So oder so ähnlich sehen oft die Reaktionen in Agenturen aus, sollte die Sprache auf den Agenturvertrag beziehungsweise auf Allgemeine Geschäftsbedingungen für das Agenturbusiness kommen. Die Verantwortlichen weisen dann gerne auf die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit den Kunden und (so zumindest bei uns im Norden) den Wert des „Hamburger Kaufmannsehrenwortes“ hin. Selbst Projekte mit erheblichen Umsatzvolumina werden nicht selten „auf Zuruf“ abgeschlossen. Dass sich Agenturen lieber mit Kreation und der Umsetzung, inklusive dem wirtschaftlichen Erfolg eines Projekts, als mit juristischen Eventualitäten auseinandersetzen, ist auch nur allzu verständlich. Und diese Vorgehensweise ist gut, solange es gut geht. Aber wenn nicht, dann können die aus mangelnden klaren Vereinbarungen resultierenden Kosten schnell jegliche Budgets sprengen. Ganz abgesehen davon, dass mit verfahrenen Projekten einfach immer Ärger im Haus steht, der dann auch personell Ressourcen bindet.
Das eben beschriebene „Laissez-faire“ hinsichtlich der rechtlichen Absicherung speist sich in der Regel aus zwei Gründen: Zum einen meinen die Verantwortlichen mit einer Auftragsbestätigung doch bereits alles Wesentliche geregelt zu haben. Und zum anderen fehlt die Kenntnis an welchen Stellen überhaupt mit projektgefährdenden Problemen zu rechnen ist. Das führt dann naturgemäß dazu, dass Agenturverträge bzw. AGB als nicht wichtig erachtet werden.
Tja, und deswegen kommt hier jetzt einfach mal ein kleiner (im Ergebnis doch etwas größer geratener) Überblick in zwei Teilen zum Thema „Agenturvertrag“:
I. Ich habe bereits AGB! – (Uff, da brauch ich nicht weiterzulesen.)
Lieber Leser, wenn Ihnen das gerade durch den Kopf schoss, dann möchte ich Ihnen mit dem Nachstehenden wirklich nicht zu nahe treten. Ich sage aber trotzdem „Vielleicht sollten Sie dennoch weiterlesen.“. Denn nach meiner Erfahrung ist die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre AGB tatsächlich die für Ihre Agenturarbeit erforderlichen Punkte enthalten, sehr gering. Sollten Sie nicht nur AGB haben, sondern diese auch etliche von den hier im Folgenden aufgeführten Punkten beinhalten, dann gratuliere ich recht herzlich zur guten Anwaltswahl! (Und nein, das ist weder ironisch noch arrogant gemeint, es gibt wirklich tolle Kollegen!)
Sollten Sie Ihre AGB irgendwo aus diesem Internet zusammengeklaubt und kopiert haben, dann sage ich an dieser Stelle nichts, sondern verweise einfach freundlich auf meinen Artikel „Warum das Kopieren von AGB unangenehme Folgen haben kann – Urteil des AG Köln (Az. 137 C 568/12)“ im Social Media Recht Blog und hoffe, dass Sie im Anschluss wiederkommen und hier weiterlesen.
II. Ich hab eine Auftragsbestätigung! (Oder: Vertragsschluss und Leistungsumfang)
Wenn Sie eine Auftragsbestätigung vorliegen haben, ist das ein natürlich ein Erfolg. Herzlichen Glückwunsch!
Jedenfalls dann, wenn Sie damit auch wirklich einen Vertrag in der Tasche haben. Denn sollten Sie auf ein Angebot einen Satz wie „Wir geben die Arbeiten wie anliegend, aber mit der Änderungen XYZ, in Auftrag.“ erhalten, dann ist das juristisch besehen keine Annahme eines Angebots, sondern die Abgabe eines neuen Angebots vom Kunden gegenüber der Agentur. Es existiert kein Vertrag. Aber das wird sicher kein Problem werden, denn Sie streiten ja nicht mit dem Kunden.
Weiter sollten mittels des Auftrags die zu erbringenden Leistungen konkret beschrieben sein und/oder auf entsprechende Konzepte in der Auftragsbestätigung verwiesen werden. Wozu das gut ist? Warum ich die Champagnerlaune zerstören will? Nun ja. Lautet die Leistung „individuelle Website zur Unternehmenspräsentation erstellen“ dann können die Vorstellung von Agentur und Kunde, was darunter zu verstehen ist, ziemlich weit auseinandergehen und der Umfang der Leistungspflicht damit äußerst unklar sein. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie als Agentur sagen „Fertig!“ und der Kunde sagt „Nö, das ist jetzt aber nicht hübsch/fehlen noch 20 Unterseiten/ist doch ganz anders als besprochen“? Was machen Sie dann? Vermutlich streiten Sie herum, was als „fertig“ gilt. Zur Streitschlichtung bleiben in dem Fall zwei Möglichkeiten: Sie ziehen Ihre Forderungen hart durch und haben vermutlich am langen Ende einen Kunden weniger. Oder Sie kommen dem Kunden entgegen, machen im Zweifel aber mit dem Kunden Verlust. Beides ist unschön.
Empfehlung:
Stellen Sie per AGB klar, wann und wie ein Vertragsschluss zum Auftrag überhaupt zu Stande kommt (schriftliche Bestätigung des Angebots, handschriftliche Abzeichnung eines Angebots mit Rückfax oder Email oder genügt die schlichte Textform?). Stellen Sie weiter klar, dass sich der jeweils konkrete Leistungsumfang aus dem Auftrag ergibt. Das entbindet Sie dann nicht von der Pflicht hinreichend konkrete Angebote für den Auftrag zu schreiben – aber ich verspreche Ihnen, das ist ganz in Ihrem eigenen Interesse.
Mehr zu diesem speziellen Thema finden Sie Übrigens auch in unserem Artikel: „Von Lastenheften, Pflichtenheften und was das gerade bei agilen Projekten mit Verträgen zu tun hat“
III. Pitch it! (Oder: Der Schutz von „Ideen“)
Bevor der erste „richtige“ Auftrag zu Stande kommt, hat die Werbewelt in der Regel den Pitch gesetzt. Der beste aller Fälle wäre natürlich, wenn die Arbeit für den Pitch regulär beauftragt, voll bezahlt und es insoweit zu verschmerzen wäre, wenn nach dem Pitch eine andere Agentur mit der Umsetzung der eigenen Werbe-Konzeption beauftragt würde. Die Welt ist jedoch nicht rosa-rot. Und Agenturen müssen zum Teil beim Pitch in Vorleistungen gehen. In dem Fall möchte man als Agentur vor „Ideenklau“ natürlich gefeit sein. Und so finden sich in zahlreichen AGB Formulierungen wie diese:
„Die im Rahmen des Auftrags erarbeiteten Leistungen sind als persönlich geistige Schöpfungen durch das Urheberrechtsgesetz geschützt. Diese Regelung gilt auch dann als vereinbart, wenn die nach dem Urhebergesetz erforderliche Schöpfungshöhe nicht erreicht ist.“
Da die Formulierung vermutlich dem einen oder anderen so nichts sagt, hier eine kurze Erläuterung: Nach dem Urheberrechtsgesetz sind geistige Leistungen nur dann geschützt, wenn sie eine gewisse „Schöpfungshöhe“ erreichen. Eine Idee allein reicht dafür nicht. Erst wenn eine Idee sich hinreichend manifestiert hat, zum Beispiel in Skizzen oder Konzeptblättern, kann es sich um eine geistige, manifestierte Leistung mit der notwendigen Schöpfungshöhe nach dem Urheberrechtsgesetz handeln. Kann, muss aber nicht. Denn die Grenze, ab wann eben diese Schöpfungshöhe erreicht ist, ist fließend.
Da es nun gerade beim Pitch aber letztendlich auf die Präsentation von Ideen ankommt, versuchen Agenturen solche Leistungen, die eigentlich nicht dem Schutz des Urheberrechts unterfallen, qua AGB zum geschützten Gut zu machen. Ob nach dem Urheberrechtsgesetz nicht schützenswerte Leistungen per Vertrag mit den gleichen Rechten ausgestattet werden können (Anspruch des verletzten Urhebers auf Unterlassung und Schadensersatz), ist eine spannende Frage. Wir haben das in der Kanzlei kontrovers diskutiert und stellten fest, dass es zu dem Thema „Kann vertraglich ein Urheberrecht für nicht urheberrechtsfähige Arbeiten vereinbart werden“ keine Rechtsprechung in Deutschland gibt. Der OGH (Oberster Gerichtshof, Österreich) der sagt dazu etwas. Aber das hilft uns hier auch nicht weiter. Einig sind wir uns in der Kanzlei darüber, dass die oben zitierte und oft zu findende Formulierung einer AGB-Prüfung nicht standhalten würde, da „im Rahmen des Auftrags erarbeitete Leistung“ schlicht zu weit und damit zu unbestimmt ist.
Davon abgesehen, muss auch einmal klargestellt werden, dass eine vertragliche Regelung nur inter partes, also zwischen den Parteien gilt. Ein Dritter ist von der Verabredung nicht betroffen und könnte damit jederzeit die Idee oder das Konzept umsetzen.
Empfehlung:
Lassen Sie sich die Arbeit eines Pitches schon als regulären Auftrag entsprechend entlohnen. Wenn das nicht möglich ist, halten Sie in Ihren AGB eine Klausel vor (oder vereinbaren Sie diese individuell), wonach Ihre Arbeit auch dann den Regelungen des Urheberrechtsgesetzes unterfällt, wenn die Arbeiten nicht die Anforderungen des Urheberrechtsgesetzes treffen. Doch Vorsicht, solch eine Klausel muss auch dem Bestimmtheits- und Transparenzgeboten des AGB-Rechts entsprechen.
IV. Das fließende Projekt (Oder: Auftragsänderungen und –erweiterungen)
Der Regelfall im Agenturgeschäft ist, dass der Auftrag am Ende des Projekts einen anderen Inhalt oder Umfang hat, als zu Beginn. Damit trotzdem alles „klar“ bleibt, sollte schon in den AGB festgehalten sein, wie mit Auftragsänderungen oder –erweiterungen umzugehen ist.
Zunächst einmal existiert der oben benannten Auftrag, in dem – im besten Fall – hinreichend konkrete Leistungsbeschreibungen stehen. Dazu wird in der Regel ein Projektplan ausgearbeitet, in dem festgehalten wird, wann welche Leistung erbracht werden soll. Dieser Projektplan sollte qua AGB Teil des Vertrages werden. Bezüglich der Änderungen von Auftragsinhalten sollte es die Möglichkeit geben, diese Auftragsänderungen durch übereinstimmende Emails zum Vertragsgegenstand zu machen (Plakatives Beispiel: Die Grundfarbe einer Applikation soll nicht mehr rot, sondern blau sein). Wenn damit eine Auftragserweiterung einhergeht (bspw. weil das Farbkonzept schon im Auftrag feststand und die Programmierung bereits arbeitet), so sollte ebenfalls im Agenturvertrag bzw. den AGB festgehalten sein, dass derartige Auftragserweiterung jederzeit möglich, aber natürlich vom Kunden zu bezahlen sind. Um dem lebendigen Projektablauf dabei gerecht zu werden, müssten KVAs für Auftragserweiterungen per Email abgegeben und angenommen werden können und damit ebenfalls Teil des Vertrages zwischen Agentur und Kunde werden können.
Klingt kompliziert? Ist es nicht, wenn das einmal in den AGB festgehalten und im Arbeitsablauf eingeübt wird. Kompliziert wird es wenn es keine vernünftigen AGB, ein Angebot, aber keine Annahme dieses Angebots, sondern nur abändernde neue Angebote (s.o., kein Vertragsschluss in dem Fall), erbrachte (Teil-)Leistungen und mannigfaltige weitere Auftragsänderungen und –erweiterungen sowie hierzu wieder erbrachte (Teil-)Leistungen und (Teil-)Zahlungen gibt. In einem solchen (realen!) Fall stritten Agentur und Kunde darüber, welche Leistungen schon erbracht waren, welche noch zu erbringen sein sollten, welche redundant waren und welche zu bezahlen sein sollten. Die Parteien waren – Überraschung – ganz unterschiedlicher Auffassung. Im Raum stand ein Betrag von mehreren 10.000,00 EUR. Das Problematische daran aus juristischer Sicht: Es war nahezu unmöglich nachzuvollziehen, wer wem welche Leistungen schuldete, weil dafür unzählige Emails, Projektpapiere und wechselseitig gestellte Rechnungen ausgewertet werden mussten. Einem Richter hätte die Vorlage der Papiere vermutlich nicht amüsiert und er hätte auf einen Vergleich der Parteien gedrungen.
Empfehlungen:
Bilden Sie in Ihren AGB die Tatsache von fließenden, sich ändernden und erweiternden Projekten ab. Implementieren Sie darüber hinaus Arbeitsabläufe in der Agentur, die den AGB entsprechen. In diesem Fall sollte es dann zu einem nicht kommen: Zum Streit über die Frage, was von wem wann zu leisten ist.
V. Der Kunde liefert die Vorlagen nicht! (Oder: Die Mitwirkungspflichten)
Ein weiteres regelmäßig auftauchendes Praxis-Problem sieht aus wie folgt: Die Agentur ist verpflichtet einen Leistungsbaustein bis zum Zeitpunkt x abzuliefern. Zwingend notwendig ist dabei die Mitarbeit des Kunden, der bestimmte Unterlagen zeitig vorher der Agentur zu übergeben hat. Trotz mehrmaligen Nachfragens werden die Unterlagen nicht übergeben. Der Zeitpunkt x ist von der Agentur unter normalen Umständen nicht mehr zu schaffen. Das gesamte Projekt wird sich verzögern. Die Frage ist, wer trägt die Konsequenzen? Hat die Agentur nun Tag und Nacht durchzuarbeiten? Und was ist, wenn auch das nicht ausreicht? Haftet dann die Agentur, wenn das Projekt insgesamt nicht rechtzeitig fertig wird?
Empfehlung:
Halten Sie Mitwirkungspflichten im Agenturvertrag fest! Und beschreiben Sie die Folgen, die aus einer Verletzung der Mitwirkungspflichten resultieren.
Das Schlusswort – vorerst.
Ich denke, dem einen oder anderen Leser schwirrt an dieser Stelle schon der Kopf. In Folge dessen belassen wir es zunächst bei dem Vorstehenden und kümmern uns beim nächsten Mal im zweiten Teil der Serie um die folgenden Themen im Agenturvertrag:
VI. Social Media Accounts (Oder: Wem gehört was?)
VII. Hey! So dürfen die das aber nicht nutzen! (Oder: Rechteeinräumungen)
VIII. Haftung & Gewährleistungen (Bleibt: Haftung & Gewährleistung)
IX. Upselling Dirks & Diercks Rechtsanwälte (Oder: Rechtskonformität)
X. Fazit
In diesem Sinne,
bis dahin!
tl;dr: Ein guter Agenturvertrag bzw. gute Agentur-AGB sind (nur vermeintlich) kompliziert. Noch komplizierter wird es, wenn es keine guten AGB gibt und ein Projekt implodiert. Nächstes Mal gibt es noch mehr davon.