwischen zeigen die meisten Unternehmer auch bei der Wahl von Firmennamen und Domain nicht nur das nötige Fingerspitzengefühl in Bezug auf die freie Verfügbarkeit, sondern auch hinsichtlich möglicher Konflikte mit dem Kennzeichnungsrecht. Relativ wenig Beachtung findet dem gegenüber, dass auch die schnell ins Web gesetzten Werbeslogans und sonstigen werblichen Aussagen im Konflikt zum Wettbewerbsrecht, allen voran im Konflikt zum Verbot der irreführenden Werbung nach § 5 UWG, stehen können.

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Es gibt keinen wilden Westen im Internet. Oder: Vom Affiliate-Marketing und Wettbewerbsrecht

Wir versuchen an dieser Stelle ja schon ein wenig länger, die geneigte Leserschaft zu überzeugen, dass dieses Internet kein „no man’s land“ des Rechts ist und dass der (zu) laxe Umgang mit dieser Materie durchaus unangenehme Folgen haben kann.

Der ein oder andere dem Internet durchaus beruflich zugeneigte Mensch (setze wahlweise ein: Agenturchef, alteingesessener Unternehmer, Start-Up-Evangelist, Social Media Manager, Recruiter 2.0) will das aber nicht so richtig akzeptieren. Es gilt weiter die Devise: Wir machen jetzt mal! Da passiert schon nichts.

Dabei läuft die digitale Wirklichkeit längst in schönster Regelmäßigkeit zu Gericht.

Davon zeugen unter anderem die Entscheidungen des OLG Hamburg (mangelnde Datenschutzerklärungen sind wettbewerbswidrig und mit Abmahnungen angreifbar), des LG Freiburg (Unternehmen können für „private“ Mitarbeiter-Postings unter Umständen haften), des LG Kiel ((k)e Anspruch auf Löschung schlechter Bewertungen) oder des LAG Berlin-Brandenburg (darf ein Unternehmen in die Emails seiner Mitarbeiter im Krankheitsfall Einsicht nehmen).

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EuGH zu: „Ist die Registrierung und Nutzung einer Domain Werbung?“ und „Ist die Nutzung von Metatags Werbung?“

Ist das nicht schon lang entschieden? Hab ich dazu nicht schon was gelesen? So mag sich der ein oder andere jedenfalls hinsichtlich der letzten Frage wundern. Die Antwort lautet Jein.

Zwar entschied der Bundesgerichtshof (BGH) schon im Februar 2010, dass die Verwendung von fremden Markennamen als Metatags in den Metadaten einer Website eine unzulässige markenmäßige Verwendung darstellt. Und auch befasste sich daneben der EuGH im März 2010 mit der Frage, ob das Buchen eines Markennamens eines Konkurrenten als Keyword für die eigenen Adwords-Anzeigen eine unzulässige markenmäßige Benutzung darstellt. (Hier lautet die Antwort: Es kommt darauf an, grundsätzlich verboten ist es nicht. Wer mag, kann im Artikel „SEO und SEM – wichtige Entscheidungen des EuGH und BGH“ noch einmal nachlesen, worauf es jeweils genau ankommt.)

Doch das heißt eben, dass bislang „nur“ der BGH zur Frage der Nutzung von fremden Markennamen als Metatags  Stellung bezogen hat, nicht aber der EuGH.  Darüber hinaus haben die nun dem EuGH vorgelegten Fragen rechtlich eine noch andere Stoßrichtung. Sie lauten:

Unterfallen

  1. die Registrierung eines Domain-Namens und
  2. die Nutzung eines Domain-Namens sowie
  3. die Nutzung von Metatags in den Metadaten einer Website

dem Begriff der Werbung?

Aber worum geht es denn eigentlich? – Der Sachverhalt.

Der Entscheidung des EuGH vom 11. Juli 2013 (Az. C-657/11) liegt folgender Sachverhalt zu Grunde (Ich erwarte ob dieser Formulierung von allen Kollegen ein Schmunzeln in den Mundwinkeln. Jetzt.):

Sowohl das Unternehmen BEST NV als auch Visys NV entwickeln, produzieren und verkaufen mit Lasersystemen ausgestattete Sortiermaschinen und -systeme. BEST NV wurde 1996 gegründet und meldete April 2008 eine BeNeLux-Bildmarke BEST an. Die 2004 gegründete Visys registrierte im Januar 2007 den Domain-Namen „www.bestlasersorter.com“ und fütterte die Website mit den selben Inhalten wie sie auf der gängigen Firmen-Domain zu finden waren. Daneben verwendete Visys für die Website die Metatags „Helius sorter, LS9000, Genius sorter, Best+Helius, Best+Genius, … Best nv“. Es kam, wie es aus Sicht von Visys NV kommen sollte: Google spuckte die Website bestlasersorter.com als zweites Ergebnis nach der Website von BEST NV aus, wenn nach „Best Laser Sorter“ gesucht wird.

Das fand die BEST NV nicht gut. Die BEST NV sah die ihre Marke und den Handelsnamen verletzt und Verstöße gegen die Vorschriften zu irreführender und vergleichender Werbung sowie die Vorschriften über die unrechtmäßige Eintragung von Domain-Namen verletzt. Folglich erhob die BEST gegenüber Visys Klage auf Unterlassung. Das Verfahren ging seinen Weg durch die belgischen Instanzen und der „Hof von Cassatie“ (klingt irgendwie viel besser als so ein schnöder „Bundesgerichtshof“) beschloss letztlich das Verfahren auszusetzen und die oben aufgeführten und in dem Verfahren noch offenen Fragen dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.

Die Entscheidung des EuGH

Zunächst einmal befasst sich der EuGH lang und breit damit, was alles nach den EU-Richtlinien und der Auslegungspraxis unter den Begriff Werbung fällt. Nun ja, wir merken uns einfach mal das Folgende zu dem Unterbegriff „Kommerzielle Kommunikation“ (Art. 2 f, EU RiLi 2000/31):

„Kommerzielle Kommunikation“ sind alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt.

Und dann geht es beim EuGH auch ganz zackig:

1. Registrierung von Domain-Namen = Werbung? (-)

Nö, sagt der EuGH. Die Registrierung von Domain-Namen ist ein rein formaler Akt und er sagt vor allem nichts darüber aus, ob diese Domain zu einem späteren Zeitpunkt überhaupt und wenn ja, auch dafür genutzt wird, den Absatz von Waren oder Dienstleistungen zu fördern.

Natürlich hat der EuGH nicht verkannt, dass die Eintragung eines Domain-Namens logischerweise zur Folge hat, dass ein Mitbewerber diesen Domain-Namen nicht mehr für sich selbst eintragen nutzen kann. Doch wie formulierte der EuGH so schön an dieser Stelle:

Gleichwohl ist die Eintragung eines solchen Domain-Namens selbst keine Werbemitteilung, sondern stellt allenfalls eine Beschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten dieses Mitbewerbers dar, die gegebenenfalls durch andere gesetzliche Bestimmungen geahndet werden kann.

Sprich: Kannst Du aus anderem Recht wie dem Markenrecht oder Namensrecht gegen das Domain-Grabbing vorgehen, dann tu das. Ansonsten halt die Füße still, mit dem Argument der (irreführenden) Werbung wirst Du hier nichts.

2. Die Nutzung von Domain-Namen = Werbung (+)

Wie dargestellt, nutzte Visys die Domain bestlasersorter.com, um darunter ihre eigenen Inhalte zu spiegel. Dazu führte der EuGH aus:

Eine solche Nutzung erfolgt offensichtlich mit dem Ziel, den Absatz der Waren oder die Erbringung der Dienstleistungen des Inhabers des Domain-Namens zu fördern.

Und das

…durch die Nutzung eines sorgfältig ausgewählten Domain-Namens, der möglichst viele Internetnutzer dazu bewegen soll, diese Website zu besuchen und sich für sein Angebot zu interessieren.

Und schließlich sah der EuGH im vorliegenden Fall es als gegeben an, dass potentiellen Verbrauchern suggeriert wird

dass sie unter diesem Namen eine Website zu diesen Produkten oder Dienstleistungen oder auch zu diesem Unternehmen finden werden.

Ergo, die Nutzung eines Domain-Namens kann natürlich Werbung sein. Darüber hinaus kann in Konstellationen wie der Vorliegenden, in der die Domain inhaltlich eine „Beteiligung“ des eigentlichen Mitbewerbers suggeriert, auch eine irreführende und damit unlautere Werbung vorliegen. Anders ausgedrückt: Sagen Sie „Hallo“ zu der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung.

3. Die Nutzung von Metatags = Werbung (+)

Zu den Metatags schreibt das Gericht:

Metatags („keyword metatags“), […] stellen einen der Faktoren dar, mit denen diese Suchmaschinen eine Klassifizierung der Websites je nach ihrer Relevanz im Hinblick auf das vom Internetnutzer eingegebene Suchwort vornehmen können.

Die Nutzung solcher Tags, […], hat somit im Allgemeinen zur Folge, dass, wenn ein Internetnutzer auf der Suche nach den Produkten dieses Mitbewerbers eine dieser Bezeichnungen oder diesen Namen in eine Suchmaschine eingibt, das von dieser angezeigte natürliche Ergebnis zugunsten des Nutzers dieser Metatags geändert wird und der Link zu seiner Website in die Liste der Ergebnisse aufgenommen wird, gegebenenfalls in unmittelbarer Nähe des Links zur Website dieses Mitbewerbers.

So weit, so nicht falsch. Und mögen nun alle SEO-Experten an die Decke gehen und proklamieren „Aber die Metatags interessieren doch keinen mehr!“, so mag auch das nicht falsch sein, aber darüber hatte das Gericht nicht zu befinden. FYI: Das Gericht ist an den Vortrag der Parteien gebunden und die hatten dazu wohl nichts gesagt. (Und das Gericht schreibt auch nur „ein Faktor“ 😉 )

Fest steht, wie oben aufgeführt, dass bestlasersorter.com als zweites Suchergebnis hinter der original BEST-Seite auftauchte. Und insoweit stellt das Gericht folgerichtig fest:

Da die Nutzung von Metatags, die den Bezeichnungen der Waren eines Mitbewerbers und dem Handelsnamen dieses Mitbewerbers entsprechen, im Quellcode einer Website somit zur Folge hat, dass dem Internetnutzer, der eine dieser Bezeichnungen oder diesen Namen als Suchbegriff eingibt, suggeriert wird, dass diese Website mit seiner Suche im Zusammenhang steht, ist eine solche Nutzung als eine Äußerung im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450 und von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114 anzusehen.

Im Klartext: Metatags sind Werbung.

Und nun?

Nun, die Entscheidung des EuGH überrascht nicht wirklich. Mich hat – ehrlich gesagt – eher überrascht, dass die Fragen, ob die Nutzung einer Domain und die Nutzung von Metatags überhaupt Werbung im Sinne der EU-Richtlinien darstellen, bis zum EuGH vorgedrungen sind und es einer dortigen Entscheidung bedurfte. Aber gut, dann wäre auch das geklärt.

Das Gericht hat nämlich nicht entschieden, ob es sich jeweils um irreführende Werbung oder um die unzulässige Nutzung fremder Marken handelte. Das klingt zwar in der Entscheidung jeweils deutlich durch, Gegenstand der Vorlagefrage waren diese Punkte jedoch gerade nicht.

Dennoch machen die in der Entscheidung getätigten Hinweise und Verweise deutlich, dass das Gericht in diesem Fall sowohl von einer irreführenden Werbung durch Nutzung der Domain bestlasersorter.com mit Inhalten der Firma Visys als auch von einer unzulässigen markenmäßigen Nutzung des Firmens- und der Produktnamen von BEST seitens Visys als Keywords ausging.

In diesem Sinne,

immer weiter schön ordentlich SEO betreiben, auch wenn es in den Fingern juckt, sich an den heißen Mitbewerber einfach dran zu hängen…

Autor: Nina Diercks

Offizielle Stellungnahme des #ULD zur causa #Facebook

Das ULD hat nun aufgrund der doch nicht unerheblichen Welle durch die Netzgemeinde eine Stellungnahme zur Facebook-Angelegenheit veröffentlicht. Herr Dr. Krage hat diese in Teilen in meinem letzten Blogpost auch schon als Kommentar veröffentlicht. Vielen Dank dafür! Die vollständige Stellungnahme, bzw. die FAQ, wie das ULD sie nennt, können auf der Seite des ULD abgerufen werden.

Hinsichtlich der Zuständigkeit des ULD verschafft diese Stellungnahme auch Klarheit. Kurz: Wie ich bereits vermutete, ist das ULD über § 45 LDSG für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem TMG zuständig.

Soweit so gut. Weiter macht das ULD Ausführungen zum Facebook-Like-Button. Nach Auffassung des ULD soll es nun nämlich doch eine Möglichkeit geben, diesen rechtskonform einzubauen – und zwar dann, wenn das Social-Plugins nur dann geladen werden kann, wenn der Nutzer in die mit der Einbindung von Social-Plugins verbundene Übertragung personenbezogener Daten einwilligt, weiter heißt es wörtlich: „Dies kann beispielsweise so realisiert werden, indem an der Stelle, an der die Social-Plugins auf der Webseite erscheinen sollen, zunächst eine vom Webseitenbetreiber selbst bereitgestellte Grafik eingebunden wird. Nach Klick auf diese Grafik muss die Nutzerin oder der Nutzer dann über die mit der Anzeige des Social-Plugins verbundene Übertragung personenbezogener Daten informiert werden. Willigt die Nutzerin oder der Nutzer ausreichend informiert und aktiv ein, so können darauffolgend die Social-Plugins von Facebook geladen werden. “

Hierüber bin ich nun doch sehr verwundert, da es in dem vom ULD erstellten Gutachten heißt, eine wirksame Einwilligung könne gerade deswegen nicht erteilt werden,  da es nicht möglich sei, über den Umfang der Verwendung der Daten hinreichend aufzuklären, da FB zu dem Zweck der Datenerhebung selbst keine genügenden Angaben mache. Dies finde ich dem Grunde nach in sich sehr schlüssig. Scheint nun aber doch nicht mehr so gesehen zu werden…

Aber gut. Um so besser. So bleibt wenigstens eine praktische Handhabe hinsichtlich des Facebook-Like-Buttons.

Hinsichtlich der Facebook-Fanpages sieht das ULD weiterhin keine Möglichkeit der rechtskonformen Nutzung, da der Reichweiten-Analyse-Dienst Facebook-Insights nicht abgeschaltet werden könne, bzw. die Vorgaben des § 15 Abs. 3 TMG (Erläuterungen dazu in diesem Blogpost) nicht durch Facebook erfüllt werden und damit auch nicht durch die Seitenbetreiber erfüllt werden können.

In diesem Sinne,

ich bin gespannt wie es nun tatsächlich weitergeht.

Ein Rück- und ein Ausblick: Abhängigkeiten eines Unternehmens von Facebook-Seiten?

Der Rückblick:

Henner Knabenreich hat es im Kienbaum-Blog mit dem Artikel „Bedeutet der Hype um Social Media das Aus der Karriere-Website?“ wieder einmal auf’s Tableau gebracht: Die mit dem Hype um Social Media einhergehende Frage, ob eine Facebook-Seite („Fanpage“) die klassische Unternehmens-Website verdrängen kann. Neben vielen Fakten, die gegen einen Ersatz wohl aber für einen zusätzlichen Einsatz von Fanpages neben den klassischen Seiten (auch immer wieder schön, etwas klassisch zu nennen, was in den meisten Fällen gerade mal seit gut 10 Jahren existiert…), benennt Henner ein kritisches Problem der Verlagerung sämtlicher Kommunikation auf einen Mayor wie Facebook. Es ist die Abhängigkeit.

Facebook bestimmt hier die Regeln. Wie ich schon in der Kommentierung zu Henners Artikel sagte, sollte man sich zumindest man sich des Risikos bewusst sein, wenn man sich als Unternehmen einer „Anwendung“ in der Kommunikation unterwirft, die jeder Zeit eigene Regeln aufstellen und verändern kann. Hinzu kommt, dass – allen Beteuerungen zum Trotz – der Fall eintreten kann, dass für die Nutzung der Plattform mit einmal Gebühren verlangt werden. Aber selbst wenn nicht. Wenn Facebook eine neue Regel aufstellt, dann heißt es de facto für den Nutzer, gleich ob privat oder gewerblich: Take it or leave it.  Insbesondere im Bereich Werbung und Kommunikation stellt Facebook jetzt schon wahnsinnig viele sich überschneidende Richtlinien und Regelungen auf – die kaum überschaubar sind (von weiteren zu beachtenden nationalen gesetzlichen Regelungen ganz zu schweigen). In Bezug auf die Nutzungsbedingungen von Facebook und auch in Bezug auf die Abhängigkeit habe ich hier schon mal ein paar Worte verloren. Aus meiner (rechtlichen) Perspektive könnte ich deshalb niemanden guten Gewissens raten, eigene Unternehmens-Websiten zu Gunsten einer ausschließlichen Kommunikation auf Facebook zu schließen – die Abhängigkeit von einem Major-Player, der eben mehr ist als ein Telekommunikations-Dienstleister, ist zu groß und das Risko damit mE zu hoch.

Der Ausblick:

Da Facebook natürlich trotzdem einen äußerst attraktiven Weg der Unternehmenskommunikation darstellt, wäre es aber auch nicht gerade ein Gewinn, diesen nur wegen möglicher Komplikationen gar nicht erst zu beschreiten. Zumal eine  Studie, die Prof. Dr. Thorsten Petry von der Wiesbaden Business School, die Zeitschrift Personalwirtschaft und der Online-Personalberater Talential.com durchgeführt haben, gerade festgestellt hat, dass im Bereich des Employer Branding 98% der Kandidaten und 71% der Unternehmen im Bereich Social Media aktiv sind (dass nach der Studie die Social Media Aktivitäten jedoch nur bei 9% der Kandidaten erfolgreich im Sinne der Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität waren, passt in das Bild, das sich letzte Woche beim Diskussions-Abend des Social Media Club Hamburgs mit dem Thema „Warum Social Media Projekte scheitern“ zeichnete…doch das ist wieder eine andere Diskussion ;)).

Ein Risiko kann allerdings nur dann realistisch eingeschätzt werden, wenn man es kennt. In Bezug auf Facebook-Seiten heißt dies, sowohl die tatsächlichen als auch  rechtlichen Unwägbarkeiten berücksichtigen zu können. In Folge dessen werde ich mich in meiner nächsten Artikel-Reihe mit der Rechtskonformität von Facebook-Fanpages befassen. Von A wie AGB und Äußerungsrecht über I wie Impressum und U wie Urheberecht bis hin zu W wie Werberichtlinien und Wettbewerbsrecht.

PS: In Bezug auf die tatsächlichen Unwägbarkeiten weise ich jetzt schon auf einen Social Media Berater Ihres Vertrauens!

Rechtliche Begleitung in der Kampagnen-Planung: Rausgeschmissenes Geld? Nein.

Wie schon unter About me und About Social Media Recht ganz abstrakt angesprochen, sind sich bis heute meiner Meinung nach die Agenturen (wahlweise: PR/HR/Employer Brand/CI/Marketing) und die Rechtsberatung eher fremd – zumindest in der Kampagnen-Planung.  Gerne wird für viel Geld der etablierte CD oder AD der Konkurrenz abspenstig gemacht und der Deal in der Horizont gefeiert. Doch die Kosten für die rechtliche Beratung und Begleitung einer Kampagne, also der ureigenen Dienstleistung, werden nur zu gerne gespart – erst Recht im Bereich der Social Media Kampagnen.  Das rechtliche Risiko einer Kampagne wird in der Regel im Ergebnis per Vertrag auf den Kunden übertragen.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Vorliegend sind nicht einzelne Rechteübertragungen an Fotografien oder Videos gemeint (wobei auch die häufig genug nicht ordentlich geregelt sind, wie schon in dem Artikel Rechtliche Fallstricke bei Social Media Kampagnen – Teil 1 beschrieben), sondern die rechtliche Zulässigkeit der Gesamt-Kampagne. Dies inkludiert bspw. die Abläufe der Anmelde-Prozesse von Communities oder die zum neuen Produkt aufgesetzte Web-Applikation samt damit verzahnter Direkt-Marketing-Kampagne oder das SEO-Management.

Aber warum liegen die Rechtswelt und das Agenturleben eigentlich soweit auseinander? Auf den ersten Blick scheinen die Gründe dafür einleuchtend:

  1. Die Kreativität und die Strategie-Planung wird nicht ständig von einem Juristen gestört, der sagt: Das muss anders gemacht werden.
  2. Die Agentur kann für rechtliche Fehler und deren tatsächlichen Folgen in der Regel nicht haftbar gemacht werden, wenn im Vertrag explizit darauf verwiesen wird, dass die (vollumfängliche) rechtliche Prüfung der Kampagne beim Kunden liegt.
  3. Rechtsberatung kostet immer relativ viel Geld (jedenfalls verglichen mit dem Praktikanten, der für 600 EUR pro Monat, die zündende Idee hat, die der CD  dann beim Kunden präsentieren darf… 😉 ).

Auf den zweiten Blick ist diese Herangehensweise bedenkenswert.

  1. Diese freie Kreativität führt sehr oft zu Social Media Kampagnen, die weder den datenschutz-, wettbewerbs-, marken- noch sonst rechtlichen Vorgaben entsprechen. Nicht nur die Verletzung datenschutzrechtlicher Vorgaben kann Unternehmen teuer zu stehen kommen. Und selbst wenn im Vertrag klar geregelt war, dass die Agentur für solche Fehler nicht haftet, steht Ärger mit dem Kunden in jedem Fall ins Haus – letztlich ist und bleibt der Kunde König.
  2. Auf Kundenseite werden die Kampagnen (selten) überprüft. Die menschlichen Counter-Parts zur Agentur in den Unternehmen entstammen selbst dem Marketing oder der PR und haben (eben so selten) juristische Kenntnisse. Im besten Falle bekommt die (wenn überhaupt existente) Rechtsabteilung des Agentur-Kunden die geplante Unternehmens-Community ca. 24 Stunden vor avisierter zeitgleicher Produkt-Neueinführung zu Gesicht. Im schlechtesten Fall erhält die Rechtsabteilung bzw. die Anwälte des Unternehmens via Abmahnung eines Mitbewerbers oder der Verbraucherzentrale oder Bußgeldbescheid der Datenschutzbehörde Kenntnis von der Kampagne.
  3. Unabhängig von den Kosten, die durch rechtliche Bearbeitung bspw. einer Abmahnung entstehen können, entstehen immer tatsächliche Kosten: Die Unternehmens-Community ist fertig programmiert. Muss nun bspw. der Anmelde-Prozess einer Web-Applikation restrukturiert werden, verursacht das nicht nur Mehrkosten (auf wessen Seite auch immer), sondern es muss allem erneut Zeit investiert werden. Das kann gerade bei den schon genannten Produktneueinführungen wirklich Ärger bedeuten.

Eben solche Restrukturierungen ganzer Web-Applikationen kurz vor knapp aus rechtlichen Gründen habe ich schon oft miterlebt. Besonders gern genommen sind auch Web-Applikationen, bei denen die Agentur meinte, besonders juristisch exakt vorzugehen, um im Ergebnis weder eine anwenderfreundliche noch rechtmäßige Web-Applikation  aufzusetzen. Dabei habe ich mich immer wieder gefragt, ob diese Resourcen-Verschwendung bei allen Beteiligten wirklich sein muss. Ich meine nein. Erfolgt eine vernünftige rechtliche Beratung und Begleitung der geplanten Kampagne von Anfang an, können solche (im Ergebnis teuren) Fehler vermieden werden. Auch erschließt sich mir nicht das (wirtschaftliche) Argument, dass die rechtliche Begleitung dem Kunden nicht gleich mitzuverkaufen wäre. Zum einen macht sich bei einem KV, der in der Regel mehrere zehntausend Euro umfasst, eine Position über einige hundert Euro kaum bemerkbar. Zum anderen existiert das wirklich gute Argument, dass durch diese Investion teure Folgefehler rechtlicher und tatsächlicher Art (s.o.) konsequent vermieden werden können.  Und last but not least lässt sich auch in dieser Konstellation die Haftungsfrage vertraglich so regeln, dass weder Kunde noch Agentur übervorteilt wird.

Übrigens mangelt es oftmals selbst dann an der rechtliche Begleitung von Kampagnen, wenn die Agentur über einen eigenen Justiziar verfügt. Schließlich ist dieser zumeist für all die Dinge zuständig, die ein Unternehmen dem Grunde nach so mit mit sich bringt, also Zulieferverträge, handels- und gesellschaftsrechtliche Fragestellung, arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Problematiken. Das „Kerngeschäft“ erscheint dabei merkwürdigerweise recht selten auf dem Schreibtisch.

Wie gesagt, ich verstehe diese Vorgehensweise nicht nur aus rechtlicher, sondern vor allem auch aus tatsächlicher Sicht nicht (Stichwort Resourcen-Verschwendung). Aber vielleicht sind etwaige Extra-Arbeitsschleifen kurz vor oder nach dem Launch der Kampagnen sowie immer schon mit eingerechnet – gleich aus welchem Grund. – Wobei… sind nicht die Etats alle seit der großen Weltwirtschaftskrise so wahnsinnig knapp? 😉

Social Media Accounts und Markenrecht. Was tun, wenn ein Dritter meine Marke nutzt?

Schon vor zwei Jahren haben sich die ersten Gedanken um die Account-Namen und die Markenrechtsproblematik bei Twitter, Facebook & C0 gemacht, so zum Beispiel  Oliver Wagner im Agenturblog zum Thema „Nutzernamen in Twitter und das Risiko geschlossener Plattformen“. Lange Zeit war dies allerdings nicht wirklich ein Thema. Inzwischen erkennen jedoch Firmen die Bedeutung von Facebook, Twitter & Co für ihr Produkt-, PR- und Employer Branding-Management und bauen dementsprechende Kampagnen im Bereich Social Media auf. Da ist es, gelinde ausgedrückt, misslich, wenn die eigene Geschäftsbezeichnung oder gar eingetragene Marke schon von einem Dritten als Twitter- oder Facebook-Account genutzt wird.

Social Media Accounts: Ebenso begehrt wie Domains Ende der 90er?
Ende der 90er Jahre entbrannte um etliche Domains ein Kampf, der mit viel Geld und allen juristischen Mitteln geführt wurde. Die meisten erinnern sich sicher noch an die Turan/Touran-Story oder das berühmte Shell-Urteil des BGH

Ob „Kauf“ der Markenrechte oder aber jahrelanger Rechtsstreit bis zum BGH – beides sind teure Verfahren, um letztlich die Domain mit dem eigenen Geschäftsnamen und/oder Marke zu erhalten.

Die gleichen Kämpfe nun bei Accounts von Twitter & Co?
Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die gleichen Kämpfe nun auch um Social Media Accounts geführt werden. Letztendlich verhält es sich mit Twitter und Facebook ähnlich wie mit der DeNIC. Auch Twitter und Facebook stellen hinsichtlich der Account-Namen die Registrierungstelle dar. Allerdings ist die DeNIC ausschließlich für die Registrierung der Domain-Namen zuständig, während Twitter und Facebook die Accounts selbst hosten und über einen entsprechenden Zugriff verfügen.In Folge dessen finden sich bei sowohl bei Facebook als auch Twitter Regelungen zur Verletzung von Marken- und Namensrechten durch Dritte.

Die Regelungen zum Markenrecht bei Twitter und Facebook
So lautet der Absatz in den Twitter-Regeln:

„Twitter behält sich vor, Benutzernamen im Namen von Unternehmen und Privatpersonen, die den Rechtsanspruch oder das Markenrecht auf diesen Benutzernamen halten, zurückzuverlangen. Konten, die Firmennamen und/oder Logos zum Zweck der Täuschung anderer Benutzer verwenden, werden permanent gelöscht.“

Und so die entsprechende Regelung (4.10) in den Nutzungsbedingungen von Facebook:

„Wenn du einen Nutzernamen für dein Konto auswählst, behalten wir uns das Recht vor, diesen zu entfernen oder zurückzufordern, sollten wir dies als notwendig erachten (zum Beispiel, wenn der Inhaber einer Marke eine Beschwerde über einen Nutzernamen einreicht, welcher nicht dem echten Namen eines Nutzers entspricht).“

Jedenfalls Twitter enthält darüber hinaus auch für Markenverletzungen ein einfaches Meldeprotokolle vor, mit denen eine Markenverletzung vom Verletzten melden kann. Wie konkret die weitere Vorgehensweise aussieht und ab wann aus einer „angeblichen Markenverletzung“ eine für Twitter/Facebook konkrete wird, die in der Sperrung eines Accounts resultiert, darüber schweigen die Seiten.

Für den Nicht-Juristen mag das dennoch nach einer soliden und einfachen Lösung klingen á la „Ein Dritter ist Inhaber eines auf meine Marke/geschäftliche Bezeichnung lautenden Accounts bei Twitter/Facebook, folglich kann ich mich beschweren und schon habe ich meinen Account!“

Vorgehen bei Rechtsverletzungen gegen Twitter/Facebook direkt
Bei einem direkten Vorgehen gegen Twitter und Facebook auf Löschung bzw. Umtragung eines Accounts sind jedoch die folgenden Punkte zu bedenken:
1. Ab wann erachtet Facebook das Entfernen/Entziehen eines Accounts gegenüber einem Dritten überhaupt als notwendig, bzw. Twitter den Rechtsanspruch auf eine Marke/sonstiges Recht als gegeben? Bei der ersten Beschwerde? Oder wenn die Inhaberschaft der Marke bewiesen wird? Oder bei sonstigen geschäftlichen nach dem Markengesetz geschützten Zeichen, wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt?
2. Selbst wenn Twitter oder Facebook umgehend reagieren und dem Beschwerdesteller den Account zubilligen, so kann doch der ursprüngliche Account-Inhaber evt. versuchen, sein Interesse an diesem Account durchzusetzen (bspw. weil er ein Namensrecht geltend macht). Eine (außer-)gerichtliche Auseinandersetzung mit der Gegenseite ist also nicht von vornherein vermieden.
3. Reagieren die Social Media Anbieter nicht umgehend, so stellt sich die Frage der weiteren Vorgehensweise: Will man die Unternehmen auf Löschung bzw. Herausgabe der Accounts in Anspruch nehmen, ggf. gerichtliche Schritte einleiten? In den Fällen einer Markenrechtsverletzung könnten sie in Deutschland (Stichwort: Fliegender Gerichtsstand) unter Umständen nach den Grundsätzen der Störerhaftung zum Unterlassen der rechtsverletzenden Handlung, also der Vergabe des Accounts an einen unberechtigten Dritten, verpflichtet sein. Facebook ist aber (jedenfalls juristisch) ein irisches und Twitter ein amerikanisches Unternehmen. Und die Vollstreckung eines Urteils im Ausland kann kompliziert werden.

Vorgehen bei Rechtsverletzungen gegen den Account-Inhaber

Deswegen wird es oft einfacher und ergebnisorientierter sein, gegen den Account-Inhaber direkt vorzugehen und ihn selbst zum Löschen der Accounts bei den Social Media Anbietern zu bewegen, insbesondere wenn der Account-Inhaber ebenfalls im Inland (Deutschland) sitzt. Aufgrund der Impressumspflicht iSd. TMG werden jedenfalls die Account-Inhaber von geschäftsmäßigen Diensten leicht zu identifizieren sein.
Doch wie wird der Account-Inhaber zur Aufgabe des Accounts bewegt?

Abmahnung
Ist der Verletzte Inhaber einer eingetragenen Marke oder einer sonst nach dem Markengesetz geschützten Bezeichnung, ist das erste Instrument die sogenannte Abmahnung. Mit dieser wird der Account-Inhaber auf die Verletzung des Markenrechts aufmerksam gemacht und zur Unterlassung des rechtsverletzenden Verhaltens, sprich den Account zu führen, aufgefordert. Der Verletzer hat ferner die der Abmahnung beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und an den Markeninhaber zurückzusenden. Die für die Abmahnung entstehenden Anwaltskosten kann der Markeninhaber bei berechtigter Abmahnung von dem Verletzer ersetzt verlangen.

Einstweiliger Rechtsschutz
Weigert sich der Verletzte dem nachzukommen, bspw. weil er die Abmahnung für unberechtigt hält, so bleibt die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz vor den Gerichten zu ersuchen. In diesem Fall wird eine einstweilige Verfügung, mit dem Inhalt die Nutzung des Social Media Accounts durch den Verletzer (Antragsgegner) zu unterlassen, bei dem zuständigen Gericht durch den Verletzten (Antragsteller) beantragt. Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung ist, mittels dieser vorläufig, d.h. bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens, den Rechtsstreit zu regeln. Deswegen muss bei der einstweiligen Verfügung der sogenannte Verfügungsanspruch (hier: der Anspruch auf Unterlassen) nicht bewiesen, sondern zunächst nur glaubhaft gemacht werden. Diese Glaubhaftmachung erfolgt in der Regel durch eine eidesstattliche Versicherung seitens des Antragstellers. Weitere Voraussetzung für das Erlangen einer einstweiligen Verfügung ist der sogenannte Verfügungsgrund, hier muss die besondere Dringlichkeit/Eilbedürftigkeit des Falles dargelegt werden. Logisch dürfte sein, dass eine solche nach Ablauf von 8 Wochen ab Kenntnis der schädigenden Handlung nicht mehr bestehen kann. (Achtung: Viele Gerichte sehen die Eilbedürftigkeit bereits ab vier Wochen nach Kenntnis der schädigenden Handlung nicht mehr als gegeben an!)
Hinsichtlich der Kosten dieses Verfahrens gilt kurz und knapp: Wer verliert, der bezahlt!

Abschlussschreiben
Erhält der Markeninhaber durch Beschluss des Gerichts die beantragte einstweilige Verfügung, so ist zu einem sog. Abschlussschreiben zu raten. Wie eben erläutert, ist schließlich der Prozess bisher nur vorläufig geregelt und die Sache müsste noch in der Hauptsache entschieden werden. Zu dem hat der Antragsgegner die Möglichkeit gegen den Beschluss des Gerichts Widerspruch einzulegen. Über den Anspruch des Markeninhabers ist mit dem Beschluss über die einstweilige Verfügung also bei weitem nicht rechtskräftig entschieden. Zur Vermeidung eines Widerspruchs und vor allem des kostspieligen Hauptsacheverfahrens ist es daher ratsam, den Gegner mit einem außergerichtlichen Schreiben zum Anerkenntnis der einstweiligen Verfügung als endgültige Regelung aufzufordern. Dieses Abschlussschreiben muss mit einem Verzicht auf Einlegung des Widerspruchs, auf Erzwingung des Hauptsacheverfahrens sowie auf Beantragung der Aufhebung (des Beschlusses) wegen veränderter Umsände verbunden sein. Unterzeichnet der Gegner dieses Abschlussschreiben entsprechend, wird das Hauptsacheverfahren überflüssig.
Kosten: Das Abschlussschreiben löst – gleich der Abmahnung – als außergerichtliche Streitbeilegung Kosten aus. Diese sind jedoch in der Regel weit geringer als ein Verfahren in der Hauptsache und können – ebenso wie die der Abmahnung – dem Gegner auferlegt werden.

Hauptsacheverfahren
Ist die einstweilige Verfügung nicht zu Gunsten des Markeninhabers ergangen oder hat der Gegner nicht das präferierte Abschlussschreiben unterzeichnet, so muss aus o.g. das Hauptsacheverfahren geführt werden. Hat der Markeninhaber allerdings die einstweilige Verfügung erfolgreich beantragt, besteht – soweit diesbezüglich nicht Widerspruch eingelegt wurde – der charmante Vorteil, dass der Verletzer jedenfalls vorläufig nicht mehr den Account benutzen darf. Ob nun der Markeninhaber in diesem Stadium des Verfahrens den streitgegenständlichen Account für sich nutzt, hängt in erster Linie von den weiteren Erfolgsaussichten des Verfahrens ab. Schließlich wäre es eher contra-produktiv den arbeitsintensiven Aufbau einer Social Media Kampagne unter einem Account zu betreiben, den man letztlich evt. nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens wieder herausgeben muss. Wird eine eingetragene Marke durch einen Dritten verwendet, sind die Erfolgsaussichten für den Inhaber allerdings immer sehr gut. Wird eine sonst nach dem Markengesetz geschützten Bezeichnung oder eine dieser ähnliche verwendet, ist dies stark vom Einzelfall abhängig, da verschiedene Kriterien wie bspw. „Bekanntheit der Bezeichnung“ und „Vewechslungsgefahr“ der Auslegung durch die Gerichte zugänglich sind.
Hinsichtlich der Kostentragung gilt wieder der Grundsatz: Wer verliert, der bezahlt!

Wenn du einen Nutzernamen für dein Konto auswählst, behalten wir uns das Recht vor, diesen zu entfernen oder zurückzufordern, sollten wir dies als notwendig erachten (zum Beispiel, wenn der Inhaber einer Marke eine Beschwerde über einen Nutzernamen einreicht, welcher nicht dem echten Namen eines Nutzers entspricht).

Und wenn der Account-Inhaber nicht im Inland sitzt?
Dann gilt grundsätzlich das Gleiche. Schließlich handelt es sich bei einer Markenrechtsverletzung um eine sogenannte „unerlaubte Handlung“. In diesen Fällen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung stattgefunden hat. Vorliegend finden die Rechtsverstöße im Internet statt. Hier gilt als Tatort der Ort, an dem die betreffende rechtswidrige Information Dritten bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird, mit anderen Worten, die betreffende Webseite oder Homepage abgerufen werden kann. Immer wieder gab und gibt es Gerichte, die den daraus resultierenden „fliegenden Gerichtsstand“ eindämmen wollten. Bislang jedoch ohne Erfolg. Erst jüngst hat der BGH, Az. VI ZR 23/09 vom 02. März 2010, in einer Presserechtssache entschieden, dass deutsche Zivilgerichte für Klagen in Pressesachen durch einen im Internet abrufbaren Artikel international zuständig sind, wenn der Artikel deutliche Bezüge nach Deutschland aufweist – es ging um einen englischsprachigen (!) Artikel der New York Times (!).
Problematisch wird hier, wie auch bei der Inanspruchnahme von Twitter und Facebook, die Durchsetzung (Vollstreckung) eines errungenen Titels im Ausland. Trotz aller europäischen und internationalen Abkommen kann dies schwierig werden.

Inhaber einer EU-Marke
Etwas anders sieht dies wiederum dann aus, wenn der Markeninhaber Inhaber einer EU-Marke ist. Verletzungsklagen in Bezug auf die EU-Marke können nämlich vor den sog. Gemeinschaftsmarkengerichten erhoben werden. Dies sind von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union benannte nationale Gerichte, die über die Verfahren im Bereich der Gemeinschaftsmarken entscheiden. Ihre Urteile sind in der gesamten Europäischen Union anerkannt und können deswegen relativ unproblematisch durchgesetzt und vollstreckt werden.

Und wenn der Verletzer nicht der Impressumspflicht unterliegt oder einfach keines hat?
Da, vereinfacht gesagt, die Impressumspflicht nur die rein privaten Accounts nicht trifft, aber in dem gros der Fälle gerade geschäftsmäßige Accounts die Anlehnung an eine bekannte Marke oder geschäftliche Bezeichnung ausnutzen wollen, sind die Fälle, in denen eine mangelnde Impressumspflicht ebenso wie ein Verstoß gegen die Impressumspflicht dazu führt, dass der Account-Inhaber nicht schnell greifbar sind, wohl als gering einzustufen.
Liegt ein solcher Fall dennoch vor, muss gegen die Social Media Anbieter vorgegangen werden. Hilft die o.g. Beschwerdemöglichkeit allein dem Problem nicht ab, so muss das eben aufgeführte prozessuale Instrumentarium (Abmahnung, eV etc.) auch gegenüber den Social Media Anbietern verwendet werden. Materiellrechtlich ist mit der Störerhaftung zu argumentieren.

Prävention statt Reaktion
Es ist immer das alte Lied, aber es bleibt stets aktuell. Der beste Rat, der in Bezug auf Social Media Accounts für Social Media Kampagnen durch Unternehmen zu geben ist, lautet: Sichern Sie sich am besten rechtzeitig die einschlägigen Accounts. Dann müssen Sie sich weder mit den Social Media Unternehmen noch mit den Account-Inhabern noch mit Gerichten, die im Zweifel noch nie von Twitter gehört haben, auseinandersetzen.