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Heimtücke im #Neuland – Falsche Bewertungen im Internet

Kurz mal weg von den Social Media Richtlinien hin zu Bewertungen im Internet. Mein Partner RA Stephan Dirks hatte hier im Blog erst kürzlich eine Entscheidung des LG Kiel am Wickel, die sich mit Ansprüchen auf Löschung wegen schlechter Bewertungen im Web befasste. Nun habe ich mich für die LEAD digital mit der Thematik beschäftigt. Herausgekommen ist dabei der Artikel

Heimtücke 2.0: So gehen Sie gegen falsche Bewertungen vor

Das just FYI.

Viel Spaß beim Lesen.

In diesem Sinne,

click!„.

LG Augsburg: Grundsätzlich kein „Quellenschutz“ für User in Foren von redaktionellen Angeboten (Fall Augsburger Allgemein Zeitung)

Ende Januar stand die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss in den Redaktionsräumen der Augsburger Allgemeinen Zeitung (AAZ) und verlangte die Herausgabe von den Nutzerdaten eines Users, der im Online-Forum der Zeitung einen Kommentar hinterlassen hatte. Der Fall wurde in der Presse und von Kollegen ausgiebig diskutiert.

Ich beschäftigte mich ebenfalls mit der Causa „Augsburger Allgemeine Zeitung“. Während sich Journalisten-Verbände ob der Vorgehensweise „empört“ zeigten und auch geschätzte Kollegen wie Rechtsanwalt Stadler den Durchsuchungsbeschluss als Eingriff in die Pressefreiheit werteten, schätzte ich die Lage gänzlich anders ein. In meinem Artikel  „Beschlagnahmeverbot in Redaktionen steht der Herausgabe von Nutzerdaten entgegen – Ist das so?“ erläuterte ich ausführlich, warum ein sogenannter „Quellenschutz“ für Kommentatoren in Online-Foren von redaktionellen Angeboten nicht greifen und auch die Pressefreiheit der Redaktionen nicht verletzt sein kann. Ich argumentierte im Januar dazu wie folgt:

Richtig ist, dass – wie oben gesagt – auch die Quellen der Presse einen besonderen Schutz genießen und die Redaktionen diese Quellen (aus gutem Grund!) nicht preisgeben müssen. So stellte das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 77/96 mwN) längst klar, dass “der Schutz der Pressefreiheit … ebenfalls die Wiedergabe von Beiträgen Außenstehender, einschließlich der anonymen Veröffentlichung von Zuschriften Dritter” [umfasst].

Aber vorliegend handelt es sich gerade nicht um eine anonyme Veröffentlichung von Zuschriften Dritter DURCH die Redaktion und damit des Presseorgans selbst.

Es verhält sich in der Regel so, dass derartiger User Generated Content nicht die Redaktion durchläuft und damit nicht Teil des redaktionellen Angebots wird – sprich die Beiträge geprüft und im redaktionellen Kontext eingebettet und freigegeben werden. Im Fall solch einer Prüfung und Selektion wäre die Redaktion als Forenbetreiber für Äußerungen Dritter voll verantwortlich. Doch auch wenn sie keine inhaltlich Prüfung der Beiträge vornehmen, sind Forenbetreiber über die sogenannte Störerhaftung für die Äußerungen Dritter verantwortlich, d.h. der Forenbetreiber haftet jedenfalls ab Kenntnis einer Rechtsverletzung auf Unterlassung, gegebenenfalls kann sich der Forenbetreiber aber auch schadensersatzpflichtig gegenüber dem Verletzten machen, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hat und diese nicht beseitigt. Aus exakt diesem Grund betonen Forenbetreiber in der Regel, dass sie inhaltlich nicht für die Beiträge Dritter, also der Kommentatoren, verantwortlich sind. In den Nutzungsbedingungen der Augsburger Allgemeinen Zeitung heißt es dazu in Ziffer 7 wörtlich: 

Der Nutzer ist für die von ihm eingestellten Beiträge allein verantwortlich. Die Betreiberin vermittelt lediglich den Zugang dazu.”

Den kompletten Artikel können Sie hier gerne nachlesen. Die AAZ legte jedenfalls gegen den Durchsuchungsbeschluss Beschwerde ein und so hatte das Landgericht Augsburg über dessen Rechtmäßigkeit zu befinden. Die Entscheidung ist nach Angabe der AAZ nun ergangen

Durchsuchung im konkreten Fall rechtswidrig

Leider liegt mir die Entscheidung selbst nicht vor. Nach Meldung der AAZ war die Beschlagnahme von Nutzer-Daten im konkreten Fall rechtswidrig. Die Bezugnahme auf den konkreten Fall ist vorliegend wichtig. Denn nach Angabe der AAZ entschied das Landgericht, dass der Durchsuchungsbeschluss deswegen rechtswidrig ergangen sei, weil die diesem Beschluss zu Grunde liegende Äußerung bei wertender Gesamtbetrachtung keine strafbare Äußerung gewesen sei (Wie gesagt, zu den konkreten Äußerungen und deren rechtlicher Einordnung konnte ich nichts sagen, da mir eben diese genauso wenig wie der zur rechtlichen Betrachtung notwendige Kontext vorlagen)

Forennutzer unterfallen nicht dem Schutzbereich der Pressefreiheit

Das LG Augsburg konstantierte weiter aber, dass Userbeiträge weder dem redaktionellen Bereich zuzuordnen noch als Informant eines Pressemitarbeiters anzusehen seien. Die Verantwortung liege allein beim jeweiligen Nutzer. Sic! (s.oben)

Diese Feststellung traf das Landgericht augenscheinlich sehr ausdrücklich. Denn der bearbeitende Redakteur der AAZ Sascha Borowski schrieb darauf einen Kommentar mit dem Titel „Beschlagnahme in der AZ: Der Internetnutzer als Informant„. Hierin leitet der Redakteur aus dem Fakt, dass das Sender-Empfänger-Prinzip in Zeiten von Social Media obsolet geworden ist, ab, dass damit der Kommentator in einem Online-Forum eines redaktionellen Angebots zu einem „Informanten“ der Presse werde. Er schreibt

„Nicht selten gewinnen Redakteure daraus [Anm. d. Verf.: Online-Foren] Informationen  und Ansätze für weitere Recherchen: Aus dem einstigen Prinzip Sender-Empfänger ist ein Miteinander von professionellen Journalisten und mündigen Lesern geworden. […]Wenn Leser zu Informanten werden wollen, müssen sie Redaktionen vertrauen können, dass ihre Daten vertraulich behandelt werden.“

Und weiter heißt es dann:

„Dem Argument, dass Forennutzer vielen Redaktionen heute auch als Informanten dienen und ihre Daten deshalb vom Redaktionsgeheimnis besonders geschützt sind, wollte das Augsburger Landgericht aber leider nicht folgen. Und das ist fatal.“

Das ist überhaupt nicht fatal. Denn völlig richtig hat das Gericht erkannt, dass ein Kommentator nicht deswegen zu einem Informanten der Presse wird, weil er einen eigenen – unabhängigen – Beitrag in einem Online-Forum schreibt, von dem sich das Presseorgan qua eigener Nutzungsbedingungen ausdrücklich distanziert und den darüber hinaus im Zweifel noch nicht einmal ein Mitarbeiter des Presseorgans zur Kenntnis genommen hat. Wo sollte also der Informantenstatus liegen? Und auch nimmt der User eines Forums nicht „aktiv“ an der Berichterstattung des Presseorgans Teil. Genauso wenig wie nicht jeder Leserbrief, die täglich in den Redaktionen ankommen, sogleich Teil der redaktionellen Berichterstattung ist. Es mangelt an der redaktionellen Prüfung, Bewertung und Einbettung in das redaktionelle Angebot.

Was wäre das auch für ein Widerspruch (dazu s. a. oben): Auf der einen Seite könnte sich sich das Presseunternehmen ausdrücklich von den Inhalten Dritter qua Nutzungsbedingungen distanzieren, um eben für diese nicht (voll umfänglich) haften zu müssen, andererseits könnten sie für genau den gleichen Kommentar bzw. Kommentator die Pressefreiheit und den Quellenschutz reklamieren? Das hier etwas auch in dieser Hinsicht mehr als nur hakt, ist offensichtlich.

Fazit

Die Entscheidung des Landgerichts Augsburg ist zu begrüßen. Ich bin auf die Entscheidung im Wortlaut gespannt. Und denke, der Fall wird weiterhin für Diskussionen sorgen. Und so freue ich mich schon jetzt auf den Schlagabtausch mit dem Kollegen Stadler bei ForNet-Symposium der Forschungsstelle für IT-Recht und Netzpolitik an der Universität Passau.

In diesem Sinne,

besser auch im Online-Forum von SZ, FAZ, AAZ & Co nett bleiben! ’nd

Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten gegen einen Blogbetreiber (Auskunftsanspruch §§ 242, 259 BGB)

Es kommt immer wieder vor, dass User Kommentierungs- oder sonstige UserGeneratedContent-Funktionen von Blogs oder sonstigen Seiten dazu benutzen, andere User herabzuwürdigen, zu schmähen, zu beleidigen oder sich in Bezug auf Dritte geschäftsschädigend zu äußern. Die durch andere Nutzer Verletzten können gegen diese aber in der Regel nicht direkt vorgehen, da die User zumeist unter einem Pseudonym auftreten und nur dem Seitenbetreiber die realen Daten des verletzenden Nutzers bekannt sind.

Da dies natürlich eine unbefriedigende Situation für denjenigen ist, dessen Persönlichkeitsrecht verletzt oder dessen Unternehmen geschäftsschädigende Äußerungen ertragen muss, beschäftigen sich folgerichtig zunehmend die Gerichte mit diesem Thema.

Wer nun meint, dieses Thema hätte es im Blog doch schon einmal gegeben, der erinnert sich augenscheinlich und zu recht an meinen Blogpost „AG München – Herausgabe von Nutzerdaten durch einen Forenbetreiber?“aus März 2011. Dort analysierte ich das Urteil des AG München, Az.: 161 C 24062/10, das sich eben mit der Frage beschäftigte, ob Forenbetreiber die Nutzungsdaten von Usern, die (vermeintlich) geschäftsschädigende Äußerungen innerhalb des Forums tätigten, herausgeben müssen.

Das tl;dr Ergebnis des AG München dazu lautet: Nein, der Forenbetreiber muss die Daten nicht herausgeben, es gäbe keinen zivilrechtlichen Anspruch auf Herausgabe, jedenfalls stünde dem der Datenschutz vor (so KG Berlin, Az.: 10 U 262/05, im Jahr 2006). Der verletzte Nutzer sei nicht rechtschutzlos, er könne sich per Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft wenden und diese könne dann die Daten heraus verlangen.

Mein tl;dr Ergebnis lautet hingegen: Ich hielt und halte die Entscheidung des AG München sowohl rechtlich als auch praktisch für äußerst fragwürdig. Die Argumente des AG München überzeugen nicht. Dem Verletzten muss der Auskunftsanspruch aus § 242, 259 BGB zur Seite stehen. (Wer meine ausführliche Analyse zu dem Urteils des AG München lesen möchte, bitte hier entlang.)

OLG Dresden bejaht den Auskunftsanspruch nach §§ 242, 259 BGB

Nun hat sich zu Beginn diesen Jahres das OLG Dresden (Az.: 4 U 1850/11) in einem sog. Hinweisbeschluss mit der Materie befasst. Die Entscheidung ist interessant und mir persönlich eine Freude, schließt sich das OLG Dresden doch meinen Ausführungen zum Auskunftsanspruch nach § 242, 259 BGB an. *ähem.*hust. Natürlich nicht. 😉 Vielmehr stützt es sich auf die – auch von mir zitierten und zur Begründung herangezogenen – Ausführungen des Bundesgerichtshofs (BGH) zu § 242, 259 BGB, also die quasi seit dem Anbeginn der Zeit (BGH, Az. II ZR 149/52 vom 28.10.1953)  bis heute gültige (BGH, I ZR 291/98 vom 17. Mai 2001) ständige Rechtsprechung des BGH.

Zwar spricht das OLG Dresden im vorliegenden konkreten Fall den Auskunftsanspruch dem Kläger nicht zu. Dies jedoch nur deswegen, da es sich bei der im Streit stehenden Äußerung um ein von der Meinungsfreiheit gedecktes Werturteil handelte (Einzelheiten dazu: OLG Dresden (Az.: 4 U 1850/11), I, 2. a), b) und c).

Ausführlich weist das Gericht jedoch darauf, dass der allgemein bürgerrechtliche Auskunftsanspruch nach § 242, 259 BGB grundsätzlich anwendbar ist. Das OLG Dresden führt wörtlich in Ziffer I 4. b) dazu aus:

Er [Am. der Redaktion: Der Auskunftsanspruch] besteht grundsätzlich in jedem Rechtsverhältnis, in dem der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechtes im Ungewissen und der Verpflichtete unschwer zur Auskunftserteilung in der Lage ist (so bereits BGHZ 10, 385). Unter diesen Voraussetzungen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann gegeben, wenn nicht der in Anspruch Genommene, sondern ein Dritter Schuldner des Hauptanspruchs ist, dessen Durchsetzung der Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung ermöglichen soll (BGH GRUR 2001, 841; GRUR 1995, 427; GRUR 1994, 635).“

Übersetzt bedeutet dies: Der durch einen bspw. Blog-Kommentar Verletzte kann seine Verletzung schlecht verfolgen, da er den Verletzer, also den „bösen“ Kommentator nicht kennt. Der Blogbetreiber hingegen kann die zu dem Verletzer führenden Daten, wie dessen Email-Adresse, leicht auffinden und herausgeben. Dies muss er auch tun, denn:

Stellt sich ein Kommentar in einem Blog als rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verletzten dar, unterliegt nämlich auch der Blogbetreiber ebenso wie ein Hostprovider unter bestimmten Voraussetzungen, namentlich bei Verletzung von Prüfpflichten, der allgemeinen Störerhaftung (BGH, Urteil vom 25.10.2011, VI ZR 93/10 – zitiert nach Pressemitteilung; NJW 2011, 753; CR 2010, 458; Senat, Hinweisbeschluss vom 7.10.2011, 4 U 919/11 n.v.).“

Und dann kommt es:

Der Auskunftsanspruch ergibt sich dann als Minus zu den ansonsten bestehenden Ansprüchen auf Unterlassung und Löschung persönlichkeitsverletzender Einträge.

Sic! Eben. Der Auskunftsanspruch nach §§ 242, 259 BGB auf Herausgabe der Nutzerdaten steht also dem Verletzten gegenüber dem Blog- oder sonstigen Seitenbetreiber zu.

Nicht verhehlen möchte ich aber, dass sich das Urteil ausdrücklich – gar im Leitsatz (!) – gegen den am 03.08.2011 ergangenen Hinweisbeschluss des OLG Hamm (Az. I-3 U 196/10) stellt, welcher das Bestehen des Auskunftsanspruchs eben so wie das AG München unter Verweis auf die vorgeblich fehlende „planwidrige Regelungslücke“ verneint.

Wie gesagt, die besseren Argumente sprechen mE für die Auffassung des OLG Dresden. Bei diesen divergierenden oberlandesgerichtlichen Rechtsauffassungen bleibt jedoch abzuwarten, was irgendwann einmal der BGH zu dieser Frage sagen wird…

In diesem Sinne,

auf konstruktiven statt rechtsverletzenden UserGeneratedContent! 🙂