Twitter eröffnet Möglichkeit der Übersendung von Direktnachrichten durch alle Follower – gut für die Werbung oder?

Heise, bzw. TechCrunch, meldete heute Mittag, dass Twitter nach und nach eine neue Funktion einführt, wonach Direktnachrichten (DM) nun mehr an jeden Follower übersendet werden können. Zuvor war zum Austausch von Direktnachrichten das gegenseitige Folgen notwendig.

Klar, es hat seine Vorteile, wenn einem nun jeder Follower eine DM übersenden kann. Der Journalist Darell Etherington sieht es jedenfalls so, sinngemäß sagt er: Es befreit von den nervigen an ihn gerichteten Tweets mit der Anforderung „Bitte folge mir, damit ich Dir eine DM mit wichtigen Nachrichten schicken kann“, was sich am Ende doch bloß als fishing for permanent followers ohne jeden wichtigen Gehalt herausstellt.

Mag sein, dass  Mr. Etherington weniger @replies erhält, dafür dürfte es künftig wohl etwas mehr Werbung im DM-Postfach sein, die dann so oder so ähnlich aussehen könnte:

„Tolle Homepage, sehr schön designt. Aber wie wäre es mit einem verbesserten SEO/SEM? Einfach DM an @seonerds!“

 

Toll. Oder? Denn wenn einem nun jeder Follower eine DM übersenden kann, bedeutet das im Umkehrschluss, dass mir nun jeder, wie der fiktive @seonerds, eine DM übersenden kann, solange er mir nur folgt (und ich die Funktion grundsätzlich aktiv habe). Ob man das möchte oder das angenehm findet, ist die eine Sache, eine andere ist, ob diese mögliche Art der Werbung rechtliche Konsequenzen für die Versender haben kann. 

Elektronische Direktnachrichten, SPAM, Abmahnung – War da nicht was?

Ja, da war etwas. Abgesehen von meinem Beitrag hier im Blog „Werbung bei Twitter, Facebook & GooglePlus„, welcher sich auf schlichte Werbe-Tweets im Stream bezog, gibt es immer noch das UWG  (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Und gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gilt nun mal

Werbung gegenüber einem Verbraucher, die unter Verwendung […] elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, als unzumutbare Belästigung

Gucken wir uns noch mal schnell die Tatbestandsmerkmale (so schimpft ein Jurist die Kriterien des Gesetzes) an:

Werbung
Werbung ist, vereinfacht ausgedrückt, jedes Verhalten, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen zusammenhängt. (Vgl. § 2 UWG. Die oben gezeigte Direct-Message würde jedenfalls sehr klar als Werbung durchgehen. 

Direct-Messages auf Twitter = Elektronische Post?
Ja, es handelt sich unstreitig um elektronische Post im Sinne des UWG. Denn nach der Richtlinie 2002/58/EG über elektronische Kommunikation ist ”elektronische Post jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird.”. Sic.

Ausdrückliche Einwilligung
Es bedarf der Einwilligung und zwar der ausdrücklichen Einwilligung zur Werbung. Dies meint, dass die Einwilligung zum einen per Opt-In und nicht per Opt-Out zu erfolgen hat und zum anderen, dass sich die Einwilligung auch ausdrücklich und konkret auf die Übersendung von Werbung und nicht etwa nur auf die Zusendung von Nachrichten beziehen muss.

Wenn also so mancher nun schon aufgrund dieser vorgesehenen Opt-Out-Funktion

Screenshot Twitter Einwilligung

frohlockte, dem muss gesagt werden, dass diese Opt-Out-Funktion nicht hilft. Zum einen weil es eben ein Opt-Out ist und damit keine ausdrückliche Einwilligung. Und zum anderen, weil sich die „Einwilligung“ eben gerade nicht auf die Übersendung von Werbung bezieht.

Also, tja, doof. Tatbestandsvoraussetzungen verwirklicht, was sind denn dann die Rechtsfolgen?

(Soweit ich weiß, wird es ein Opt-Out sein, aber selbst wenn es sich um ein Opt-In handeln sollte, mangelt es an der Einwilligung zum Erhalt von Werbung).

Rechtsfolgen unzulässiger Werbe-Direct-Messages

Die Rechtsfolgen kann bald niemand mehr hören, aber ich führe sie hier mal trotzdem auf:

Zunächst einmal gibt es eine Abmahnung verbunden mit der Aufforderung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und die Rechtsverfolgungskosten zu erstatten.

Denn die Übersendung von unverlangter Werbung mittels elektronischer Post stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers dar. Denn der Wille des Empfängers, seinen persönlichen Lebensbereich von jedem Zwang zur Auseinandersetzung mit Werbung nach Möglichkeit freizuhalten, ist als Ausfluss seines personalen Selbstbestimmungsrechts schutzwürdig (so schon das Amtsgericht Brakel im Jahr 1998 (!), jawoll!). In Folge dessen hat der Empfänger solcher unerwünschter elektronischer Post einen Anspruch auf Unterlassung und Erstattung der Rechtsverfolgungskosten (Erstattung der Abmahnkosten) gegenüber dem Versender aus §§ 823, 1004 BGB.

Mitbewerber und Verbraucherschützer und ähnliche Verbände können natürlich auch mit einer Abmahnung dagegen vorgehen – und zwar direkt aus dem Wettbewerbsrecht.

Nun interessieren vermutlich am ehesten die damit verbundenen Kosten. Auch wenn die Gerichte die Streitwerte bei derartigen SPAM in der Regel nur noch bei 3.000,00 EUR (oder gar weniger) festsetzen, kann es im Einzelfall durchaus höher gehen. Das KG Berlin führte dazu jüngst in einem Beschluss vom 09.08.2013 aus, dass ein Streitwert von bis zu 7.500,00 EUR durchaus angemessen sein kann, „wenn die Kommunikation mittels E-Mail für den Antragsteller erkennbar von besonderer geschäftlicher oder beruflicher Bedeutung (also nicht nur rein privat) ist.“. Flugs den Prozesskostenrechner angeworfen, macht das zwischen 334,75 EUR und 729,23 EUR für die Abmahnung.

Übrigens, wer meint, dass seien hier schon wieder alles Geschichten aus Yucca-Palme der Anwaltschaft, der möge doch einmal kurz beim Kollegen Dramburg vorbeischauen, der schon 2010 von einer ihm vorliegenden Abmahnung wegen der Werbung via einer Direct-Message auf Twitter berichtete.

Was sagt Twitter dazu?

Twitter findet SPAM offiziell auch nicht gut. Es heißt in den „Twitter-Regeln“ zu SPAM:

Sie dürfen den Service, den Twitter anbietet, nicht dazu einsetzen, jemanden zu spammen. Die Definition dessen, was als „spammen“ gilt, wird sich immer wieder erweitern, da wir auf neue Tricks und Taktiken von Spammern reagieren. Einige der Kriterien, die wir anwenden, um zu beurteilen, ob gespammt wird, sind: […]

Bei Verstoß gegen die dort aufgeführten Regelungen wird mit einer Sperrung gedroht. Und natürlich darf man Twitter sowieso nicht rechtswidrig nutzen und muss die nationalen Gesetze beachten … aber das nun ja, das schreiben sie alle und sollte an sich ohnehin Konsens sein. Aber wie dem auch sei, da sind wir dann wieder dabei, dass ungewollte Werbung per DM eben nicht geht.

Und sonst so?

Da wiederhole ich einfach nochmal das Zitat aus Artikel “ “5 Gründe, warum Turis Twitter-Werbung ein Irrweg ist” von Medial & Digital aus aus dem Jahre 2009:

“Wofür bezahlen Unternehmen eigentlich ihren Social-Media-Beratern viel Geld für ausgefeilte Kommunikationskonzepte im Social Web (”Wir müssen die Nutzer engagieren“, ”Dialog auf Augenhöhe“, ”authentisch sein“, “bloß kein old-school Push-Marketing“), wenn ihnen dann doch nichts Besseres einfällt, als genau wie vor zehn Jahren langweilige und nichtssagende Werbebotschaften herauszublasen.”

Das zitierte ich schon 2011 und hat immer noch seine Berechtigung.

Die PC Welt übrigens, die schreibt zu der Änderung „Zwar ist das Update ein nur sehr kleines, der Zweck dahinter aber recht offensichtlich: Vor allem Firmen haben so nun die Möglichkeit, Nachrichten von Ihren Nutzern via Twitter zu erhalten und zu beantworten„. Ach ja. Da hab ich ein bisschen gelacht.

In diesem Sinne,

Werbung per Twitter Direct-Message kann man machen, muss man aber nicht.