Archiv der Kategorie: Presserecht

Von Content-Marketing (Y-Titty), Leserporträts (Handelsblatt) und Schleichwerbung

Erst Im Herbst letzten Jahres nahmen wir uns der oben genannten Thematik mit dem Blogpost „Schleichwerbung: Wenn Content zu Werbung und die Werbung zum Problem wird“ an. Den Inhalt des Artikels kann man in aller Kürze wie folgt zusammenfassen

Egal, ob bei der Zeitung, dem Fernsehen oder dem Internet: Überall gilt das Trennungsgebot. Danach müssen die Zuschauer und Leser klar zwischen Werbung und redaktionellen Inhalten unterscheiden können.“

Mit dem vorstehenden Satz hat Stephan Dirks das mittels verschiedener Normen (Landespressegesetze, Telemediengesetz, Rundfunkstaatsvertrag) für alle Medien geltende Trennungsgebot in einem Interview zum Schleichwerbeverdacht bei Y-Titty für das SHZ Medienhaus auf den Punkt gebracht.

Zum Trennungsgebot an sich, möchte ich an dieser Stelle gar nicht mehr Worte verlieren, sondern vielmehr an dieser Stelle auf den genannten Blogartikel zur Schleichwerbung von Stephan Dirks verweisen.

Fakt ist, dass uns – auch vor dem Hintergrund der „Good News“ Entscheidung des BGH, wonach die Kennzeichnung einer Anzeige mit „Sponsered by“ nicht ausreichend ist – vermehrt Beratungsanfragen zum Thema „Content Marketing“ erreichen. Also zu der Frage, was denn nun eigentlich (noch) zulässig ist. Schließlich kann es doch in einem Magazin (gleich ob on- oder offline) doch gebuchte Werbung zu einem Unternehmen geben und trotzdem ein redaktioneller Beitrag erscheinen. Oder? Und wenn das möglich ist, dann kann doch das Unternehmen auch dafür bezahlen, dass der redaktionelle Beitrag eine prominenten Platzierung erhält. Oder? Und klar dürfen redaktionelle Beiträge nicht bezahlt werden – aber ich kann doch einem Unternehmen doch die Nutzungsrechte an einem spannenden Unternehmensporträt verkaufen. Oder?

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LG Augsburg: Grundsätzlich kein „Quellenschutz“ für User in Foren von redaktionellen Angeboten (Fall Augsburger Allgemein Zeitung)

Ende Januar stand die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss in den Redaktionsräumen der Augsburger Allgemeinen Zeitung (AAZ) und verlangte die Herausgabe von den Nutzerdaten eines Users, der im Online-Forum der Zeitung einen Kommentar hinterlassen hatte. Der Fall wurde in der Presse und von Kollegen ausgiebig diskutiert.

Ich beschäftigte mich ebenfalls mit der Causa „Augsburger Allgemeine Zeitung“. Während sich Journalisten-Verbände ob der Vorgehensweise „empört“ zeigten und auch geschätzte Kollegen wie Rechtsanwalt Stadler den Durchsuchungsbeschluss als Eingriff in die Pressefreiheit werteten, schätzte ich die Lage gänzlich anders ein. In meinem Artikel  „Beschlagnahmeverbot in Redaktionen steht der Herausgabe von Nutzerdaten entgegen – Ist das so?“ erläuterte ich ausführlich, warum ein sogenannter „Quellenschutz“ für Kommentatoren in Online-Foren von redaktionellen Angeboten nicht greifen und auch die Pressefreiheit der Redaktionen nicht verletzt sein kann. Ich argumentierte im Januar dazu wie folgt:

Richtig ist, dass – wie oben gesagt – auch die Quellen der Presse einen besonderen Schutz genießen und die Redaktionen diese Quellen (aus gutem Grund!) nicht preisgeben müssen. So stellte das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 77/96 mwN) längst klar, dass “der Schutz der Pressefreiheit … ebenfalls die Wiedergabe von Beiträgen Außenstehender, einschließlich der anonymen Veröffentlichung von Zuschriften Dritter” [umfasst].

Aber vorliegend handelt es sich gerade nicht um eine anonyme Veröffentlichung von Zuschriften Dritter DURCH die Redaktion und damit des Presseorgans selbst.

Es verhält sich in der Regel so, dass derartiger User Generated Content nicht die Redaktion durchläuft und damit nicht Teil des redaktionellen Angebots wird – sprich die Beiträge geprüft und im redaktionellen Kontext eingebettet und freigegeben werden. Im Fall solch einer Prüfung und Selektion wäre die Redaktion als Forenbetreiber für Äußerungen Dritter voll verantwortlich. Doch auch wenn sie keine inhaltlich Prüfung der Beiträge vornehmen, sind Forenbetreiber über die sogenannte Störerhaftung für die Äußerungen Dritter verantwortlich, d.h. der Forenbetreiber haftet jedenfalls ab Kenntnis einer Rechtsverletzung auf Unterlassung, gegebenenfalls kann sich der Forenbetreiber aber auch schadensersatzpflichtig gegenüber dem Verletzten machen, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hat und diese nicht beseitigt. Aus exakt diesem Grund betonen Forenbetreiber in der Regel, dass sie inhaltlich nicht für die Beiträge Dritter, also der Kommentatoren, verantwortlich sind. In den Nutzungsbedingungen der Augsburger Allgemeinen Zeitung heißt es dazu in Ziffer 7 wörtlich: 

Der Nutzer ist für die von ihm eingestellten Beiträge allein verantwortlich. Die Betreiberin vermittelt lediglich den Zugang dazu.”

Den kompletten Artikel können Sie hier gerne nachlesen. Die AAZ legte jedenfalls gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde ein und so hatte das Landgericht Augsburg über dessen Rechtmäßigkeit zu befinden. Die Entscheidung ist nach Angabe der AAZ nun ergangen

Durchsuchung im konkreten Fall rechtswidrig

Leider liegt mir die Entscheidung selbst nicht vor. Nach Meldung der AAZ war die Beschlagnahme von Nutzer-Daten im konkreten Fall rechtswidrig. Die Bezugnahme auf den konkreten Fall ist vorliegend wichtig. Denn nach Angabe der AAZ entschied das Landgericht, dass der Durchsuchungsbeschluss deswegen rechtswidrig ergangen sei, weil die diesem Beschluss zu Grunde liegende Äußerung bei wertender Gesamtbetrachtung keine strafbare Äußerung gewesen sei (Wie gesagt, zu den konkreten Äußerungen und deren rechtlicher Einordnung konnte ich nichts sagen, da mir eben diese genauso wenig wie der zur rechtlichen Betrachtung notwendige Kontext vorlagen)

Forennutzer unterfallen nicht dem Schutzbereich der Pressefreiheit

Das LG Augsburg konstantierte weiter aber, dass Userbeiträge weder dem redaktionellen Bereich zuzuordnen noch als Informant eines Pressemitarbeiters anzusehen seien. Die Verantwortung liege allein beim jeweiligen Nutzer. Sic! (s.oben)

Diese Feststellung traf das Landgericht augenscheinlich sehr ausdrücklich. Denn der bearbeitende Redakteur der AAZ Sascha Borowski schrieb darauf einen Kommentar mit dem Titel „Beschlagnahme in der AZ: Der Internetnutzer als Informant„. Hierin leitet der Redakteur aus dem Fakt, dass das Sender-Empfänger-Prinzip in Zeiten von Social Media obsolet geworden ist, ab, dass damit der Kommentator in einem Online-Forum eines redaktionellen Angebots zu einem „Informanten“ der Presse werde. Er schreibt

„Nicht selten gewinnen Redakteure daraus [Anm. d. Verf.: Online-Foren] Informationen  und Ansätze für weitere Recherchen: Aus dem einstigen Prinzip Sender-Empfänger ist ein Miteinander von professionellen Journalisten und mündigen Lesern geworden. […]Wenn Leser zu Informanten werden wollen, müssen sie Redaktionen vertrauen können, dass ihre Daten vertraulich behandelt werden.“

Und weiter heißt es dann:

„Dem Argument, dass Forennutzer vielen Redaktionen heute auch als Informanten dienen und ihre Daten deshalb vom Redaktionsgeheimnis besonders geschützt sind, wollte das Augsburger Landgericht aber leider nicht folgen. Und das ist fatal.“

Das ist überhaupt nicht fatal. Denn völlig richtig hat das Gericht erkannt, dass ein Kommentator nicht deswegen zu einem Informanten der Presse wird, weil er einen eigenen – unabhängigen – Beitrag in einem Online-Forum schreibt, von dem sich das Presseorgan qua eigener Nutzungsbedingungen ausdrücklich distanziert und den darüber hinaus im Zweifel noch nicht einmal ein Mitarbeiter des Presseorgans zur Kenntnis genommen hat. Wo sollte also der Informantenstatus liegen? Und auch nimmt der User eines Forums nicht „aktiv“ an der Berichterstattung des Presseorgans Teil. Genauso wenig wie nicht jeder Leserbrief, die täglich in den Redaktionen ankommen, sogleich Teil der redaktionellen Berichterstattung ist. Es mangelt an der redaktionellen Prüfung, Bewertung und Einbettung in das redaktionelle Angebot.

Was wäre das auch für ein Widerspruch (dazu s. a. oben): Auf der einen Seite könnte sich sich das Presseunternehmen ausdrücklich von den Inhalten Dritter qua Nutzungsbedingungen distanzieren, um eben für diese nicht (voll umfänglich) haften zu müssen, andererseits könnten sie für genau den gleichen Kommentar bzw. Kommentator die Pressefreiheit und den Quellenschutz reklamieren? Das hier etwas auch in dieser Hinsicht mehr als nur hakt, ist offensichtlich.

Fazit

Die Entscheidung des Landgerichts Augsburg ist zu begrüßen. Ich bin auf die Entscheidung im Wortlaut gespannt. Und denke, der Fall wird weiterhin für Diskussionen sorgen. Und so freue ich mich schon jetzt auf den Schlagabtausch mit dem Kollegen Stadler bei ForNet-Symposium der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik an der Universität Passau.

In diesem Sinne,

besser auch im Online-Forum von SZ, FAZ, AAZ & Co nett bleiben! ’nd