Archiv für den Monat: Dezember 2012

Update: T. versus SPIEGEL – LG Köln gibt T. einstweilen Recht

Erst gestern äußerte ich mich zu einem Blogbeitrag der Rechtsabteilung des SPIEGEL. In diesem berichtete die Rechtsabteilung von einer Abmahnung, die der SPIEGEL wegen der Veröffentlichung eines Bildes eines derzeit immens in der öffentlichen Berichterstattung stehenden Mannes erhielt. Alle Einzelheiten dazu und zu der Vorgeschichte, kann hier in meinem vorgehenden Artikel nachgelesen werden.

Wie meinem Artikel unschwer zu entnehmen ist, bin ich auch der Auffassung, dass die Veröffentlichung des Bildes rechtmäßig gewesen ist.

Das Landgericht Köln sah dies im einstweiligen Verfügungsverfahren aber offensichtlich anders, wie die Rechtsabteilung nun ebenfalls berichtete. Da es sich hier aber nur um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelt, bedeutet dies nicht, dass damit eine abschließende Entscheidung getroffen wäre. Diese bleibt abzuwarten. Der SPIEGEL will offensichtlich in die Hauptsache und möglicherweise durch die Instanzen gehen – wie dem Nachtrag auf dem SPIEGELBlog entnommen werden kann.

Es bleibt also spannend. Und auch, ob die Berichterstattung (Neudeutsch: „Litigation-PR“) der Rechtsabteilung fortgeführt wird.

Nun aber,

Frohe Weihnachten!

PS: Herr T. ist hier abgekürzt und wird es bald auch in dem anderen Artikel sein, da die Artikel vermutlich auch dann noch auffindbar sein werden, wenn das öffentliche Interesse an seiner Person möglicherweise nicht mehr in dem heutigen (rechtfertigenden) Ausmaße besteht.

T. versus SPIEGEL- Jetzt wird es schlüpfrig! (Oder auch: Das alte Kunsturhebergesetz höchst aktuell)

Gerade gestern las ich in der aktuellen Spiegel-Ausgabe den Bericht über Fabian T. – mit dabei ein Foto des die Öffentlichkeit scheuenden Mittdreißigers.

Die Vorgeschichte

Der Programmierer wird auch von seriösen Blättern wie der (alldieweil seligen) FTD gerne mal als „Porno-König“ bezeichnet. Schließlich hat der Mann, der hinter Seiten wie youporn oder brazzers steht, das digitale Sex-Geschäft derart gut verstanden, dass er über die Jahre ein florierendes millionenschweres Imperium aufgebaut hat. Dieses Imperium ist durch ein – sagen wir mal so – komplexes Firmenkonstrukt gekennzeichnet. Nach Angabe der Welt existieren mehr als 35 Tochterunternehmen der „Manwin“ genannten Firma T.s, welche sich  Medienberichten zur Folge unter anderem in den Luxemburg, Belgien, Zypern, Kanada, USA und Deutschland befinden.

Dass ein Unternehmer bemüht ist, Steueroptimierungen vorzunehmen, ist moralisch vielleicht verwerflich, rechtlich jedoch nicht. Gerüchte, dass die Firma mit Schwarzgeld hantiere und Steuern hinterziehe wies T. gegenüber der FTD noch im Oktober diesen Jahres zurück: Zwar sei Manwin steueroptimiert aufgebaut, „aber das als Steuerhinterziehung zu deuten ist einfach nicht korrekt“.

Die Kölner Staatsanwaltschaft sah das allerdings offensichtlich ebenso anders wie der zuständige Richter, der Anfang Dezember einen Haftbefehl wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung erließ. (Für die Laien unter uns: Ein Haftbefehl wird nicht erlassen, wenn die Ermittlungsbehörden nur so ein bisschen glauben, da könnte unter Umständen vielleicht eine Straftat vorliegen, der Beschuldigte muss der Tat dringend verdächtig sein und ein Haftgrund wie bspw. Fluchtgefahr bestehen (vgl. § 112 StPO).

Der Fall – das Bild

Doch da dieser Blog weder dafür bekannt ist, dass er sich mit Fragen des Steuerrechts oder der Strafprozessordnung auseinandersetzt und das zuvor Erzählte ja auch schon fast kalter Kaffee ist (die Berichterstattung zur Verhaftung „läuft“ seit 10 Tagen), geht es hier weder um das eine noch das andere, sondern um dieses unschuldige Foto, dass ich in der zweiten Zeile erwähnte. Das Bild wurde bei der Branchen-Veranstaltung „Internext Expo“ gemacht. Es zeigt Fabian T. sitzend auf einer Bühne in Jeans und Sweater und wurde vom SPIEGEL zur Illustrierung des oben genannten Artikels, in dem auch von eben dieser Veranstaltung berichtet wurde, in der aktuellen Ausgabe genutzt.

Und doch flatterte der Rechtsabteilung des SPIEGEL ein freundliches Schreiben ins Haus. Darin heißt es:

„Die Veröffentlichung und Verbreitung dieser Aufnahme in Ihrem Magazin erfolgte ohne das entsprechende Einverständnis unseres Mandanten in eine solche kontextfremde Nutzung. Der Nutzung seines Bildnisses durch Ihr Haus im hier erfolgten Rahmen hat unser Mandant zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Der Nutzung seines Bildnisses durch Ihr Haus im hier erfolgten Rahmen hat unser Mandant zu keinem Zeitpunkt zugestimmt.“ 

Woher ich das weiß? Nun, die Rechtsabteilung des SPIEGEL hat dieses Schreiben zum Anlass für den SPIEGELBlog Artikel „MyDirtyRight“ genommen. Auf eine herrlich süffisante Art und Weise wundert sich darin die Rechtsabteilung in aller Öffentlichkeit über das Stück Papier.

Die Rechtslage

Denn davon abgesehen, dass nach Angabe des SPIEGEL die Pressesprecherin von T. wohl selbst noch auf den „coolen Auftritt“ von ihm bei der Internext Expo hingewiesen hat, erlaubt das Kunsturhebergesetz  – auf das die Gegenseite selbst hinweist – die Veröffentlichung von Bildnissen einer Person bei dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ohne Einwilligung. So zum Beispiel dann, wenn

a) die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft und
b) kein berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht.

Wird an dieser Stelle das gute alte Bauchgefühl  gefragt (Unter Juristen sagt man „Judiz“. Das klingt besser.), so drängt sich schon die Frage auf, was denn das Schreiben nun soll. Denn dass Fabian T. momentan als sogenannte „Person der Zeitgeschichte“ aufgrund der Ereignisse rund um seine Person zu sehen ist, kann wohl nicht von der Hand gewiesen werden (wenn es brennend im Einzelnen interessiert: Schricker/Loewenheim, § 60/§ 23 KUG, Rn. 21 mvwN). Ich wüsste jedenfalls kein Argument.

Der ein oder andere mag sich nun daran erinnern und wird einwenden wollen, dass man auch und gerade bei Beschuldigten im Hinblick auf die Unschuldsvermutung und eine mögliche „Prangerwirkung“ Vorsicht bei der Abbildung von Personen walten lassen muss und schon insoweit ein berechtigtes Interesse, nämlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des sogenannten Anonymitätsinteresses der Veröffentlichung entgegenstünde. Doch wie heißt es im 3. Leitsatz der berühmten Lebach-Rechtsprechung so schön:

Für die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten verdient das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters.

Heißt: So lange ordentlich und nicht etwa reißerisch und sensationslüstern berichtet wird kann bei aktuellen Geschehnissen auch die Abbildung einer einer Straftat verdächtigen Person gerechtfertigt sein.

Bliebe die Frage, ob sonst noch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht?  Nun, das Foto ist weder der Intimsphäre zuzuordnen, noch steht es in einem falschen oder fehlendem Kontext. Wie gesagt, es ist ein Foto, dass den Mann bei der Arbeit zeigt – als Sprecher auf einer Konferenz im grauen Sweater. Und der Text, der berichtet eben über den Konzern, den Werdegang und ja, die Verhaftung von Herrn Fabian T..

„Hä?“

lautet dann auch die verständliche Reaktion der Rechtsabteilung des SPIEGEL auf das Schreiben von Tyllmanns Anwalt. Denn auch der wird § 23 KUG ganz sicher kennen.

Ein weiteres Detail ist noch erwähnenswert: Die Rechtsabteilung hat auch die Honorarforderung veröffentlicht. Den Nicht-Juristen unter meinen Lesern sei dazu gesagt, dass sich nach der Höhe des Gegenstandswertes die Höhe der Gebühren des Anwalts berechnet. Und einen Gegenstandswert von 100.000,00 EUR halte ich in der Sache für, mhm, etwas hoch gegriffen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Doch was sagen die Kollegen beim SPIEGEL abschließend zu der Sache:

Was das soll? Wir wissen es nicht (…) Unser gutes Recht, meinen wir. Aber das wird wohl weder in Luxemburg, Belgien noch Hamburg, sondern voraussichtlich vor Gericht in Köln entschieden.“

Ich bin gespannt und danke den Kollegen für den wirklich lesenswerten und kurzweiligen Artikel. Um ehrlich zu sein, das hätte ich der Rechtsabteilung dort nicht zugetraut. Das möge man mir verzeihen. Chapeau!

Die Welt verwendet übrigens ein ganz ähnliches Bild, wie das was hier in Rede steht, in ihrem Artikel „Youporn-Macher weist Steuerbetrugsvorwurf zurück„. Ob die auch schon Post bekommen haben? Oder mag seitens T. nicht mehr mit Springer gestritten werden, weil ein Prozess schon verloren wurde?

Ob die namentlich genannte Kanzlei von T. nun gegen die Veröffentlichung von Auszügen aus ihrem Schreiben gegen den SPIEGEL vorgehen und ob diese gar mich als Verfasser dieser Zeilen belangen könnte, das ist Stoff für mindestens einen weiteren Artikel.

In diesem Sinne,

auf bald!

Und falls Weihnachten dazwischen kommt: Ich wünsche ein frohes Fest im Kreis der Lieben!!

PS: Der vollständige Name von Fabian T. wurde gekürzt, da der Artikel vermutlich auch dann noch auffindbar sein wird, wenn das öffentliche Interesse an seiner Person möglicherweise nicht mehr in dem heutigen (rechtfertigenden) Ausmaße besteht.

Das Urteil des OLG München (Az.: 29 U 1682/12) zum Double-Opt-In verändert – nichts.

Die Veröffentlichung des Urteils des LG Münchens (Az.: 29 U 1682/12) ist nun schon ein paar Tage her. Der Aufschrei in der Online-Szene war groß. Es hieß, im Rahmen des Double-Opt-In versendete Bestätigungs-Emails seien Spam. Marketing-Fachzeitschriften wie Horizont („Steht das Email-Marketing vor dem Aus?„) und Blogs wie Gewerblicher Rechtsschutz Pro („Tod des Double-Opt-Ins„) griffen die Thematik entsprechend auf und rieten zum Teil  „Bis auf weiteres ist jedenfalls vom Double-Opt-In abzuraten“. Andere Kollegen, wie der hier schon oft zitierte Thomas Schwenke, hielten demgegenüber umgehend „Checklisten“ bereit, wie man weiterhin sicher Email-Marketing betreiben kann und darf („OLG München: Double-Opt-In-Bestätigungsemail ist Spam – Aber nicht, wenn Sie diese Checkliste beachten„).

Tja. Der Titel verrät es schon. Ich halte die Aufregung um das Urteil für, mhm, gegenstandslos. Jedenfalls im praktischen Zusammenhang mit dem Betreiben von Email-Marketing. Und rechtlich? Die Rechtsfindung könnte als einfallsreich beschrieben werden. Der Einfallsreichtum des OLG München liegt aber nicht auf einer Linie mit dem Bundesgerichtshof (BGH). Aufgrund dessen und aufgrund der zahlreichen Nachfragen, die ich zu dem Urteil in den letzten Tagen hatte, fühle ich mich bemüßigt, hier noch ein paar Zeilen zu verfassen, auch wenn sich viele andere ebenfalls schon mit dem Urteils auseinandergesetzt haben.

Aber zunächst zurück auf Start. Hier mal der Sachverhalt (soweit bekannt) und das Urteil des OLG München im Detail auseinander genommen:

Der Sachverhalt

Eine Steuerberatungsgesellschaft erhielt von einer Anlageberatung am 20. Februar 2012 eine Email mit dem Inhalt

„Betreff: Bestätigung zum H Newsletter

Willkommen bei unserem Newsletter(n)… Sie haben sich mit Ihrer Email-Adresse an folgendem oder folgenden Newsletter(n) angemeldet:

*Newsletter

Wenn diese Angaben richtig sind bitten wir Sie folgenden URL zu klicken um das Abonnement zu bestätigen http://www.h….eu/newsletter/?p…439

Sollte das aber ein Fehler sein, so bitten wir Sie diese Email einfach nur zu löschen.
Vielen Dank“

Im Verlaufe des Prozesses kam heraus, dass der Link in dieser Email vollkommen unstreitig seitens des Steuerberatungsbüros angeklickt wurde, denn schließlich wurde – unstreitig – nur dadurch die folgende Email am 21. Februar 2012 generiert und versendet:

„Betreff: Willkommen beim H Newsletter

Willkommen beim H Newsletter. Bitte speichern Sie diese eMail als Referenz.  Ihre eMail Adresse wurde für folgenden Newsletter hinterlegt:

*Newsletter

Um den Newsletter wieder abzubestellen klicken Sie bitte
http://www.h….eu/newsletter/?p…439b und folgen Sie den dort angeführten Schritten.
Um Ihre Kontaktangaben zu aktualisieren, klicken Sie bitte auf
http://www.h….eu/newsletter/?p…439b
Vielen Dank“

Das Steuerberatungsbüro sah in beiden Emails, die ihr ohne vorherige Einwilligung zugegangen seien, einen Wettbewerbsverstoß und einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Die Auffassung des OLG München

Das OLG bejahte einen Unterlassungsanspruch. Ein Wettbewerbsverhältnis sah das Gericht zwischen den Parteien nicht, so dass der Anspruch nur aufgrund eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach §§ 823, 1004 BGB der Klägerin zustand.

Hier statuiert das Gericht „Die Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung des Adressaten stellt einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb dar.“ So weit so klar. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist „Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern„. Und so folgert das OLG München, eine E-Mail, welcher das Bestreben zu Grunde liegt, eine ausdrückliche Einwilligung des Adressaten für weitere Werbemaßnahmen zu erlangen, enthalte das Ziel, die Erbringung eigener Dienstleistungen zu erbringen. Ergo handele es sich bei dieser E-Mail um eine Werbe-E-Mail – gleich ob weitere Werbung in der E-Mail enthalten sei. An dieser Stelle beruft sich das OLG auf die ein Urteil des BGH (Az.: I ZR 218/07) zur E-Mail Werbung, wonach unverlangte Werbe-E-Mails aufgrund der Notwendigkeit der Sichtung und Bewertung stets den Betriebsablauf stören; auch ist der Aufwand für das Aussortieren von Emails dann erheblich, wenn es sich um größere Zahlen unerbetener Emails handelt. In Folge dessen handele es bei der E-Mail um eine unzumutbare Belästigung und damit weiter um einen (unzulässigen) Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Damit ist die Bestätigungs-E-Mail nach dem OLG München unzulässig gewesen. Denn es mangele an einer Einwilligung zu einer derartigen „Werbe-E-Mail“. Schließlich konnte die Beklagte nicht beweisen, dass der Eintrag in die Mailing-Liste durch die Klägerin selbst erfolgte und mithin die notwendige Einwilligung des Steuerberatungsbüros zum Erhalt der Email vorlag. Und da die Beklagte die sogenannte Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, dass sich die Klägerin selbst in diese Liste eingetragen hat, trage, war da eben nichts zu machen. Die Bestätigungs-E-Mail ist also unzulässiger Spam.

Sagt das OLG München. Aber auch nur die E-Mail mit dem Bestätigungslink. Nicht die Willkommens-E-Mail vom 21. Februar. Denn da war ja klar, dass das Steuerberatungsbüro diese durch Klick auf den Bestätigungslink selbst ausgelöst hat.

Eine andere Auffassung

*Wumms. Da sitzt der eine geneigte Leser und muss erstmal schlucken. Hat das OLG also doch gesagt, dass das Double-Opt-In unzulässig ist, da ja solch eine Bestätigungs-E-Mail Spam ist und den BGH hat das Gericht auch noch zitiert. Also stimmt das alles!

Der andere geneigte Leser mag aber denken: Moment! Da war doch was. Es war doch vollkommen unstreitig, dass der Bestätigungslink durch das Steuerberatungsbüro selbst betätigt wurde. Wird dadurch nicht eben zum einen indiziert, dass sich das Steuerberatungsbüro auch selbst in die Liste zum Newsletter-Erhalt eingetragen hat? Denn andernfalls hätte es die Anmeldung zum Newsletter doch gar nicht bestätigen müssen? Und gibt es nicht auch schon eine dezidierte Rechtsprechung des BGH zum Double-Opt-In und eben nicht nur zur Email-Werbung an sich?

Ja. Und ja.

Die Rechtsprechung des BGH

Nach dem Gesetz bedarf die Email-Werbung der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung durch den Empfänger. Da ist kein Interpretations-Spielraum. Doch woher eine solche nehmen und nicht stehlen? Muss sich ein Unternehmen diese etwa schriftlich per Briefpost einräumen lassen, bevor es in zulässiger Weise per elektronischer Post Werben darf? Nach Auffassung des OLG München ist dem so. Doch eine derartige Praxisferne liegt dem BGH nicht, wie das Folgende zeigt:

Im Februar 2011 hatte sich der BGH (Az. I ZR 164/09) mit dem Double-Opt-In zu beschäftigen. Und zwar im Zusammenhang mit der Frage, ob mit dem Double-Opt-In-Verfahren auch der Beweis zu Einwilligung zur Telefonwerbung geführt werden kann. Die Einzelheiten sind hier nicht von Belang, können aber hier und hier im Blog gerne nachgelesen werden. Entscheidend ist, dass der BGH in dieser Entscheidung, die grundsätzliche Zulässigkeit des Double-Opt-In Verfahrens überhaupt nicht in Frage gestellt hat, sondern ganz im Gegenteil wie selbstverständlich von der grundsätzlichen Zulässigkeit ausgeht. So heißt in der Entscheidung des BGH wörtlich:

„Geht ein Teilnahmeantrag elektronisch ein, so kann dessen Absender durch eine E-Mail um Bestätigung seines Teilnahmewunsches gebeten werden. Nach Eingang der erbetenen Bestätigung kann angenommen werden, dass der Antrag tatsächlich von der angegebenen E-Mail-Adresse stammt. Hat der Verbraucher durch Setzen eines Häkchens in dem Teilnahmeformular bestätigt, dass er mit der Übersendung von Werbung einverstanden ist, ist grundsätzlich hinreichend dokumentiert, dass er in E-Mail-Werbung an diese E-Mail-Adresse ausdrücklich eingewilligt hat.“

Der BGH verweist auf seine eigene Rechtsprechung und statuiert weiter:

„Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Werbende mit einem solchen Verfahren ausreichend sichergestellt, dass es nicht aufgrund von Falscheingaben zu einer Versendung von E-Mail-Werbung kommt.“

Wir halten fest: Der BGH hält das Double-Opt-In für das reguläre Verfahren, um  die nach dem Gesetz geforderte ausdrückliche Einwilligung zum Versand von Newslettern und sonstigen Werbe-E-Mails durch den E-Mail-Empfänger einzuholen.

(Wichtig: Es reicht natürlich nicht aus, ganz allgemein zu behaupten, es werde stets nach dem Double-Opt-In-Prozess verfahren, sondern es muss der konkrete Einzelfall auch nachgewiesen werden können. Sprich, die Einwilligungen müssen protokolliert und gespeichert werden, damit sie gegebenenfalls vorgelegt werden können.)

Klick auf den Bestätigungslink indiziert Eintragung durch Empfänger

Die zuvor zitierte Rechtsprechung des BGH macht weiterdeutlich: Nicht nur das eigene Bauchgefühl hält einen dazu an, zu glauben, derjenige, der einen Bestätigungslink in einer Email zum Versand von Newslettern klickt, werde sich schon selbst dafür eingetragen haben. Auch die Richter des Bundesgerichtshof halten dies für die reguläre Lebenswirklichkeit, auf die entsprechend abzustellen ist. Wie beruhigend.

Fazit

Die Begründung des OLG München trägt nicht. Auch wenn in der Begründung auf das Urteil zur Email-Werbung des BGH (Az.: I ZR 218/07) zurückgegriffen wird: Es geht vorliegend eben nicht um eine E-Mail, die inhaltlich Werbung zu einem Unternehmen enthält und vollkommen unaufgefordert übersendet wird. Sondern es geht um eine reine Bestätigungs-Email. Und hier hätte zwingend das Urteil des BGH (Az. I ZR 164/09) zum Double-Opt-In zur Bewertung herangezogen werden müssen. Eine solche Bestätigungs-Email zwingt den Empfänger auch nicht zu einer Bewertung oder gar dem Aufwand eines Widerspruchs. Auch ist eine Vielzahl von unerwünschten Bestätigungs-Emails, die einen unnötigen Aufwand gleichen Sinne wie übliche Spam-Mails schaffen, nicht ersichtlich.

Schließlich ist es einfach lebensfern unter Verweis auf die Darlegungs- und Beweislast den Versender der Bestätigungs-E-Mail nach dem Beweis für die Einwilligung für die Übersendung eben dieser E-Mail zu fragen, wenn dieses Verfahren eben gerade dafür entwickelt wurde, den Beweis zur Einwilligung zu gewinnen. Es kann nicht ernsthaft gewollt sein, den Abonnenten zunächst Briefpost übersenden zu müssen, damit er die Einwilligung schriftlich erteilt. Auch widerspricht es der Lebenserfahrung, dass demnächst Bestätigungs-Emails im größeren Umfang versendet und die Empfänger belästigen werden. Denn schließlich können sich im Double-Opt-In Belästigung an sich nur dann ergeben, wenn eine nicht berechtigte Person eine konkrete E-Mail-Adresse in ein Onlineformular eingegeben hat (so: Dr. Philipp Kramer und David Oberbeck in der Gründerszene „Double-Opt-In weiterhin gültig“).

Die Revision ist übrigens zugelassen (Aber bis heute nicht eingereicht. Schade.).

Was heißt das für die Praxis?

Für die Praxis bedeutet das, dass das Double-Opt-In nach wie vor das Instrument schlecht hin ist, um sich ordnungsgemäß die vom Gesetz geforderte ausdrückliche Einwilligung von den Email-Empfängern zum Erhalt von Newslettern bzw. Email-Werbung einzuholen und das Instrument, um diese Einwilligung zugleich auch protokollieren zu können.

Und sonst so?

Wie bereits gesagt. Das Urteil wurde zahlreich besprochen.

Etliche Kollegen sehen in dem Urteil eine „Gefahr“ wie schon der zitierte Thomas Seifried („Tod des Double-Opt-Ins„) oder Dr. Bahr („OLG München: Bereits die Check-Mail beim Double Opt-In ist Spam„). Auch der Kollege Dr. Schirmbacher hielt das Urteil zunächst für eine Katastrophe („Da ist die Katastrophe: Double-Opt-In unzulässig – Update„)…

…neun Tage später ist er aber ebenfalls der Meinung, dass das Ende des Double-Opt-In bei weitem nicht in Sicht ist (Double-Opt-In – Wie geht es weiter nach OLG München?) – unter anderem, weil die Rechtsprechung aus München eben nicht mit dem BGH konform geht. Ebenso wenig sehen die Kollegen Prof. Härting und Dramburg den Untergang des Double-Opt-In gekommen.

Die Kollegen Schwenke und Schirmbacher meinen, dass die Speicherung der IP-Adresse, von denen der ursprüngliche Eintrag in die Mailing-Liste vorgenommen wurde sowie der IP-Adresse des Bestätigenden, eine (Hilfe bei der) Lösung der Beweisproblematik darstelle.

Ich halte das aus zweierlei Gründen für wenig hilfreich. Zum einen werden die IP-Adressen vom Provider dynamisch vergeben. Dies bedeutet, dass die IP-Adressen des „Anmeldenden“ und des „Bestätigenden“ nicht zwingend übereinstimmen müssen, obwohl es sich um denselben Anschluss handelt, von dem aus die Handlungen vorgenommen wurden. Und zum anderen: Was kann man an der reinen IP-Adresse zunächst mal nur erkennen? Eben. Den Provider. Nicht mehr. Oder um es mit dem Kollegen Dramburg zu sagen „Die Speicherung der IP-Adresse wird dabei kein Allheilmittel sein„.

Zum anderen ist das meines Erachtens aufgrund der Rechtsprechung des BGH jedenfalls nach Klick des Bestätigungs-Links nicht notwendig. Meines Erachtens folgt aus dem zitierten BGH-Urteil nämlich eine Umkehr der Darlegungslast: Hat der Email-Empfänger auf den Bestätigung geklickt, muss nicht mehr der Werbende den Beweis führen, dass der Empfänger sich eingetragen hat, sondern der Empfänger den Beweis führen, dass er sich nicht eingetragen hat (so auch Schirmbacher).

tl;dr: Keinen Stress. Nicht aufregen. Bis jetzt hat sich weder die – entscheidende! – höchstrichterliche Rechtsprechung geändert, noch ist eine solche Änderung abzusehen.

In diesem Sinne,

frohes rechtskonformes E-Mail-Marketing.

Europe ./. Facebook – Crowdfunding zur Durchsetzung des Datenschutzes im Klagverfahren

Ich hatte mir fest vorgenommen, wenn ich endlich die Zeit finde, einen Blogartikel zu schreiben , dann schreibe ich nicht über Facebook. Etliche andere Objekte der Begierde liegen im Hinterkopf und warten auf das kleine Zeitfenster, um hinaus gelassen zu werden. Doch nicht nur, dass Facebook hinsichtlich seiner Datenverwendungsrichtlinien mal wieder lustige, aber im Ergebnis völlig irrelevante Feedback-Runden ausgibt und zeitgleich vollkommen ungefragt irgendwelche Päärchen- und Freundesseiten ins Netz stellt, nein, jetzt macht Max Schrems auch noch ernst. Und das ist ein sehr guter Grund, doch wieder einmal Facebook den Titel des Artikels bestimmen zu lassen.

Max Schrems? Max Schrems. Denn Max Schrems bzw. der Verein „europe-v-facebook.org“ Verein zur Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz wollen im Zweifel eine Klage gegen Facebook anstrengen, um eine Bresche für den Datenschutz zu schlagen.

Doch von vorn: 

Im August und September letzten Jahres erregte der Wiener Student der Rechtswissenschaften großes Aufsehen. Er forderte gemäß Recht und Gesetz Auskunft über sein Daten bei Facebook. Herauskamen dabei 1.200 Seiten Papier. Darunter Daten, die Max Schrems gelöscht hatte – also gar nicht mehr hätten bei Facebook vorliegen dürfen. Diesen Verstoß wollte der angehende Jurist nicht hinnehmen und erstatte bei der irischen Datenschutzbehörde Anzeige. Nicht eine, sondern insgesamt 18 Datenschutzverstöße, die sich aus den ihm übersandten Seiten ergaben, wurden gerügt.  Eine Übersicht über alle Anzeigen nebst den entsprechenden Dokumenten und sowie die Reaktionen und Berichte der irischen Datenschutzbehörde finden sich bei europe-v-facebook.org.

Das Ergebnis ist bekannt. Viel Wirbel. Viele Diskussionsrunden. Ein paar Schönheitskorrekturen bei den Datenverwendungsrichtlinien von Facebook. Und ein Audit der Datenschutzbehörde, das von den Anzeigen angestoßen wurde, aber letztlich ein eigenes Verfahren darstellt. Das Ergebnis dieser Prüfung verwunderte durchaus. So hieß es in der Presseerklärung von Seiten des obersten irischen Datenschützers:

The audit has found a positive approach and commitment on the part of FB-I to respecting the privacy rights of its users. Arising from the audit, FB-I has agreed to a wide range of “best practice” improvements to be implemented over the next 6 months, with a formal review of progress to take place in July of next year„.

Mal ganz frei und leicht polemisch übersetzt: Eigentlich alles super, Facebook sollte nur ein paar kleine Verbesserungen vornehmen und das gucken wir uns dann einfach bei einer Tasse Kaffee noch mal nächstes Jahr an.

Das wollten Max Schrems und seine Mitstreiter nicht hinnehmen. Nicht nur, dass sie das weitere Verfahren mit Argus-Augen beobachten und protokollieren (hier finden sich die Aktivitäten und Berichte). All die weil haben sie den Verein „europe-v-facebook.org“ Verein zur Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz gegründet, einen Gegenbericht verfasst und – jetzt kommt es – bereiten sich auf eine Klage gegen Facebook vor.

Crowdfunding für den Datenschutz

Da weder der Verein zur Durchsetzung des Grundrechts auf Datenschutz noch die Studenten selbst in der Lage sind ein solches Verfahren finanziell zu stemmen, haben sie das getan, was man eben in Zeiten des Web 2.0 tun kann: Eine Crowdfunding-Plattform ins Leben gerufen. Unter https://www.crowd4privacy.org und dem Slogan „Gemeinsam für ernsthaften Datenschutz!“ kann jeder per Spende das Verfahren unterstützen.

Ist das etwa ein Aufruf, das Projekt zu unterstützen?

Ja!

Wer meinen Blog verfolgt, der weiß, dass ich das undurchschaubare Horten von Daten durch oligopolartig agierende amerikanischen Großkonzernen, auf das der einzelne Nutzer eben keinen oder nur kaum Einfluss hat, äußerst kritisch beobachte. Datenschutz ist ein Grundrecht, das nicht belächelt werden sollte. Es geht uns alle an. Es geht nicht darum, soziale Netze unmöglich zu machen, sondern darum auch weiterhin Kontrollmöglichkeiten über die eigenen Daten zu erhalten und diese Kontrolle eigenverantwortlich ausüben zu können. Zum Beispiel, in dem ich Daten, von denen ich nicht mehr möchte, das sie bei einem Facebook liegen, tatsächlich löschen kann.

Die Diskussion, was Datenschutz- und Datenschutzgesetze heutzutage leisten können und müssen, (aber auch, was vielleicht nicht), muss vorangetrieben werden. Hierzu leistet die Arbeit von Max Schrems und dem Verein europe-v-facebook einen  wichtigen Beitrag.

In diesem Sinne,

auf mehr praktikablen Datenschutz!