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Das AG Hintertupfingen & die Impressumspflicht – oder anders: Ruhig Blut!

Was das AG Hintertupfingen und die Impressumspflicht miteinander zu tun haben? Nun ungefähr soviel wie der folgende Dialog zwischen zwei Juristen wiedergibt:

Entscheidend ist hier der erste Tweet von Jens, den ich ohne Comment re-tweetet habe und mein zweiter Tweet.

Wie kommen Jens und ich auf diesen blödsinnigen Dialog? Nun, alle Welt zerreißt sich gerade wegen der „neuen“ Impressumspflicht auf Facebook (und dann, psst, wohl auch auf GooglePlus). Bei Facebook wird eine Impressums-App nach der nächsten feilgeboten, bei GooglePlus gibt am „Tag der Unternehmensseite“ nahezu jeder einen Kommentar dazu ab, wie denn nun der Impressumspflicht nachzukommen sei (inklusive falscher Zitierung von Gerichtsentscheidungen und der Warnung vor den nun schon bekannten Horden von Abmahnanwälten, die alle alle Impressen abmahnen sowie sofort reich werden) und hinsichtlich Xing erreichen mich Fragen, ob dort nun auch jedes Profil ein Impressum bräuchte, schließlich würden entsprechende Meldungen rumgehen….

Kein Wunder, dass bei dieser „Hysterie“ Jens nur noch ein fiktives AG Hintertupfingen einfällt, um das Ganze zu toppen. Mich würde nicht wundern, wenn dieser Tweet von dem einen oder anderen nicht als Ironie des Rechts, sondern als „ernste Warnung“ verstanden worden ist…. Das verwundert den geneigten Juristen insbesondere vor dem Hintergrund, dass zeitgleich unzählige Impressen gleich ob auf Webseiten oder Social Networks vor mangelnden und/oder falschen Angaben nur so strotzen und mehr als gerne dabei auf das TDG oder den MDStV verwiesen wird. Beides Gesetze, die seit 4 (in Worten: vier (!)) Jahren außer Kraft sind.

Kurz: Nach meiner Praxiserfahrung kümmert sich seit Jahren kaum einer um die rechtskonformen, vollständigen Inhalte seines Impressums (trotz einschlägiger Urteile, bspw.: Zum Fehlen der Handelsregister-Nummer OLG Hamm– Az. 4 U 213/08; zur Notwendigkeit einer Telefonnummer OLG Köln – Az.: 6 U 109/03, zur Angabe einer Aufsichtsbehörde OLG Hamburg – Az. 3 W 64/07) und nun wird sich verrückt gemacht, ob denn und wenn ja, wie, eine Impressums-Angabe unter dem Punkt „Über mich“ ausreicht.

Puuh. Also, fangen wir doch einfach mal ganz von vorne an und bringen den Blutdruck erstmal wieder runter.

Ruhig Blut! – Die Rechtslage ist dem Grunde nach ziemlich unaufgeregt. 

Zunächst einmal schreibt § 5 TMG schon seit dem 01.03.2007 vor, dass jeder, der geschäftsmäßig einen Telemediendienst anbietet, ein Impressum vorzuhalten hat (Vor dem 01.03.2007 fand sich diese Regelung in dem aufgehobenen TDG, § 6, und MDStV, § 10, für die jeweiligen Dienste). Das ist jeder, der eine Website, einen Blog, einen Twitter-Account, eine Facebook-Seite, eine GooglePlus-Seite oder ähnliches vorhält, die nicht rein privat ist (Es lebe der Cat-Content!). § 5 TMG statuiert dann auch ziemlich genau, was alles in ein Impressum hinein muss – einfach mal lesen. Daneben können dann noch weitere Informationspflichten auftreten, bswp. nach der Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung. Folgerichtig beschäftigte sich der Kollege Krieg auf Kriegs-Recht auch schon im Jahr 2009 mit der Impressumspflicht bei Twitter.

Nichts Neues also im Land des Rechts. Vielmehr hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Jahr 2006 mit der Frage beschäftigt, ob und wie ein Impressum zu erreichen sein muss und stellte dabei fest:

  1. Die Angabe einer Anbieterkennzung bei einem Internetauftritt, die über zwei Links erreichbar ist (hier: die Links „Kontakt“ und „Impressum“), kann den Voraussetzungen entsprechen, die an eine leichte Erkennbarkeit und unmittelbare Erreichbarkeit iSv. § 6 TDG und § 10 Abs. 2 MDStV (Anm. der Redaktion: Jetzt § 5 TMG) zu stellen sind.
  2. Um den Anforderungen des § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB an eine klare und verständliche Zurverfügungstellung der Informationen i.S. von § 1 Abs. 1 BGB-Info-VO im Internet zu genügen, ist es nicht erforderlich, dass die Angaben auf der Startseite bereit gehalten werden oder im Laufe eines Bestellvorgangs zwangsweise aufgerufen werden müssen.

Einfacher gesagt: Mit dem BGH Urteil I ZR 228/03 ward die oft zitierte und von allen Seiten genannte 2-Klick-Regel in höchstrichterliche Rechtsprechung gegossen – bis heute. Jedenfalls ist mir eine Abkehr des Gerichts hiervon nicht bekannt.

Und nun kommt das LG Aschaffenburg, Az.: 2 HK O 54/11 mit den folgenden Aussagen:

„… keine Notwendigkeit besteht, dass sich das Impressum unter der gleichen Domäne befindet, wie das angebotene Telemedium. Es sei auch zulässig, auf das Impressum der eigenen Website zu verlinken

Damit wird nicht nur meines Erachtens (vgl. hier Kollege Thomas Schwenke auf Spreerecht) soweit die 2-Klick-Regelung des BGH bestätigt.

Doch merkwürdigerweise heißt es dann weiter:

Nach den Angaben des Geschäftsführers der Antragsgegnerin kam man über den Punkt „Info“ zur Webseite und damit zum Impressum. Die leichte Erkennbarkeit ist damit aber nicht gegeben.

Die Pflichtangaben müssen einfach und effektiv optisch wahrnehmbar sein. Sie müssen ohne langes Suchen auffindbar sein. Bezüglich der Bezeichnung des Links werden Bezeichnungen wie z.B. Nutzerinformationen mangels Klarheit abgelehnt (vgl. Micklitz/Schirmbacher Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Auflage 2011 § 5 TMG Randnr. 21).

Deshalb liegt bereits in der Bezeichnung „Info“ ein Verstoß gegen § 5 Telemediengesetz vor.“

Aha. Also, ich wundere mich. Sehr. Auch der Bundesgerichtshof stellt alldieweil bei seinen Beurteilungen auf den „verständigen Internetnutzer“ (vgl. bspw. BGH, I ZR 166/07) ab – und nun soll eben dieser verständige Internetnutzer nicht in der Lage sein, unter dem Punkt „Info“ das Impressum leicht aufzufinden? Ich zitiere in diesem Zusammenhang mit voller Zustimmung auch noch einmal den Kollegen SchwenkeMittlerweile hat sich bei Unternehmensseiten durchgesetzt, dass sich hinter dieser Seite die Anbieterinformation befinden. Auch bei den Facebooknutzern dürfte man unterstellen, dass diese hier klicken werden, wenn sie Informationen zu einem Facebookseitenbetreiber suchen.“

Im Übrigen wundere ich mich auch sehr, dass das LG Aschaffenburg gänzlich auf eine Bezugnahme auf die Entscheidungen des BGH in dieser Angelegenheit verzichtet und stets nur die Kommentar-Literatur heranzieht. Ein doch etwas ungewöhnlicher Vorgang in der Rechtsprechung.

Von daher sei hier einmal klar gestellt, dass es sich bei dem Urteil des LG Aschaffenburgs um ein Urteil eines Landgerichts von vielen in Deutschland handelt, das darüber hinaus scheinbar die bestehende Rechtsprechung des BGH nicht berücksichtigt hat.

Dass sich die Auffassung des LG Aschaffenburg durchsetzt, halte ich neben anderen  für unwahrscheinlich.

Und insoweit ist, mit Verlaub, diese oben näher erläuterte Impressen-Hysterie, hinsichtlich Facebook, Google+ & Co doch ein wenig unangebracht. Angebracht wäre es hingegen, zu überprüfen, ob das eigene Impressum vollständig ist und es im Sinne der 2-Click-Regel zur Verfügung zu halten – an Orten und Stellen, die dem verständigen User geläufig sind.

Dann machen Juristen auch keine blöden Juristen-Witze mehr. 😉

In diesem Sinne,

durchatmen.