Social Media Accounts und Markenrecht. Was tun, wenn ein Dritter meine Marke nutzt?

Schon vor zwei Jahren haben sich die ersten Gedanken um die Account-Namen und die Markenrechtsproblematik bei Twitter, Facebook & C0 gemacht, so zum Beispiel  Oliver Wagner im Agenturblog zum Thema „Nutzernamen in Twitter und das Risiko geschlossener Plattformen“. Lange Zeit war dies allerdings nicht wirklich ein Thema. Inzwischen erkennen jedoch Firmen die Bedeutung von Facebook, Twitter & Co für ihr Produkt-, PR- und Employer Branding-Management und bauen dementsprechende Kampagnen im Bereich Social Media auf. Da ist es, gelinde ausgedrückt, misslich, wenn die eigene Geschäftsbezeichnung oder gar eingetragene Marke schon von einem Dritten als Twitter- oder Facebook-Account genutzt wird.

Social Media Accounts: Ebenso begehrt wie Domains Ende der 90er?
Ende der 90er Jahre entbrannte um etliche Domains ein Kampf, der mit viel Geld und allen juristischen Mitteln geführt wurde. Die meisten erinnern sich sicher noch an die Turan/Touran-Story oder das berühmte Shell-Urteil des BGH

Ob „Kauf“ der Markenrechte oder aber jahrelanger Rechtsstreit bis zum BGH – beides sind teure Verfahren, um letztlich die Domain mit dem eigenen Geschäftsnamen und/oder Marke zu erhalten.

Die gleichen Kämpfe nun bei Accounts von Twitter & Co?
Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die gleichen Kämpfe nun auch um Social Media Accounts geführt werden. Letztendlich verhält es sich mit Twitter und Facebook ähnlich wie mit der DeNIC. Auch Twitter und Facebook stellen hinsichtlich der Account-Namen die Registrierungstelle dar. Allerdings ist die DeNIC ausschließlich für die Registrierung der Domain-Namen zuständig, während Twitter und Facebook die Accounts selbst hosten und über einen entsprechenden Zugriff verfügen.In Folge dessen finden sich bei sowohl bei Facebook als auch Twitter Regelungen zur Verletzung von Marken- und Namensrechten durch Dritte.

Die Regelungen zum Markenrecht bei Twitter und Facebook
So lautet der Absatz in den Twitter-Regeln:

„Twitter behält sich vor, Benutzernamen im Namen von Unternehmen und Privatpersonen, die den Rechtsanspruch oder das Markenrecht auf diesen Benutzernamen halten, zurückzuverlangen. Konten, die Firmennamen und/oder Logos zum Zweck der Täuschung anderer Benutzer verwenden, werden permanent gelöscht.“

Und so die entsprechende Regelung (4.10) in den Nutzungsbedingungen von Facebook:

„Wenn du einen Nutzernamen für dein Konto auswählst, behalten wir uns das Recht vor, diesen zu entfernen oder zurückzufordern, sollten wir dies als notwendig erachten (zum Beispiel, wenn der Inhaber einer Marke eine Beschwerde über einen Nutzernamen einreicht, welcher nicht dem echten Namen eines Nutzers entspricht).“

Jedenfalls Twitter enthält darüber hinaus auch für Markenverletzungen ein einfaches Meldeprotokolle vor, mit denen eine Markenverletzung vom Verletzten melden kann. Wie konkret die weitere Vorgehensweise aussieht und ab wann aus einer „angeblichen Markenverletzung“ eine für Twitter/Facebook konkrete wird, die in der Sperrung eines Accounts resultiert, darüber schweigen die Seiten.

Für den Nicht-Juristen mag das dennoch nach einer soliden und einfachen Lösung klingen á la „Ein Dritter ist Inhaber eines auf meine Marke/geschäftliche Bezeichnung lautenden Accounts bei Twitter/Facebook, folglich kann ich mich beschweren und schon habe ich meinen Account!“

Vorgehen bei Rechtsverletzungen gegen Twitter/Facebook direkt
Bei einem direkten Vorgehen gegen Twitter und Facebook auf Löschung bzw. Umtragung eines Accounts sind jedoch die folgenden Punkte zu bedenken:
1. Ab wann erachtet Facebook das Entfernen/Entziehen eines Accounts gegenüber einem Dritten überhaupt als notwendig, bzw. Twitter den Rechtsanspruch auf eine Marke/sonstiges Recht als gegeben? Bei der ersten Beschwerde? Oder wenn die Inhaberschaft der Marke bewiesen wird? Oder bei sonstigen geschäftlichen nach dem Markengesetz geschützten Zeichen, wenn ein rechtskräftiges Urteil vorliegt?
2. Selbst wenn Twitter oder Facebook umgehend reagieren und dem Beschwerdesteller den Account zubilligen, so kann doch der ursprüngliche Account-Inhaber evt. versuchen, sein Interesse an diesem Account durchzusetzen (bspw. weil er ein Namensrecht geltend macht). Eine (außer-)gerichtliche Auseinandersetzung mit der Gegenseite ist also nicht von vornherein vermieden.
3. Reagieren die Social Media Anbieter nicht umgehend, so stellt sich die Frage der weiteren Vorgehensweise: Will man die Unternehmen auf Löschung bzw. Herausgabe der Accounts in Anspruch nehmen, ggf. gerichtliche Schritte einleiten? In den Fällen einer Markenrechtsverletzung könnten sie in Deutschland (Stichwort: Fliegender Gerichtsstand) unter Umständen nach den Grundsätzen der Störerhaftung zum Unterlassen der rechtsverletzenden Handlung, also der Vergabe des Accounts an einen unberechtigten Dritten, verpflichtet sein. Facebook ist aber (jedenfalls juristisch) ein irisches und Twitter ein amerikanisches Unternehmen. Und die Vollstreckung eines Urteils im Ausland kann kompliziert werden.

Vorgehen bei Rechtsverletzungen gegen den Account-Inhaber

Deswegen wird es oft einfacher und ergebnisorientierter sein, gegen den Account-Inhaber direkt vorzugehen und ihn selbst zum Löschen der Accounts bei den Social Media Anbietern zu bewegen, insbesondere wenn der Account-Inhaber ebenfalls im Inland (Deutschland) sitzt. Aufgrund der Impressumspflicht iSd. TMG werden jedenfalls die Account-Inhaber von geschäftsmäßigen Diensten leicht zu identifizieren sein.
Doch wie wird der Account-Inhaber zur Aufgabe des Accounts bewegt?

Abmahnung
Ist der Verletzte Inhaber einer eingetragenen Marke oder einer sonst nach dem Markengesetz geschützten Bezeichnung, ist das erste Instrument die sogenannte Abmahnung. Mit dieser wird der Account-Inhaber auf die Verletzung des Markenrechts aufmerksam gemacht und zur Unterlassung des rechtsverletzenden Verhaltens, sprich den Account zu führen, aufgefordert. Der Verletzer hat ferner die der Abmahnung beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und an den Markeninhaber zurückzusenden. Die für die Abmahnung entstehenden Anwaltskosten kann der Markeninhaber bei berechtigter Abmahnung von dem Verletzer ersetzt verlangen.

Einstweiliger Rechtsschutz
Weigert sich der Verletzte dem nachzukommen, bspw. weil er die Abmahnung für unberechtigt hält, so bleibt die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz vor den Gerichten zu ersuchen. In diesem Fall wird eine einstweilige Verfügung, mit dem Inhalt die Nutzung des Social Media Accounts durch den Verletzer (Antragsgegner) zu unterlassen, bei dem zuständigen Gericht durch den Verletzten (Antragsteller) beantragt. Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung ist, mittels dieser vorläufig, d.h. bis zum Ende des Hauptsacheverfahrens, den Rechtsstreit zu regeln. Deswegen muss bei der einstweiligen Verfügung der sogenannte Verfügungsanspruch (hier: der Anspruch auf Unterlassen) nicht bewiesen, sondern zunächst nur glaubhaft gemacht werden. Diese Glaubhaftmachung erfolgt in der Regel durch eine eidesstattliche Versicherung seitens des Antragstellers. Weitere Voraussetzung für das Erlangen einer einstweiligen Verfügung ist der sogenannte Verfügungsgrund, hier muss die besondere Dringlichkeit/Eilbedürftigkeit des Falles dargelegt werden. Logisch dürfte sein, dass eine solche nach Ablauf von 8 Wochen ab Kenntnis der schädigenden Handlung nicht mehr bestehen kann. (Achtung: Viele Gerichte sehen die Eilbedürftigkeit bereits ab vier Wochen nach Kenntnis der schädigenden Handlung nicht mehr als gegeben an!)
Hinsichtlich der Kosten dieses Verfahrens gilt kurz und knapp: Wer verliert, der bezahlt!

Abschlussschreiben
Erhält der Markeninhaber durch Beschluss des Gerichts die beantragte einstweilige Verfügung, so ist zu einem sog. Abschlussschreiben zu raten. Wie eben erläutert, ist schließlich der Prozess bisher nur vorläufig geregelt und die Sache müsste noch in der Hauptsache entschieden werden. Zu dem hat der Antragsgegner die Möglichkeit gegen den Beschluss des Gerichts Widerspruch einzulegen. Über den Anspruch des Markeninhabers ist mit dem Beschluss über die einstweilige Verfügung also bei weitem nicht rechtskräftig entschieden. Zur Vermeidung eines Widerspruchs und vor allem des kostspieligen Hauptsacheverfahrens ist es daher ratsam, den Gegner mit einem außergerichtlichen Schreiben zum Anerkenntnis der einstweiligen Verfügung als endgültige Regelung aufzufordern. Dieses Abschlussschreiben muss mit einem Verzicht auf Einlegung des Widerspruchs, auf Erzwingung des Hauptsacheverfahrens sowie auf Beantragung der Aufhebung (des Beschlusses) wegen veränderter Umsände verbunden sein. Unterzeichnet der Gegner dieses Abschlussschreiben entsprechend, wird das Hauptsacheverfahren überflüssig.
Kosten: Das Abschlussschreiben löst – gleich der Abmahnung – als außergerichtliche Streitbeilegung Kosten aus. Diese sind jedoch in der Regel weit geringer als ein Verfahren in der Hauptsache und können – ebenso wie die der Abmahnung – dem Gegner auferlegt werden.

Hauptsacheverfahren
Ist die einstweilige Verfügung nicht zu Gunsten des Markeninhabers ergangen oder hat der Gegner nicht das präferierte Abschlussschreiben unterzeichnet, so muss aus o.g. das Hauptsacheverfahren geführt werden. Hat der Markeninhaber allerdings die einstweilige Verfügung erfolgreich beantragt, besteht – soweit diesbezüglich nicht Widerspruch eingelegt wurde – der charmante Vorteil, dass der Verletzer jedenfalls vorläufig nicht mehr den Account benutzen darf. Ob nun der Markeninhaber in diesem Stadium des Verfahrens den streitgegenständlichen Account für sich nutzt, hängt in erster Linie von den weiteren Erfolgsaussichten des Verfahrens ab. Schließlich wäre es eher contra-produktiv den arbeitsintensiven Aufbau einer Social Media Kampagne unter einem Account zu betreiben, den man letztlich evt. nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens wieder herausgeben muss. Wird eine eingetragene Marke durch einen Dritten verwendet, sind die Erfolgsaussichten für den Inhaber allerdings immer sehr gut. Wird eine sonst nach dem Markengesetz geschützten Bezeichnung oder eine dieser ähnliche verwendet, ist dies stark vom Einzelfall abhängig, da verschiedene Kriterien wie bspw. „Bekanntheit der Bezeichnung“ und „Vewechslungsgefahr“ der Auslegung durch die Gerichte zugänglich sind.
Hinsichtlich der Kostentragung gilt wieder der Grundsatz: Wer verliert, der bezahlt!

Wenn du einen Nutzernamen für dein Konto auswählst, behalten wir uns das Recht vor, diesen zu entfernen oder zurückzufordern, sollten wir dies als notwendig erachten (zum Beispiel, wenn der Inhaber einer Marke eine Beschwerde über einen Nutzernamen einreicht, welcher nicht dem echten Namen eines Nutzers entspricht).

Und wenn der Account-Inhaber nicht im Inland sitzt?
Dann gilt grundsätzlich das Gleiche. Schließlich handelt es sich bei einer Markenrechtsverletzung um eine sogenannte „unerlaubte Handlung“. In diesen Fällen ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung stattgefunden hat. Vorliegend finden die Rechtsverstöße im Internet statt. Hier gilt als Tatort der Ort, an dem die betreffende rechtswidrige Information Dritten bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird, mit anderen Worten, die betreffende Webseite oder Homepage abgerufen werden kann. Immer wieder gab und gibt es Gerichte, die den daraus resultierenden „fliegenden Gerichtsstand“ eindämmen wollten. Bislang jedoch ohne Erfolg. Erst jüngst hat der BGH, Az. VI ZR 23/09 vom 02. März 2010, in einer Presserechtssache entschieden, dass deutsche Zivilgerichte für Klagen in Pressesachen durch einen im Internet abrufbaren Artikel international zuständig sind, wenn der Artikel deutliche Bezüge nach Deutschland aufweist – es ging um einen englischsprachigen (!) Artikel der New York Times (!).
Problematisch wird hier, wie auch bei der Inanspruchnahme von Twitter und Facebook, die Durchsetzung (Vollstreckung) eines errungenen Titels im Ausland. Trotz aller europäischen und internationalen Abkommen kann dies schwierig werden.

Inhaber einer EU-Marke
Etwas anders sieht dies wiederum dann aus, wenn der Markeninhaber Inhaber einer EU-Marke ist. Verletzungsklagen in Bezug auf die EU-Marke können nämlich vor den sog. Gemeinschaftsmarkengerichten erhoben werden. Dies sind von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union benannte nationale Gerichte, die über die Verfahren im Bereich der Gemeinschaftsmarken entscheiden. Ihre Urteile sind in der gesamten Europäischen Union anerkannt und können deswegen relativ unproblematisch durchgesetzt und vollstreckt werden.

Und wenn der Verletzer nicht der Impressumspflicht unterliegt oder einfach keines hat?
Da, vereinfacht gesagt, die Impressumspflicht nur die rein privaten Accounts nicht trifft, aber in dem gros der Fälle gerade geschäftsmäßige Accounts die Anlehnung an eine bekannte Marke oder geschäftliche Bezeichnung ausnutzen wollen, sind die Fälle, in denen eine mangelnde Impressumspflicht ebenso wie ein Verstoß gegen die Impressumspflicht dazu führt, dass der Account-Inhaber nicht schnell greifbar sind, wohl als gering einzustufen.
Liegt ein solcher Fall dennoch vor, muss gegen die Social Media Anbieter vorgegangen werden. Hilft die o.g. Beschwerdemöglichkeit allein dem Problem nicht ab, so muss das eben aufgeführte prozessuale Instrumentarium (Abmahnung, eV etc.) auch gegenüber den Social Media Anbietern verwendet werden. Materiellrechtlich ist mit der Störerhaftung zu argumentieren.

Prävention statt Reaktion
Es ist immer das alte Lied, aber es bleibt stets aktuell. Der beste Rat, der in Bezug auf Social Media Accounts für Social Media Kampagnen durch Unternehmen zu geben ist, lautet: Sichern Sie sich am besten rechtzeitig die einschlägigen Accounts. Dann müssen Sie sich weder mit den Social Media Unternehmen noch mit den Account-Inhabern noch mit Gerichten, die im Zweifel noch nie von Twitter gehört haben, auseinandersetzen.