Bundesgerichtshof (BGH) verneint Auskunftsanspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten gegen Betreiber eines Internetportals – Ich bin betrübt.

Mit einem Seufzen auf den Lippen sah ich heute morgen auf Twitter die Nachricht, dass BGH einen Auskunftsanspruch gegenüber Portalbetreibern verneint. Ich hoffte auf ein Missverständnis. Doch hier ist sie nun die

Pressemitteilung des BGH vom 01.07.2014.

Demnach sei

der Betreiber eines Internetportals […] in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.

Nach dem es bislang nur widersprechende Entscheidungen so zum Beispiel vom AG München, Az 161 C 24062/10 (Auskunftsanspruch verneinend) oder dem OLG Dresden (Az.: 4 U 1850/11) (Auskunftsanspruch bejahend) gab, hatte ich sehr auf eine klärende Entscheidung des BGH gehofft. Nun bin ich betrübt. Sehr. Denn ich halte die Entscheidung des BGH hier an dieser Stelle dem Rechtsverletzten nicht den allgemeinen Auskunftsanspruch aus § 242, 259 BGB zu gewähren, für falsch.

Warum und wieso ich die Entscheidung für falsch halte den Auskunftsanspruch zu negieren, das habe ich ausführlich in meinen Artikeln

AG München – Herausgabe von Nutzerdaten durch einen Forenbetreiber?

Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzerdaten gegen einen Blogbetreiber (Auskunftsanspruch §§ 242, 259 BGB)

erläutert.

Die Kurzfassung der bisherigen Artikel lautet: 

Richtig ist, dass keine im Sinne von § 12 Abs. 2 TMG spezielle Ermächtigungsgrundlage für die Herausgabe von Daten bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen existiert. Gemäß § 14 Abs. 2 TMG darf der Diensteanbieter nur Auskunft über derartige Daten „auf Anordnung der zuständigen Stellen“ (Polizei, Staatsanwaltschaft oder Zivilgericht) erteilen, soweit dies

  • zu Zwecken der Strafverfolgung,
  • zur Gefahrenabwehr,
  • zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutz, des BND, BKA oder MDA,
  • zur Terrorabwehr,
  • zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum

erforderlich ist.

Wir sehen also, wir sehen nichts in Bezug auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Kann dann aber das Ergebnis lauten, dass der Rechtsverletzte auf die Staatsanwaltschaft angewiesen ist? Denn diese kann ja eben zu Zwecken der Strafverfolgung, die Daten herausverlangen. Wenn ein Rechtsverletzter aber eben diese Hilfe der Staatsanwaltschaft in Anspruch nimmt und dazu zwangsweise einen Strafantrag wegen Beleidigung oder Verleumdung stellt, dann ist die Aufregung im Web groß. Schließlich werde da ja mit der Kanone auf Spatzen geschossen (frei zusammengefasst).

Dem in seiner Persönlichkeit Verletzten bleibt nur der Gang zur Staatsanwaltschaft, wenn er des Rechtsverletzers habhaft werden will.  

Ja, ich stimme zu, dass in solchen Fällen mit der Anrufung der Staatsanwaltschaft irgendwie mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Nur – nach dem BGH bleibt dem an der Persönlichkeit Verletzten nicht wirklich etwas anderes.

Der Rechtsverletzte kann einen Unterlassungsanspruch gegen den einen Diensteanbieter durchsetzen. Dann erscheinen zumindest auf diesem einem Portal keine derartig beleidigenden oder sonst in das Persönlichkeitsrecht eingreifenden Kommentare. Was aber wenn der „Kommentator“ dann in seiner ihn wunderbar schützenden Anonymität von Portal zu Portal zieht? Darf kann und soll der Rechtsverletzte dann mit seinem Anwalt ebenfalls von Portal zu Portal ziehen, um dort jeweils die Unterlassungsansprüche geltend zu machen? Also der Rechtsverletzte muss seinem Recht hinterherlaufen – im wahrsten Sinne des Wortes?

Ja, er muss. Denn wenn der Verletzte an den Verursacher der Rechtsverletzungen gelangen möchte, dann muss er die Staatsanwaltschaft bemühen. Die bemüht der Rechtsverletzer letztlich natürlich nur, um über das durch die StPO gewährte Akteneinsichtsrecht an die Daten des Rechtsverletzers zu gelangen. Aber dafür muss er eben die Keule des Strafantrags wegen Beleidigung und/oder Verleumdung stellen. Und die Staatsanwaltschaft muss mit der Kavallerie anrücken und mit dem Durchsuchungsbefehl drohen. Ein Spectaculum.

Was ist denn mit dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach §§ 242, 259 BGB?

Tja. Meines Erachtens und nach Erachten des OLG Dresden müsste eben dieser Anspruch aufgrund einer im Gesetz bestehenden Regelüngslücke hier zum Tragen kommen. (Für Einzelheiten bitte auf den Link klicken!). Ob sich der BGH tiefer mit dem allgemeinen Auskunftsanspruch und dem Verhältnis zum TMG auseinandergesetzt hat, bleibt abzuwarten. Dazu gibt die Pressemitteilung nichts her.

Da der BGH jedoch einen Auskunftsanspruch verneint und ausschließlich auf den Unterlassungsanspruch gegenüber dem Portalbetreiber sowie auf die Inanspruchnahme der Staatsanwaltschaft zur Durchsetzung der Rechte verweist, scheint der BGH eben diesen Auskunftsanspruch nicht anerkannt zu haben. Vermutlich erkennt der BGH ebenfalls keine Regelungslücke – wie das AG München und das OLG Hamm.

Der BGH erkennt in den bestehenden Gesetzen vermutlich keine Regelungslücke, die eine Anwendung des allgemeinen Auskunftsanspruchs ermöglichen würde

Wie hier keine Regelungslücke erkannt werden kann, ist mir schleierhaft. Da steht der an der Persönlichkeit Verletzte neben dem, dessen geistiges Eigentum verletzt wurde (dem z.B. ein Foto geklaut wurde) und muss mit ansehen, wie derjenige, dessen Urheberrechte verletzt wurden, munter zum Anwalt und im Zweifel zum Zivilrichter gehen kann und all seine Rechte durchgesetzt bekommt. Warum wird ein Persönlichkeitsrechtsverletzter schlechter gestellt als ein am Urheberrecht Verletzter? Das war doch nicht Wille des Gesetzgebers? Das ist doch die/eine klassische Regelungslücke. (Nochmal: Für Einzelheiten bitte die vorgehenden Artikel hier und hier lesen) Um nicht zu sagen: Auf die Begründung im Urteil des BGH bin ich gespannt…

Der an der Persönlichkeit Verletzte muss hingegen nun abwägen. Reicht die Unterlassungserklärung des Portalbetreibers? Wie hoch ist das Risiko, dass der Rechtsverletzer an anderer Stelle Verletzungen verbreitet? Was bedeutet es, wenn ich zur Staatsanwaltschaft gehe?

Die Hürde, die mit der Staatsanwaltschaft gesetzt wird, ist hoch. Man zeigt in der Regel nicht mal „so eben“ jemanden an. Zu dem besteht angesichts der öffentlichen Wahrnehmung von staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen in derartigen Fällen die Gefahr, am Ende – als Verletzter (!) – selbst am Pranger zu stehen. Gar nicht davon zu reden, dass zahlreiche Staatsanwaltschaften diese „Internetdelikte“ immer noch nicht ernst nehmen und das Verfahren dann mal gleich einstellen. Das heißt im Ergebnis, dass der Verweis auf die Staatsanwaltschaft die Rechtsschutzlosigkeit, welcher der an der Persönlichkeit Verletzte hier in Teilen ausgesetzt wird, eben nicht beseitigt.

Was also bleibt?

Der „halbe Rechtsbehehelf“ in Form Unterlassungsanspruch gegenüber dem Portalbetreiber. Und der „Hilfsrechtsbehelf“ über die Staatsanwaltschaft. Der Persönlichkeitsrechtsverletzte bleibt damit faktisch jedoch mehr oder minder rechtsschutzlos zurück. Er genießt jedenfalls nicht den gleichen Rechtsschutz wie sein an den Urheberrechten verletzter Kompagnon.

Fazit

Die Entscheidung ist weder schön noch sachgerechte. Die Versagung des Auskunftsanspruch trägt weder den rechtlichen noch tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung.

Jedoch: Was kratzt es die Eiche, wenn sich die Wildsau an ihr reibt? Will sagen, den Richtern am BGH sind meine Einlassung hier vermutlich völlig gleichgültig. (Das wären sie natürlich nicht, wenn sie vorher meine bestechenden Artikel zum Thema gelesen hätten! … Äh, oder so. *Hust.).

So bleibt mir nur das schwach glimmende Fünkchen Hoffnung, dass das was in der Pressemitteilung steht, gar nicht das Urteil selbst wider spiegelt. Ja, das gibt es. Aber wie gesagt, das Fünkchen glimmert hier eher kaum wahrnehmbar.

Und um eines auch noch zu betonen: Der BGH hat NICHT gesagt, wer anonym kommentiert müsse anonym bleiben dürfen. Der BGH hat laut Pressemitteilung nur gesagt, es geben diesen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nicht. Der BGH verweist sogar ausdrücklich auf die Staatsanwaltschaft („Darüber hinaus darf der Diensteanbieter nach § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 Satz 4 Telemediengesetz (TMG) auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies u. a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.„).

Ausblick

Nun, ich will es nicht verhehlen. Nicht nur die Richter des BGH gehen nicht mit der von mir (und den Richtern des OLG Dresden) vertretenen Rechtsauffassung konform. Nein. Oh weh, oh ach, welch Schmerz, gar mein eigener Kanzleipartner Rechtsanwalt Stephan Dirks, begrüßt das Urteil (bzw. die Presseerklärung).

Morgen schreibt er hier an Ort und Stelle, warum er das Urteil für richtig hält. 

(Das kann ja nichts werden. #duck #weg)

In diesem Sinne,

es bleibt spannend. Also, alles wie immer. Am besten brav bleiben und nicht unflätig werden, weder hier noch dort.