Ende letzten Jahres befassten wir uns hier im Blog mit der Werbung mit irreführenden Bezeichnungen und Selbstverständlichkeiten sowie deren wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen. Doch nicht nur irreführende Bezeichnungen können unter Umständen nach dem UWG unzulässig sein, sondern auch die Internetadresse. Dieser Zusammenhang führt uns im ersten Blogartikel des neuen Jahres zum Domainrecht, das neben dem Wettbewerbsrecht auch das Marken- und Namensrecht berührt. (An dieser Stelle noch allen Lesern: Frohes Neues!)
Das Namensrecht als Grundlage: Der Name ist alles.
In § 12 BGB ist das Namensrecht geregelt, eine Grundlage für alle Streitigkeiten über den Namen von Personen, Vereinen, Firmen usw. Dies spricht dem Berechtigten (=Namensträger) einen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung gegenüber einen anderen zu, wenn dieser das Recht zum Gebrauch des Namens des Berechtigten bestreitet oder unbefugt den gleichen Namen gebraucht. Mit dieser Regelung soll der Gebrauch des Namens und ebenso das Vertrauen auf die Richtigkeit des Namens sichergestellt werden.
So allgemein § 12 BGB auch klingen mag: Die Vorschrift erstreckt sich auch auf die „sprechenden Domains“ der Internetadressen. Schließlich kann Jedermann grundsätzlich seinen Namen auch als URL im Internet verwenden. Daraus lässt sich ableiten, dass der Namensträger grundsätzlich seinen Namen als Domain-Namen schützen kann vor der Verwendung durch einen Nichtberechtigten.
Und da das Internet seit über 20 Jahren wächst und wächst und die Internetadresse einer Homepage ausschlaggebend sein kann für die Bekanntheit und den Erfolg, liegt es auf der Hand, dass sich Gerichte seit über einem Jahrzehnt mit dem Namensrecht bei Domains befassen mussten. Jeder will eben den Platz an der Sonne und dies mit der einfachsten, kürzesten und tollsten Internetadresse.
Allgemein gilt bei der Domainvergabe gemeinhin das Prioritätsprinzip grundsätzlich nach dem „first come, first served“-Prinzip, welches jedenfalls allen Personen die gleiche Chance der Domain-Registrierung eröffnet (Vgl. Anmerkung zu: OLG Hamm, Urteil vom 19.6.2008 – 4 U 63/08, MMR 2009, 50).
Doch bekanntlich bestätigt die Ausnahme die Regel oder umgekehrt?
In verschiedenen Situationen können (nachträgliche) Löschungsansprüche geltend gemacht werden durch das Marken- und Namensrecht, wie es aus der Entscheidung in der Sache „shell.de“ erging. In diesem Fall standen sich die Privatperson mit dem Nachnamen „Shell“, der die gleichlautende URL zuerst registriert hatte, und das weltberühmte Rohstoffunternehmen Shell gegenüber.
Hier urteilte der BGH entgegen dem Prioritätsprinzip und ließ für die gleichlautenden Tankstellen-Kette aufgrund deren Bekanntheitsgrad und wirtschaftlichen Bedeutung der Internetpräsenz das Interesse gegenüber Herrn Shell überwiegen und sprach dem Rohstoffunternehmen folgerichtig den Anspruch zu, Rechte an shell.de geltend zu machen. Der Internetnutzer erwarte unter der genannten URL die Präsenz des gleichnamigen Unternehmens und nicht eine Homepage der Familie Shell oder ein kleines und nur im Dorf bekanntes Büro. Vielmehr werde auch das Milliarden-Dollar schwere Unternehmen behindert, wenn die Allgemeinheit auf ein gleichnamiges, aber völlig unbekanntes Kleinunternehmen fehlgeleitet werde.
Mit anderen Worten: Wenn sich zwei gleichnamige Personen bzw. Unternehmen gerichtlich auseinandersetzen, kann unter Umständen aufgrund der überragend wichtigen Bedeutung einer Partei vom Prioritätsprinzip abgewichen und die Domain neu zugeteilt werden.
Es entwickelten sich daher unterschiedliche Fallgruppen:
Stehen sich zwei gleichnamige Privatpersonen gegenüber, findet in der Regel das allgemeine Prioritätsprinzip Anwendung, so dass der „Schnellere“ gewinnt. Handelt es sich jedoch um Namen von Prominenten und sonstigen Personen des öffentlichen Interesses, kann dank der Bekanntheit dem Prominenten ein größeres Interesse an der Domain zugesprochen werden. Oftmals spielt dann auch das Markenrecht oder Titelrecht mit ein, wenn sich die Stars und Künstler den Künstlernamen als Marke geschützt haben.
Hat sich eine findige Privatperson die gleichnamige Domain gesichert und tritt nun ein großes Unternehmen mit ähnlichem Namen dazu, überwiegen in der Regel die Bekanntheit und das wirtschaftliche Interesse auf Seiten des Unternehmens, wie die Fälle shell.de, krupp.de und Weitere zeigten (Man könnte jetzt diese Beispiele seitenlang fortsetzen, aber wer öfters im Internet unterwegs ist, wird schon wissen, warum die bekannten Unternehmen und Anbieter meistens die bestmögliche Internetadresse besitzen.). Nach Abwägung ist für die Privatperson ein Wechsel der Domain hinnehmbar, während der wirtschaftliche Schaden durch fehlgeleitete Kunden und/oder der schlechten Auffindbarkeit für das Unternehmen unzumutbar ist.
Weniger vorhersehbar für die Entscheidung sind Fälle, in denen sich zwei mehr oder weniger gleich bekannte Unternehmen im Streit um eine Domain gegenüberstehen. Während einerseits als Grundlage das besagte Prioritätsprinzip gilt, wird andererseits in einem zweiten Schritt geprüft, wer das (mögliche) höhere Recht am Namen besitzt und inwiefern das Markenrecht oder Wettbewerbsrecht davon berührt ist. Ein Interessenausgleich findet dann auf dem Feld des Marken-, Namens- und Wettbewerbsrecht statt. Da streiten sich dann die Anwälte über Jahre.
Fast aussichtslos für private Bürger und Unternehmen ist der Streit um Domains, die sich aus Städtenamen oder Begriffen von öffentlichen Institutionen zusammensetzen. Denn fast immer gewinnt hier die Stadt/Kommune (Landgericht Mannheim, Urteil vom 8.3.1996, Az. 7 O 60/96 – heidelberg.de; Landgericht Braunschweig, Urteil vom 28. Januar 1997, 9 O 450/96 – braunschweig.de) und kann sich diese Domain ergreifen oder sichern. Wie die Stadt kann sich die Behörde oder Institution auf das eigene Namensrecht nach § 12 BGB berufen. Viele Domains mit Städtenamen oder Behördennamen sowie sonstige „staatliche Einrichtungen“ sind daher nicht frei zu registrieren oder bereits belegt. Und auch die toplevel domain „.info“ gehört in der Regel der Kommune (BGH, Urt. v. 21.9.2006 – I ZR 201/03, MDR 2007, 286 = CR 2007, 36 – solingen.info).
Anders sieht es bei kleineren Gemeinden aus oder bei dem Zusatz von „-info“ in der Domain, woraus sich jedenfalls nicht gleich die offizielle Stadt-Homepage erschließen lässt. Diese wurden mehrfach nicht beanstandet, jedenfalls wenn das Angebot einen Bezug zu dem Namen herstellt, wie es beispielsweise bei Reise-Tipps oder Veranstaltungsseiten passiert.
Das Wettbewerbsrecht
Neben dem Namensrecht gilt für Unternehmen und Selbstständige bei der Wahl der Domain zusätzlich das Wettbewerbsrecht im Auge zu behalten.
Zuerst die gute Nachricht: Die Verwendung von Gattungsbegriffen in der URL verstößt grundsätzlich nicht gegen § 3 bzw. § 5 UWG und sind daher keine unlautere Wettbewerbshandlung des Registrators und auch keine irreführende Werbung, da die Domain-Registrierung erst einmal jedermann offen steht und dem Prioritätsprinzip unterfällt (Vgl. MMR 2001, 666 – mitwohnzentrale.de). Eine irreführende Werbung nach § 5 Abs. 1 UWG soll jedoch dann angenommen werden, wenn mit der Domain eine Erwartung erweckt wird, die der Seitenbetreiber inhaltlich nicht erfüllt (LG Hamburg, Az. 312 O 271/03, MMR 2003, 796 – tipp.AG). Dies richtet sich generell nach der Verkehrsauffassung, also was sich die Allgemeinheit unter der aufgerufenen URL vorstellen mag.
So kann die Wahl einer Domain mit Ortsangaben, wie beispielsweise eine URL aus den Begriffen „Anwaltskanzlei“ und einem Ortsnamen oder allgemein: Die Kombination aus Firmennamen und Ortsnamen, irreführend und nach § 5 UWG unzulässig sein, wenn sich Unternehmen gar nicht an dem in der URL geschriebenen Ort befindet und sich dies dem Leser erst später beim Durchlesen der Internetseite erschließt (LG Rostock, Urteil vom 29.02.2012 – 5 HK O 3/12).
Schließlich kann eine solche URL die „Spitzenstellung“ des Unternehmens suggerieren, wenn nämlich der Internetnutzer anhand der Schreibweise der URL davon ausgeht, diese Firma sei die einzige oder bekannteste Firma in diesem Ort. Entscheidend ist hierbei jedoch die Gesamtschau aus Domain und Eindruck der Internetseite. Allein die bloße beschreibende Domain sei für sich genommen noch keine Alleinstellungsbehauptung (OLG Hamburg, Az. 5 U 186/01, GRUR 2003, 1058, 1058).
Unzulässig ist außerdem nach § 5 UWG eine URL wie www.deutsches-anwaltsverzeichnis.de (LG Berlin, Urt. v. 16.12.2002 – 97 O 192/02, CR 2003, 937; MMR 2003, 490. Ähnlich LG Erfurt, Urt. v. 21.10.2004 – 2 HKO 77/04, MMR 2005, 121 – deutsche Anwalthotline.de. ), da dies ein offizielles (staatliches) Ranking vermuten lässt und jedenfalls keine kommerziellen Gedanken eines Einzelunternehmens.
Ebenfalls unzulässig ist die bewusste Registrierung und Verwendung einer Tippfehler-Domain, also einer Domain, die einer bekannten und stark besuchten URL ähnelt und beispielsweise einen Buchstabendreher beinhaltet. Denn dadurch werden die Besucher mittels Schreibfehler erreicht, die sodann auf eine Seite weitergeleitet werden, die jedenfalls nicht das erwartete Angebot enthält (Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Januar 2014 – I ZR 164/12 – wetteronline.de). Das verstößt angesichts des Abfangens von Kunden gegen das Verbot unlauterer Behinderung gemäß §§ 3, 4 Nr. 10 UWG.
Schutz der Marke und des Werktitels durch das Markenrecht
Aufgepasst! Das ist noch nicht alles. Denn für Unternehmen sind das Markenrecht sowie der Titelschutz von großer Bedeutung. Die Ansprüche aus dem Markenrecht gehen grundsätzlich wegen der Spezialität dem Namensschutz aus § 12 BGB vor, können jedoch auch parallel nebenher stehen (BGH, MMR 2012, 233 – Basler Haar-Kosmetik).
Die Vorschriften des §§ 14, 15 MarkenG sollen den Markeninhaber vor dem unbefugten Benutzen der Marke im geschäftlichen Verkehr schützen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Verletzungshandlung im räumlichen Schutzbereich des Kennzeichenrechts begangen wurde oder zumindest droht. Die Domain muss also kennzeichenmäßig genutzt werden, also der Kennzeichnung einer Person, eines Unternehmens, eines Werkes oder einer Ware dienen oder in der Gestalt verwendet werden, dass für einen nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs die Domain einen Hinweis auf eine Person, ein Unternehmen oder eine Ware geben kann.
Die Gerichte hatten sich z.B. mit Fällen zu befassen, in denen ausländische Anbieter deutsche und kennzeichenrechtlich relevante Domains reserviert oder verkauft haben. Als Indizien für einen solchen räumlichen Bezug und der in Deutschland begangenen Verletzungshandlung galt die geschäftliche Tätigkeit des Handelnden, so z.B. wenn der Anbieter hierzulande Werbung schaltet oder sich der Inlandsbezug aus bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit und inhaltliche Ausrichtung einer Webseite ergibt.
Sollte hingegen keine kennzeichenrechtliche Vorschrift verletzt sein, da die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr des jeweiligen Wettbewerbs gebraucht wird, kann sich der Betroffene nur auf das Namensrecht berufen (OLG Stuttgart, Urteil vom 21.07.2011 – 2 U 157/10).
Ansprüche des Markeninhabers auf Untersagung der Nutzung oder Schadensersatz sind dann denkbar, wenn der Unbefugte die Marke nutzt oder wenn jedenfalls eine Verwechslungsgefahr besteht, indem die Zeichenfolge der Domain Ähnlichkeiten aufweist und so „Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorrufen“ (Vgl. § 15 Abs. 2 MarkenG). Dies gilt sogar dann, wenn „die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt“ (Vgl. § 15 Abs. 3 MarkenG).
Der noch speziellere Titelschutz aus § 5 Abs. 3 MarkenG soll vor allem Zeitschriften, Werktitel von Film und Ton und sowie die Titel von Software jeglicher Art vor der unbefugten Verwendung des Titels als Bestandteil der Domain schützen. (Mehr zum Titelschutzrecht im Allgemeinen im Artikel von RA Dirks „Titelschutz für Apps? Das LG Hamburg sagt „Ja““)
Ansprüche nach den jeweiligen Gesetzen
Streitigkeiten wegen des Namensrechts aus § 12 BGB können von Jedermann geltend gemacht werden und die allgemeinen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche aus §§ 823, 1004 BGB nach sich ziehen, was in der Regel zur Löschung der Domain führt. Ein Schadensersatz ist nur unter schwerwiegenden Umständen denkbar.
Der Markeninhaber kann bei Markenrechtsverletzungen nach §§ 14, 15 MarkenG vom dem Verletzer neben dem Unterlassen ausgehend von einer Wiederholungsgefahr auch bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzungshandlung ein Schadensersatz verlangen. Handelte ein Angestellter oder Beauftragter für einen Betrieb, kann der Schadensersatz vom Betriebsinhaber nach § 14. Abs. 7 MarkenG verlangt werden. Diese Ansprüche gehen dem Namensrecht vor, sind aber neben diesen anwendbar.
Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht ermöglichen Mitbewerbern und abmahnfähigen Verbänden Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz aus §§ 8, 9 UWG. Hierzu muss aber ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner bestehen.
Fazit
Nun mag dem juristischen Laie von den vielen zu berücksichtigenden rechtlichen Aspekten bei der Wahl des Domain-Namens der Kopf schwirren. Und ja, sich nur auf das Bauchgefühl zu verlassen, kann unangenehme Folgen nach sich ziehen (Rechtsstreitigkeiten, Domain-Umzug etc. pp.). Diese sind jedoch vermeidbar. Zum Beispiel, indem man vor dem Kauf einer Domain (und auch vor Belegung eines Social Media Accounts! Auch wenn dies ein noch spezielleres Thema ist…dazu vielleicht der – schon ältere – Artikel „Social Media Accounts und Markenrecht. Was tun, wenn ein Dritter meine Marke nutzt“) Artikel wie diesen liest oder im Zweifel vielleicht doch jemanden fragt, der sich mit der Materie auskennt.
In dem Sinne,
Augen auf beim Auto… äh Domainkauf!
Dieser Text entstand unter der maßgeblichen Mitarbeit von unserem Mitarbeiter Herrn Conrad S. Conrad. Besten Dank!
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