Von Werbung mit irreführenden Bezeichnungen, mit Selbstverständlichkeiten sowie Alleinstellungsmerkmalen und deren wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen

Aufgehängt an einem recht aktuellen Urteil (bei dem ersichtlich wird, dass sogar Anwälte gar keine Halbgötter in schwarz sind…*ähem *räusper) gibt es heute mal ein paar grundsätzliche Anmerkungen zum Thema Internet, Werbung und Wettbewerbsrecht.

Internetauftritte nebst dazugehöriger Werbung sind seit Jahren ein wichtiges Marketing-Instrument von Unternehmen und Selbstständigen. Inzwischen zeigen die meisten Unternehmer auch bei der Wahl von Firmennamen und Domain nicht nur das nötige Fingerspitzengefühl in Bezug auf die freie Verfügbarkeit, sondern auch hinsichtlich möglicher Konflikte mit dem Kennzeichnungsrecht. Relativ wenig Beachtung findet dem gegenüber, dass auch die schnell ins Web gesetzten Werbeslogans und sonstigen werblichen Aussagen im Konflikt zum Wettbewerbsrecht, allen voran im Konflikt zum Verbot der irreführenden Werbung nach § 5 UWG, stehen können.

Anwälte werben manchmal natürlich eigentlich nie mit unlauteren Mitteln

Eine jüngst ergangene Entscheidung vor dem Landgericht Hamburg (Az. 327 O 118/14) zeigt, wie schnell  – selbst von Anwälten in eigener Sache verfasste *hüstel – Beschreibungstexte als irreführende Werbung nach § 5 Abs. 1 UWG eingestuft werden.

So suchte eine Anwaltskanzlei mit der Aussage

„HAMBURG, BERLIN, MÜNCHEN, KARLSRUHE, LEIPZIG – XYZ-RECHTSANWÄLTE VERTRETEN IHREN FALL“.

… Rechtsanwälte vertreten Mandanten, egal mit welchem Wohnsitz bundesweit. Wir setzen uns für Ihre Rechte ein und klagen an jedem Land- oder Oberlandesgericht, ganz egal, ob Sie in Köln, München, Hamburg, Berlin, Chemnitz, Flensburg oder im Ausland wohnen. „,

bundesweit Mandanten und Mandate zu generieren.

Soweit so gut. Ein Wettbewerber machte jedoch einen Anspruch auf Unterlassung wegen irreführender Werbung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 geltend. Die Kanzlei, die mit den oben stehenden Aussagen warb, hatte nämlich zum einen  gar nicht in allen benannten Städten einen Kanzleisitz,  zum anderen wurde die Aussage „klagen an jedem Landes- und Oberlandesgericht“ vom Wettbewerber als Werbung mit Selbstverständlichkeiten angegriffen.

Das Landgericht Hamburg (Az. 327 O 118/14 pflichtete dem angreifenden Wettbewerber bei. Der durchschnittliche Leser erwarte bei solch einer Formulierung  Leser „ein physisches Vertretensein [der damit werbenden Kanzlei] an diesen genannten Orten, sei es durch Niederlassungen oder zumindest verbundene Büros“. Dem Rechtssuchenden sei eine persönliche Betreuung und leichte Erreichbarkeit von großer Bedeutung. Daran fehle es jedoch, weil die Kanzlei gar nicht in diesen aufgezählten Städten eben physisch vertreten ist. Wirbt jedoch der Rechtsanwalt mit speziellen Städtenamen im Internet und wird er in den Suchmaschinen in regionalen Suchergebnissen oder gegebenenfalls auch regionalen Branchenverzeichnissen dieser Städte gelistet, ohne dort ansässig zu sein, liegt ein Verstoß wegen dieser falschen Ortsangaben als irreführende Werbung nach §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG vor.

Falsche Ortsangaben sind irreführend im Sinne von § 5 UWG

Falsche Ortsangaben sind also irreführend im Sinne von § 5 UWG. Neu ist das nicht. Schon im Jahr 2006 musste – auch – eine Kanzlei einsehen, dass der Zusatz  „Bodenseekanzlei“  als irreführend zu werten ist, wenn die Kanzlei tatsächlich gar nicht innerhalb der gesamten Region des Bodensees die Rechtsberatung anbietet (OLG Stuttgart, Urteil vom 16. März, Az. U 147/05).

Auch wenn hier jetzt gerade zwei Beispiele gewählt wurden, bei denen Anwälte im Spiel waren, so heißt das nicht, dass nur diese in die Fettnäpfe des Wettbewerbsrechts stolpern würden. Nach Auffassung des LG München I können auch falsche Angaben zum Unternehmenssitz im Google Places Profil irreführend und damit wettbewerbswidrig sein ( LG München I, Beschluss vom 22.03.2011, Az. 17 HK O 5636/11). Konkret hatte hier ein Unternehmen seien Firmensitz aus Possenhofen ins 6 km entfernte, aber wohlklingende Starnberg versetzt – ohne dort tatsächlich auch nur ein Büro oder ähnliches zu unterhalten.

Selbstverständlichkeiten sind auch irreführend im Sinne von § 5 UWG

Während in unserem Eingangsfall die Kanzlei mit der Aussage „klagen an jedem Landes- und Oberlandesgericht“ warb, versuchte es ein Online-Händler mit den Aussagen „haben Sie eine 14-tägige Rückgabe- und Geld-zurück-Garantie„, „gilt selbstverständlich die gesetzliche Gewährleistung von 2 Jahren“ und „Wir tragen das Versandrisiko„.

Klingt gut, oder? – Bloß leider ist das alles Werbung mit Selbstverständlichkeiten.

Seit 2007 können Anwälte überall alles und jeden an jedem erdenklichen Amts-, Land- und Oberlandesgericht vertreten. Während es früher also etwas besonderes war, an einem bestimmten Oberlandesgericht auf- bzw. vertreten zu dürfen, ist es das heute eben nicht mehr. Und mit einer derartigen Selbstverständlichkeit darf eben nicht geworben und so getan werden, als sei es etwas ganz besonderes. Das sage nicht ich, das sagt gar der BGH (Urteil vom 20. Februar 2013, Az. I ZR 146/12).

Die Aussagen des zuvor zitierten Online-Händlers geben hingegen nur wieder, zu was der Online-Händler qua Gesetz verpflichtet ist. Ein besonders tolles Angebot ist darin also nicht zu sehen. Das könnte aber der ein oder andere juristisch nicht so versierte Verbraucher bei einer derartigen Herausstellung in Werbeaussagen denken. Und so griff ein Wettbewerber die Werbung an – und unterlag zu 2/3. Denn in diesem konkreten Fall wurde vom BGH nur die „Geld-zurück-Garantie“ gerügt, da hier der Online-Händler nicht deutlich gemacht habe, dass es sich um eine gesetzliche Vorschrift handele. Die anderen beiden Werbeaussagen wiesen eindeutig auf den gesetzlichen Hintergrund hin und seien deswegen nicht irreführend im Sinne von § 5 UWG. (BGH, Urteil vom 19. März 2014, Az. I ZR 185/12).   

Sonst noch was in Sachen irreführende Bezeichnungen? – Oh eine Menge! 

Wer sich beispielsweise im Internet oder auf anderen Werbematerialien als „Spezialist im Mietrecht“ ausgibt, muss folgerichtig das theoretische Fachwissen und darüber hinaus einen erheblichen praktischen Erfahrungsschatz aus jahrelang gewonnenen Erkenntnissen im Mietrecht nachweisen (OLG Stuttgart Urteil vom 24. Januar 2004, Az. 2 U 91/07) Gleiches betrifft auch den „Versicherungsspezialisten“ (OLG Nürnberg, Urteil vom 20.03.2007, Az. 3 U 2675/06). Und obwohl die Bezeichnung als „Sachverständiger“ nicht geschützt ist, darf sich als solcher nur im Rechtsverkehr ausgeben, wer über eine überdurchschnittliche Erfahrung verfügt und sich aus der Masse der im einschlägigen Berufsfeld Tätigen heraushebt (BGH, Urteil vom 06. Februar 97, I ZR 185/12).

Und so könnte es hier endlos weitergehen, aber ich denke, es ist schon jetzt klar genug geworden, dass bei der Wahl der eigenen Bezeichnung ein jeder doch ein wenig Vorsicht walten lassen sollte…

I am the one! – Die beliebte Nr. 1 Werbung

Gerne genommen ist die Werbung mit einer Allein- bzw. Spitzenstellung wie „Marktführer“, „größter Baumarkt am Ort“, „wirksamstes Shampoo“, „familienfreundlichstes Unternehmen“. Klingt alles gut. Und natürlich darf man mit den Worten „Marktführer“ oder „kundenfreundlichstes Unternehmen“ werbe, wenn, ja, wenn das auch so ist. Und das muss nachgewiesen werden. Zum Beispiel durch Studien (insb. bei Aussagen wie „wirksamstes Shampoo“), durch Umfragen oder durch Auszeichnungen, durch die die betreffende Eigenschaft festgestellt wurde (z.B. bei der Eigenschaft der Familienfreundlichkeit). Urteile? Ja, Urteile gibt es dazu wie Sand am Meer. Einen ersten Überblick gibt es zum Beispiel bei Omsels, Online-Kommentar zum UWG, § 5, Allein- und Spitzenstellungswerbung.

Und noch was ganz anderes: SPAM durch falsche Ortsbezeichnungen

Wenn ich örtlich beschränkte Leistungen einerseits anbiete bzw. anzubieten habe und andererseits dem gegenüber Menschen stehen, die örtlich beschränkt Leistungen suchen und dazwischen ein Newsletter geschaltet wird, kann es haarig werden.

Was meine ich? Nun, ist man auf der Suche nach einer Immobilie und richtet einen Suchauftrag bei einem Immobilienportal ein, dann hat man Postleitzahlen für die Räume, in denen man sucht, einzugeben. Und schon bekommt man regelmäßig Angebote von Immobilien aus diesen Gebieten übersendet. Als Makler könnte man nun denken, dass für jemand, der im PLZ-Bereich A sucht, auch der angrenzende PLZ-Bereich noch interessant sein könnte. Also könnte man ja auch die PLZ des A-Bereichs bei eigenen zu vermakelnde Immobilie angeben, obwohl die Immobilie selbst eben nicht in dem Bereich A, sondern im angrenzenden Bereich steht.

Tja. Gute Idee aus Makler-Sicht. Schlechte Idee, wenn die Abmahnung kommt. Denn vom OLG Hamburg werden Emails, die ein Angebot aus einem angrenzenden, aber nicht angegebene PLZ-Bereich enthält, als unverlangt zugesendete Email und damit als „unzumutbare Belästigung“, ergo SPAM im Sinne von § 7 UWG betrachtet. Und das Ganze bei einem Streitwert von 25.000,00 EUR, (OLG HH, Beschluss vom 05. September 2013, Az. 3 W 68/13). Das wiederum heißt, dass die freundliche Abmahnung allein gut 1.200,00 EUR kostet. Selbiges kann dann der eigene Anwalt noch einmal für die außergerichtliche Bearbeitung verlangen. Macht also knapp 2.500,00 EUR an eigenen und fremden Anwaltskosten. Toll.

Streitwerte & Fazit

Und wo wir hier schon beim Thema sind: Die Streitwerte in Wettbewerbssachen zeigen schnell nach oben. Streitwerte unter 10.000,00 EUR geht es eigentlich nie. Dem gegenüber rauschen sie auch mal an die 100.000,00 EUR ran und in Einzelfällen geht es auch darüber. D.h.  für so ein bisschen unlautere Werbung, die sich eine Abmahnung einfängt, sind dann bei einem Streitwert von 10.000,00 EUR knapp 1.800,00 EUR für den eigenen und fremden Anwalt im außergerichtlichen Verfahren zu berappen. Das Prozessrisiko in der ersten Instanz liegt dann bei 4.500,00 EUR. Bei 100.000 EUR an Streitwert sieht das schon anders aus: Da steht für das außergerichtliche Verfahren ein Betrag von knapp 5.000,00 EUR an und das Prozesskostenrisiko in der ersten Instanz liegt bei fast 14.000,00 EUR.

Und wer jetzt müde lächelt und meint, den Betrag aus der Portokasse zahlen zu können, der möge einmal überlegen, wie er es finden würde, tatsächlich Beteiligter an einem (außer-)gerichtlichen Verfahren zu sein. In der Regel nimmt das kaum ein Unternehmer, bzw. eine betroffene Abteilung total cool, denn schließlich bedeutet ein Verfahren immer: sich kümmern müssen, es dem Chef (oder dem eigenen Budget) erklären und nicht ganz sicher sein, wie es denn ausgeht

In diesem Sinne,

Klappern gehört zum Handwerk – aber vielleicht doch nicht zu laut.